Politik

Eigenwillige Glückwünsche an Rechtspolitiker Unionsfraktion gratuliert Orban "herzlich"

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"Herzliche Gratulation" für Viktor Orban - Hans-Peter Friedrich ist vom Wahlsieg des umstrittenen ungarischen Ministerpräsidenten beeindruckt.

(Foto: dpa)

Der neue und alte Ministerpräsident in Ungarn heißt Viktor Orban. Die Bundesregierung reagiert skeptisch und hebt mahnend den Zeigefinger gegenüber dem umstrittenen Zampano. Die Unionsfraktion überrascht dagegen mit geradezu überschwänglichen Glückwünschen.

Der neue und alte ungarische Ministerpräsident kann sich auf seine Wähler verlassen. Die große Mehrheit der Ungarn machte an der Urne klar, dass sie den im Westen umstrittenen starken Mann von der Donau weiterhin an der Macht sehen will. Die Bundesregierung hat sich dagegen eher skeptisch geäußert. Sie ruft Orban zu einem verantwortungsvollen Umgang mit der neu errungenen Macht auf. Aus der Mehrheit für Orban erwachse "eine besondere Verantwortung, diese Mehrheit nun auch mit Augenmaß und mit Zurückhaltung und auch mit Sensibilität für verfassungsmäßige Grundsätze einzusetzen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Grundsätzliche Überzeugung Deutschlands bleibe es, "dass Europa die Werte von Toleranz, von Vielfalt, von Respekt des jeweils Andersdenkenden verbindet". Extremismus habe deswegen in Europa keinen Platz, "schon gar nicht Antisemitismus oder zum Beispiel Roma-Feindlichkeit", fügte Seibert hinzu.

Doch ob Seibert damit wirklich die Meinung der gesamten Bundesregierung wiedergibt, ist mehr als fraglich. Denn die Unions-Fraktion beurteilt den Wahlsieg Orbans ganz anders als der Regierungssprecher. "Wir gratulieren Ministerpräsident Viktor Orban und seiner Regierungspartei Fidesz herzlich zum klaren Wahlsieg bei den Parlamentswahlen in Ungarn", lässt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Hans-Peter Friedrich von der CSU mitteilen. Kein kritisches Wort ist in der Erklärung zu finden. Im Gegenteil, der Tonfall ist eher schwärmerisch. "In beeindruckender Weise" habe Orban erneut das Vertrauen der Wähler gewinnen können und dem Land so eine "stabile Regierung" beschert.

Rechtsextreme festigen Position

Daraus leitet der einstige Innen- und Landwirtschaftsminister Friedrich ein großes Verdienst ab: "Die klare Mehrheit von Fidesz wird auch dazu führen, dass die rechtsradikale Partei Jobbik keine Chance hat, ihre extremistischen Ideen umzusetzen." Dabei hat diese Partei ihre Position weiter festigen können. Die antisemitische und rechtsextreme Partei, die auch durch ihre Hetze gegen die Roma-Minderheit in die Kritik geraten war, kam auf einen Stimmenanteil von 20,8 Prozent - gut vier Prozentpunkte mehr als bei der letzten Wahl 2010.

Friedrichs Äußerung könnte als kumpelhaftes Schulterklopfen zwischen konservativen Politikern verstanden werden, die nebenbei die unglamouröse Aufgabe zu lösen haben, rechtsextreme Parteien kleinzuhalten. Dies wäre möglicherweise gerade noch vertretbar, wenn Fidesz einfach nur eine normale konservative Partei wäre. Doch das ist sie mitnichten. Seit Ungarn vor vier Jahren in eine schwere Wirtschaftskrise geriet, hat Orban sich als Rechtspopulist mit einem höchst fragwürdigen Demokratieverständnis entpuppt.

Tatsächlich kommt der laut Friedrich "beeindruckende" Wahlsieg von Fidesz vor allem wegen einer von ihr durchgesetzten Wahlrechtsreform zustande. Der Budapester Politologe Zoltan Miklosi sagte, Fidesz habe gegenüber dem Wahlergebnis von 52,7 Prozent vor vier Jahren sogar 600.000 Stimmen verloren. "In einem faireren System hätten sie die einfache Mehrheit geholt, aber keine Zwei-Drittel-Mehrheit." Orban hatte unter anderem den Zuschnitt der Wahlkreise Orban zu Ungunsten der Opposition verändern lassen.

Orban hebelte Gewaltenteilung aus

Ungarische Politikexperten hatten deshalb schon im Vorfeld allenfalls "freie, aber nicht faire Wahlen" angekündigt. Nach der Abstimmung klagte Gordon Bajnai vom Linksbündnis denn auch: "Es ist, als liefe die Fidesz ein 100-Meter-Rennen und die Opposition 400 Meter Hürden."

Doch schon zuvor bereitete Orban seinen Wahlsieg auf fragwürdige Weise vor. Um seine politischen Gegner auszuschalten, hebelte er seit 2010 die Trennung von Legislative, Exekutive und Justiz aus. Er setzte treue Gefolgsleute an die Spitze wichtiger Behörden und Gremien, alle Medien wurden faktisch einer staatlichen Zensur unterworfen.

Kritikern zufolge ordnet Orban seine ganze Politik seinen Machtbedürfnissen unter. Eine neue Verfassung verpasst dem Land mit ihrer Präambel einen klerikal-nationalistischen Anstrich. Künftigen Regierungen bindet das Grundgesetz in der Steuer- und Rentenpolitik die Hände. Ein neues Mediengesetz bietet Handhabe zur Einschränkung der Medienfreiheit. Auch die Unabhängigkeit der Justiz und der Notenbank sah die EU-Kommission zeitweise in Gefahr.

"Schande von Budapest"

Übrig blieb das Gerippe eines Rechtsstaats, der 2004 feierlich der EU beigetreten war. Die Europäische Kommission beklagt zwar die "Schande" von Budapest und ärgert sich über Orbans Kuschelkurs gegenüber Russland, trat aber letztlich so nachsichtig auf, dass Orban sich nicht zu entscheidenden Zugeständnissen gezwungen sah.

Die vermeintlich blendenden Wirtschaftsdaten, mit denen er sich gerne schmückt, verdankt Orban allerdings auch fragwürdigen Tricks. So kam die niedrigste Inflationsrate seit vier Jahrzehnten nur zustande, indem Energieversorgern ein 20-prozentiger Abschlag auf Gas- und Strompreise diktiert wurde. Und die gesunkene Arbeitslosenquote ist auch dem Umstand geschuldet, dass 200.000 Menschen in unterbezahlte Jobs genötigt wurden.

Der ungarische Politologe Laszlo Lengyel sieht in Orban ein "politisches Raubtier", das weder Niederlagen noch Widerspruch duldet. Den Beweis dafür lieferte der ehemalige Dissident bei seinem Antrittsbesuch im EU-Parlament vor drei Jahren. Einige Abgeordnete klebten sich demonstrativ Pflaster auf den Mund - Orban verbat sich jede Einmischung in die Innenpolitik: Ungarn sei ein demokratischer Rechtsstaat, und wer dies in Frage stelle, beleidige "das ungarische Volk". Über die "herzliche" Gratulation der CDU/CSU-Fraktion wird sich dieser Mann sicher freuen.

Quelle: ntv.de, mit AFP/dpa/rts

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