"Hau ab Romney, hau ab!" Volkes lästige Stimme
25.05.2012, 02:13 Uhr
"Verärgert" sind viele Wähler - und zeigen ihre Wut bei Wahlkampfauftritten der Kandidaten.
(Foto: REUTERS)
Sie sind die Flitzer des Wahlkampfes: Zwischenrufer. Jeder Präsidentschaftsanwärter hat früher oder später mit ihnen zu tun. Das Zusammentreffen mit dem Volkszorn gehört zum demokratischen Testprogramm dazu und prüft die Geduld der Kandidaten.
Eigentlich wollte Mitt Romney nur über das US-amerikanische Bildungssystem sprechen. Dafür hatte sich der Republikaner extra aufgemacht nach Philadelphia, in ein besonders ärmliches Viertel, in dem vor allem Afro-Amerikaner wohnen. Sie lagen schon am Boden der Gesellschaft, als die Wirtschaftskrise noch gar nicht zugeschlagen hatte, im Schulsystem gehören sie oft zu den Verlierern. Multimillionär mit Harvard-Diplom trifft auf Großstadtelend: Es gibt leichtere Termine im Wahl-Kalender.
Doch es sollte noch schlimmer kommen. "Verschwinde, Romney, verschwinde", riefen ihm Anwohner entgegen, als sich Romney, der einst in einem unvorsichtigen Moment bekundet hatte, er mache sich über die Armen "keine Gedanken", mit Lehrern in einer örtlichen Schule traf.
Gut geplant oder total spontan
Als "Heckler" bezeichnen die US-Amerikaner solche Zwischenrufer, die bei öffentlichen Auftritten den gut geplanten Ablauf stören. Manchmal sind sie politische Aktivisten, die die Auseinandersetzung regelrecht provozieren. Die Frauen der Gruppe "Code Pink" zum Beispiel sind berüchtigt für ihre Schrei-Demos. Hin und wieder legen sich aber auch Einzelpersonen mit Politikern an. Bill Clinton bekam es 2008 beim Wahlkampf seiner Frau mehrfach mit renitenten Verschwörungstheoretikern zu tun. "Ich erzähle dir was", kanzelte der Ex-Präsident damals einen von ihnen ab, "wenn du mal die Klappe halten würdest".
Die Unmutsbekundungen aus dem Hintergrund gehören zu jedem US-Wahlkampf dazu. Meistens wendet sich das Publikum gegen sie, hin und wieder aber bringen sie Kandidaten auch in Schwierigkeiten. Eine Herausforderung, die jeder anders löst.
Romney: Gutmütiger Phrasendrescher
Für Mitt Romney war der Zwischenfall in Philadelphia nicht die erste Begegnung mit aggressiven Zwischenrufern. Bei der Vorwahl in Iowa legte er sich zum Beispiel mit einem wutentbrannten Lehrer an, der ihn lautstark zum Staatsdefizit und zur Steuerpolitik befragte. "Firmen sind auch Menschen", so Romneys inzwischen legendäre Begründung für niedrigere Unternehmensbesteuerung. Die Demokraten schlachten den Satz bis heute genüsslich aus.
In New York City schrie ihm einmal eine Frau während einer Rede "Mitt Romney, du Rassist" entgegen. Romney hielt kurz inne und setzte dann seine Rede einfach fort, über die Rufe der Frau hinweg. Und in Iowa unterbrachen minutenlang Occupy-Demonstranten seine Ansprache. Romney holte nur sein Kameralächeln raus und amüsierte sich prächtig. "Ist es nicht toll, in einem Land zu leben, in dem jeder seine Meinung sagen darf?"
Obama: Belehrung oder Humor
Barack Obama begegnet seinen Hecklern hingegen lieber mit dem warnenden Zeigefinger. Zum Beispiel bei seiner Rede zur Energiepolitik in Ohio Ende März. "Geh und mach deine eigene Versammlung", wies er einen jungen Zwischenrufer zurecht, "du bist sehr unhöflich." In solchen Momenten erinnert der Präsident eher an einen verärgerten Vater als an einen Politiker auf Stimmenfang.
2010 tauchten bei mehreren Obama-Reden Aids-Aktivisten auf und machten sich mit Zwischenrufen bemerkbar. Irgendwann riss Obama der Geduldsfaden. "Warum geht ihr nicht zu den Versammlungen der Leute, die der Aidshilfe kein Geld geben wollen, und schreit dort rum", rief er zurück. Im gleichen Tonfall bügelte er bei der Wahl 2008 mehrere Jugendliche in Florida ab. Nachdem diese sich bei einer Fragerunde lautstark dazwischengedrängt hatten, knöpfte sich Obama einen von ihnen vor und belehrte ihn unter dem Beifall der Zuschauer. "Sei einfach nur höflich, das ist alles."
Manchmal aber sind die Zwischenrufe so skurril, dass sich Oberlehrer Obama nur noch mit Witzen wehren kann. "Du bist der Antichrist", schrie ein hörbar aufgewühlter Mann bei einem Obama-Auftritt in Los Angeles 2011. Die Agenten des Secret Service wollten den Wutbürger gerade nach draußen befördern, da meldete sich ihr Chef vom Podium. "Eine Frage habe ich noch: Ich glaube, der junge Herr hat seine Jacke liegen lassen."
Quelle: ntv.de