Politik

Milliarden in die Renten statt für junge Menschen Union und SPD brechen Wahlversprechen

Für Familien wurde in den vergangenen Jahren mehr getan. Doch jetzt scheint sich das Blatt zu wenden.

Für Familien wurde in den vergangenen Jahren mehr getan. Doch jetzt scheint sich das Blatt zu wenden.

(Foto: picture alliance / dpa)

Statt wie angekündigt weiter junge Familien zu fördern und junge Arbeitnehmer zu entlasten, kehren die Volksparteien zum überwunden gewähnten Klischee der "Rentnerparteien" zurück.

Warum bemühen sich die Volksparteien eigentlich krampfhaft um junge Wähler, wenn sie am Ende doch vor allem Politik für die Generation 60-Plus machen? Jüngstes Beispiel: Die zukünftige Koalition aus Union und SPD will gleich mehrere Spezialrenten einführen und streicht dafür die im Wahlkampf versprochene Erhöhung des Kindergeldes und des Kinderfreibetrags.

Seniorenprotest in Bremen. Ein Ausgleich der Interessen von Jungen und Alten ist wichtig, um den großen Generationenkonflikt zu vermeiden.

Seniorenprotest in Bremen. Ein Ausgleich der Interessen von Jungen und Alten ist wichtig, um den großen Generationenkonflikt zu vermeiden.

(Foto: picture alliance / dpa)

Lebensleistungsrente, Mütterrente, Solidarrente, Erwerbsminderungsrente, Rente mit 63 – wer unter 40 ist, reibt sich erstaunt die Augen, was es nach dem Willen der drei Parteien CDU, CSU und SPD alles für neue Renten geben soll. Würden alle diese Zusatzleistungen eingeführt, würde das rund 27 Milliarden Euro kosten, rechnete gerade das Fernsehmagazin "Frontal 21" vor. Nicht, dass man den Senioren grundsätzlich nicht auch mehr Geld gönnen würde. Doch schon ist im Gespräch, dass das benötigte Geld wohl von den Beitragszahlern aufgebracht werden muss, denn Steuererhöhungen haben die Koalitionäre auf Druck der Union bereits ausgeschlossen. Konkret heißt das, dass die gesetzlich eigentlich vorgeschriebene Absenkung des Rentenbeitrags durch Arbeitnehmer von 18,9 auf 18,3 Prozent ausfällt. Gleichzeitig werden sehr viel weniger kostspielige Vorhaben aus den Wahlprogrammen verworfen, weil angeblich kein Geld dafür da sei.

Potentielle Wähler vergrätzt

Wer jung und erwerbstätig ist, zahlt also weiterhin jeden Monat einen erheblichen Teil seines Bruttogehalts in die Rentenkasse ein, ohne dass auf absehbare Zeit eine Erleichterung in Sicht ist. Das stößt auf, nachdem die Union unter anderem damit Wahlkampf führte, dass sie junge Familien besonders fördern wolle. Womöglich erklärt sich das gute Ergebnis der CDU bei der Bundestagswahl zu einem Teil damit, dass genau jene sie aus ganz bodenständigen Gründen SPD oder Grünen vorzogen. Zu abschreckend waren die Steuerpläne der SPD und der Grünen, die fatale Auswirkungen auf die Haushaltskasse von mittel bis gut Verdienenden gehabt hätten.

Der nach einem beachtenswerten Paradigmenwechsel von der CDU betriebene Ausbau der Kindertagesbetreuung über die vergangenen Jahre hatte zudem in letzter Minute doch noch einigermaßen geklappt, das Elterngeld hat sich daneben für viele junge Eltern als eine wirklich hilfreiche Leistung erwiesen. Würde die Union sich weiterhin glaubwürdig um Jüngere bemühen, könnte sie vermutlich in Zukunft noch einige mehr von ihnen zu Unionswählern machen. Vielleicht auch diejenigen, die bisher rein aus Prinzip die als altbacken eingeschätzte Partei nicht gewählt haben, weil zum Beispiel die Rollenbilder einiger konservativer Unionspolitiker sie zurecht argwöhnisch gestimmt haben. Als Beweis dafür, dass sich daran nicht viel geändert hat, gilt das Betreuungsgeld, auch bekannt als "Herdprämie" (das übrigens auch knapp zwei Milliarden Euro pro Jahr kostet).

Wohltaten gehen auf Kosten kommender Generationen

Stattdessen kehrt die Union mit der einstigen Arbeiterpartei SPD im Schlepptau zum überwunden geglaubten Klischee der "Renterpartei" zurück. Kundige warnen davor, dass die sogenannte Mütterrente für die einzelne Frau – es betrifft Frauen, die vor 1992 Kinder bekommen haben – nur einen geringen Effekt hätte. Zumal viele Frauen aus der betreffenden Generation rein statistisch weniger von Altersarmut betroffen sind als Frauen späterer Generationen sein werden. Die Rentenanhebung würde beispielsweise einer Mutter von zwei in den 1980er Jahren geborenen Kindern 56 Euro mehr im Monat bescheren. Doch in der Summe kostet der Plan 6,5 Milliarden Euro im Jahr.

Die Wirtschaftsweisen warnen in ihrem aktuellen Herbstgutachten denn auch vor einer "rückwärtsgewandten Politik". Viele der derzeit diskutierten Wohltaten, wie die Mütterrente, die Aufstockung von niedrigen Renten oder großzügige Ausnahmen von der Rente mit 67 gingen überwiegend zu Lasten der kommenden Generationen, heißt es da.

Schlimmer als die Summe der Ausgaben oder die nun fehlenden 35 Euro an zusätzlichem Kindergeld für Eltern ist jedoch der schamlose Bruch eines zentralen Wahlversprechens sowohl von der Union als auch von der SPD. Politiker beider Parteien fühlen sich offenbar vor allem ihrer größten Wählergruppe verpflichtet, also denjenigen, die heute älter sind als 60 Jahre. Das ist für sich noch nicht verwerflich. Politik für diese Gruppe aber derart auf Kosten der Jüngeren zu betreiben, ist wegen der anderslautenden Wahlversprechen nicht nur unredlich, sondern auch kurzsichtig. Klüger wäre es, wenn die Koalitionäre mit Hinblick auf zukünftige Wahlen mehr Junge für sich einnähmen, deren Bedeutung für die Zukunft in Parteitagsreden ja so gerne hervorgehoben wird.

Quelle: ntv.de

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