Umweltvorteil dahin Studie zieht Diesel-Privileg in Zweifel
16.05.2016, 17:27 Uhr
Wer viel fährt und die Umwelt schonen will, tankt Diesel. Aber ist das überhaupt noch richtig.
(Foto: picture alliance / dpa)
Bisher hieß es immer: Wer viel fährt, sollte statt auf einen Benziner auf Diesel setzen. Das spart Geld und schont die Umwelt. Eine Studie im Auftrag der Grünen zeigt nun: Diese Ansicht ist nicht mehr zu halten.
Eine neue Studie schürt Zweifel an der Rechtfertigung bestehender Steuervorteile für Dieselfahrzeuge. Wissenschaftler des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) und des Instituts für Klimaschutz, Energie und Mobilität kommen darin zu dem Schluss, dass angenommene Umweltvorteile nicht mehr existieren. Die Studie wurde im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion erstellt und lag n-tv.de exklusiv vorab vor.

Toni Hofreiter: "Die Erzählung der Automobilindustrie vom klimafreundlichen Diesel gehört ins Reich der Märchen."
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Als Argument für den Steuerrabatt galt bislang stets die Annahme, Dieselmotoren würden wegen effizienterer Motorentechnik weniger CO2 ausstoßen. Angesichts des sinkenden CO2-Durchschnittswerts bei benzinbetriebenen Autos und steigender Werte bei Dieselfahrzeugen sei dieser Klimavorteil jedoch nicht mehr gegeben. Hinzu kommen die Enthüllungen im Abgasskandal: Die CO2-Werte von Dieselfahrzeugen könnten weit höher liegen, als bisher angenommen.
Die Ergebnisse der Studie im Detail:
- Im Schnitt sind Benzin-Neuwagen laut Studie schon heute klimafreundlicher als Diesel-Fahrzeuge. Bei Betrachtung aller Fahrzeuge, also auch älterer Autos, liegen die Antriebstechniken nahezu gleichauf.
- Grund für das Zurückfallen der Diesel-Fahrzeuge sei, dass bei benzinbetriebenen Motoren nach und nach Verbesserungen beim CO2-Ausstoß erzielt worden seien. Im Gegenzug steige Leistungsstärke und Gewicht dieselbetriebener Neuwagen seit Jahren. Damit werde der Vorteil der an sich effizienteren Technik aufgezehrt.
- Die Gründe für den Trend zu mehr Größe und Pferdestärken seien vielfältig: So lohne sich der Einbau der vergleichsweise teuren Dieselmotoren nur in insgesamt höherklassige und damit größere Fahrzeuge. Zudem seien Dieselfahrzeuge durch verschiedene steuerliche Maßnahmen des Gesetzgebers vor allem für Vielfahrer attraktiv. Vielfahrer achten beim Kauf mehr auf Komfort, der im Allgemeinen in der Größe des Fahrzeugs gesehen wird.
- Hinzu kommt: Da Dieselfahrzeuge in den vergangenen Jahrzehnten für Vielfahrer als günstig wahrgenommen wurden, wurden sie stärker nachgefragt. Die Marketingabteilungen der Automobilindustrie verstärkten diesen Effekt.
- Die Studie stellt heraus, in welchem Maße Dieselfahrzeuge steuerlich vom Gesetzgeber bevorteilt werden – der wesentliche Grund für die wirtschaftliche Attraktivität dieser Antriebstechnik. Die Autoren bemängeln, diese Regelungen seien "derzeit weder technologieneutral, noch werden die externen Kosten der Kraftstoffe beziehungsweise Antriebstechnologien berücksichtigt".
- "Externe Kosten" meint: Dieselmotoren haben – unabhängig vom unmittelbaren CO2-Ausstoß – eine umweltschädlichere Bilanz aufgrund höherer Feinstaub- und Stickoxidemissionen. Auch hier gilt: Je größer die Motorleistung, desto mehr dieser Stoffe gelangen in die Luft.
- Die Studie weist zudem auf "unzulängliche Kontrollverfahren zur Einhaltung der Euro-Norm" bei Dieselfahrzeugen hin. Gemeint sind die bekannt gewordenen Praktiken zur Manipulation des CO2-Werts – Stichwort: Abgasskandal. In diesem Zusammenhang bedeute die aktuelle Situation "einen ökologisch nicht mehr zu begründenden Vorteil".
Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sagt n-tv.de: "Die Erzählung der Automobilindustrie vom klimafreundlichen Diesel gehört ins Reich der Märchen." Für seine Fraktion ist im Lichte der Studie klar: Es sollte darüber nachgedacht werden, das "Dieselprivileg" stufenweise abzuschmelzen. "Das entlastet nicht nur den Staatshaushalt, sondern ist auch klimapolitisch sinnvoll", sagt Fraktionschef Toni Hofreiter n-tv.de.
Dass die Automobilhersteller so sehr auf Diesel setzten, sei eine "klimapolitische Sackgasse", sagt die steuerpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Lisa Paus. "Die steuerliche Besserstellung des Diesel in Deutschland gefährdet akut die Zukunft des Automobilstandorts Deutschland."
Quelle: ntv.de, jog