Politik

Wahlkampf per Internet Virtueller Stimmenfang

von Axel F. Busse

Was in der Realität erst als Vorgeplänkel mit gelegentlichen Verbalattaken wahrgenommen wird, ist im WorldWideWeb schon in vollem Gange: Der Wahlkampf. Die fünf Bundestagsparteien haben ihre virtruellen Legionen positioniert, haben Agenturen und Webmaster in Stellung gebracht, um auch im Internet für Unterstützung und das Kreuzchen an der richtigen Stelle zu werben. n-tv.de hat die Angebote miteinander verglichen.

Wer erwartet hat, auf der Homepage der SPD sofort das Antlitz Gerhard Schröders zu erblicken, wird enttäuscht. Zwar hat die Kanzlerpartei einen Link zu einer gesonderten Kanzler-Seite eingerichtet, aber ansonsten die Startseite eindeutig textlastig. Im Netz rekrutiert die Partei Helfer für den Internet-Wahlkampf. Die Initiative nennt sich "Online Campaigning Team" (OCT), baut Mailnetze auf, organisiert Foren und Chats. Community-gerecht wird der Neugierige konsequent geduzt, er kann ein Formular ausfüllen und schon gehört er zum Team. Naturlich gibt es für den Wahlbürger auch Informationen zum Downloaden - beispielsweise das Grundsatzprogramm der Partei auf 63 Seiten.

Bilderreichtum beim Kandidaten

Eher auf die Wahrnehmungsgewohnheiten des Fernseh-Konsumenten ist die Seite der CDU abgestimmt. Viele Bilder, aber auch die Vorsitzende Angela Merkel hat keinen Stammplatz. Kandidat Stoiber ist ohnehin mit einer eigenen Page im Netz vertreten und daher auf Hilfe von der Schwesterpartei nicht angewiesen. Sein Programm gibts natürlich auch zum Downloaden und wer über die Unzulänglichkeiten des politischen Gegeners mehr erfahren will, wird weitergeleitet zu "wahlfakten.de". Eine Berliner Agentur bietet dort Aussagen von Regierungsmitgliedern und Antworten der CDU zum Nachlesen an.

Die FDP hat ihr "Portal Liberal" nach zwei Jahren im Netz gerade von Grund auf renoviert. Das sich automatisch mitöffnende Fenster der Bundespartei hält allerdings gewisse Überraschungen bereit. Wer unter der Rubrik "Kampagnen" etwas über Aktivitäen zur Bundestageswahl sucht, erhält Informationen über den schlechten Zustand der Straßen in Neukirchen-Vluyn. Auf der Homepage dreht sich alles um die magische Zahl 18. Neugierige dieses Alters werden gezielt geworben: "Friendraising " nennen das die Liberalen. Wer erfolgreich ist und 18 Rückmeldungen bei der Partei initiiert, bekommt einen Gutschein für Werbemittel im Wert von 18 Euro.

Flugblätter in Heimarbeit

Wo es bei den anderen "Wir über uns" heißt, nennt die Öko-Partei "grüne@work". Dort soll Transparenz geschaffen, über die Aktivitäten in Partei und Fraktionen Auskunft gegeben werden. Eine andere Rubrik hilft dem Besucher der Seite "skandalfrei spenden ". Auch Bündnis90/Die Grünen versuchen im Netz, das Potenzial möglicher Unterstützer zu aktivieren. Unter dem Link "ich werde aktiv " können Interessent(inn)en selbst anklicken, was sie tun möchten: Die Palette reicht von "100 Flugblätter ausdrucken" bis zum Setzen eines Links von der eigenen Homepage zu der der Grünen. Wer Langeweile verspürt, kann sich auch das Grundsatzprogramm aus dem Netz ziehen - das sind 116 Seiten Lektüre.

Unter "sozialisten.de" entdeckt der Surfer die Homepage der PDS, die nicht gerade als Vorbild an Übersichtlichkeit gelten kann. Dafür gibt es aber eine Extra-Seite "pds2002.de", deren Design zwei originelle Tools enthält: Auf einer interkativen Deutschland-Karte darf sich der mündige Bürger den Kandidaten seines Vertrauens genauer ansehen, die Promis unter ihnen sind sogar im O-Ton zu hören. Für die Freunde des akustischen Wahlkampfes gibt es MP3-Dateien zum Herunterladen.

Nur eines mag den Sozialisten-Freund betrüben. Offenkundig kam die PDS zu spät und wird nun vom Leben bestraft: Wer das Parteikürzel in die Adresszeile seines Browsers eingibt, findet sich unvermittelt auf der Seite eines Software-Dienstleisters für das Baugewerbe wieder. Da geht es den Roten nicht besser als den Rechten: Wer unter "schill.de" die Hamburger Populisten-Partei sucht, kommt bei einem Hersteller von Kabeltrommeln im Schwäbischen an.

Quelle: ntv.de

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