Politik

Ausweg aus der US-Ölkrise Wandlung zum grünen Paulus

Der Mann hat eine Mission, und man kann ihm kaum entkommen. Schon seit Wochen tut der legendäre US-Ölbaron T. Boone Pickens auf praktisch allen TV-Kanälen seine Botschaft kund: "Ich war mein ganzes Leben ein Mann des Öls", erzählt der 80-Jährige mit breitem Südstaaten-Akzent. "Aber aus dieser Krise können wir uns nicht mehr herausbohren." In seinem Werbespot recken sich Windräder in den blauen Himmel, Solarzellen funkeln in der Sonne: Erneuerbare Energien sind es, versichert Pickens, die den Ausweg aus der prekären Klemme verheißen - Zeichen der Zeit in einem Land, das sich angesichts explodierender Ölpreise den Kopf zerbricht, wie sein gigantischer Energiehunger in Zukunft wohl zu stillen ist.

Gerade einmal vier Prozent der Weltbevölkerung leben in den USA, doch verbrauchen die rund 300 Millionen Amerikaner knapp ein Viertel des globalen Öls - der größte Teil fließt dabei in Autotanks. Aus europäischer Sicht ist US-Sprit noch immer lächerlich günstig. Doch machen den seit Jahrzehnten an billiges Benzin gewöhnten Amerikanern die umgerechnet 70 Euro-Cent pro Liter bleifreien Sprits heftig zu schaffen - auch und gerade wegen der Konjunkturflaute.

Mobilität und Heizen - die Ölschlucker

Mobilität schluckt in Amerika knapp ein Drittel des gesamten Energieverbrauchs, fürs Heizen wird in etwa derselbe Anteil verwendet; Erdgas steht hier gleichberechtigt neben Öl. Und für ihren Strom, der die restlichen 40 Prozent des Energiebedarfs ausmacht, verfeuern die Amerikaner vor allem die billige Kohle, 20 Prozent der Elektrizität kommt aus Atomkraftwerken. Erneuerbare Träger wie Wasserkraft, Erdwärme, Biomasse, Solar und Wind decken nach Angaben der US-Behörde für Energieinformation derzeit gerade einmal knapp sieben Prozent des gesamten amerikanischen Verbrauchs.

Vom Energiesparen wollten die USA lange nichts wissen. Und auch jetzt ist wenig von der Bereitschaft zum Verzicht zu hören. "Das Land hat über seine Verhältnisse gelebt", sagte der kanadische Energieexperte Vaclav Smil der "New York Times". Es hätten schon längst Opfer gebracht werden müssen. "Aber den Leuten ist einfach nicht klar, wie schlimm es bestellt ist", befand er.

Und so drehen sich die Debatten in den USA vor allem darum, wie sich die selbst von Präsident George W. Bush eingestandene "Abhängigkeit vom Öl" verringern lässt. "Energie-Unabhängigkeit", die es in den Vereinigten Staaten seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gibt, ist in aller Munde.

Milliardär Pickens spricht vom "größten Transfer von Reichtum in der Geschichte der Menschheit" beim Blick auf jene 700 Milliarden Dollar (440 Milliarden Euro), die die USA jedes Jahr für Importöl bezahlen. 1973 führte das Land laut Pickens noch 24 Prozent seines Öls ein, heute seien es bereits fast 70 Prozent.

Bohren ist Wahlkampfthema

Für helles Entsetzen unter Umweltschützern und viel Zurückhaltung bei Experten sorgte Bushs Vorschlag, ein jahrzehntealtes Öl-Förderverbot vor den Küsten des Landes aufzuheben und sogar in einem Naturschutzgebiet in Alaska zu bohren. Fachleute erwarten jedoch keinen Einfluss auf die Ölpreise bis zum Jahr 2030. Die Förderung in den eigenen Küstengewässern ist zu einem Top-Thema im Wahlkampf geworden. Früher ein erklärter Gegner, verlangt Republikaner John McCain inzwischen "Bohren, Bohren, Bohren!". Und selbst der Demokrat Barack Obama ist nicht mehr ganz so strikt dagegen wie einst.

Das von Bush so gepriesene - und subventionierte - Ethanol als Benzinzusatz erwies sich derweil als Bumerang: In den USA vor allem aus Mais gewonnen, wird dem Biosprit keine geringe Mitschuld an der weltweiten Nahrungsmittelkrise zugeschrieben.

Auch Atomenergie wird wieder hoffähig. Seit 30 Jahren ist in den USA nicht mehr mit dem Bau eines neuen Meilers begonnen worden. McCain will - auch mit Blick auf die Klimafrage - bis 2030 insgesamt 45 Kernkraftwerke neu errichten. Obama ist vorsichtiger: Er lehnt Atomenergie nicht rundweg ab, allerdings müsse sie "sauber und sicher" sein.

Der schwarze Senator will über zehn Jahre mit 150 Milliarden Dollar Biosprit, Hybrid-Autos, schadstoffarme Kohlekraftwerke sowie Wind-, Solar- und andere erneuerbare Energiequellen fördern. McCain habe zwar Subventionen für Atomenergie im Programm, recherchierte die Polit-Webseite "factcheck.org". Für Wind und Solar aber lehne er sie ab.

Windenergie als Hoffnungsträger

Dabei könnte die Windenergie in der Tat ein Silberstreif am Horizont zu sein. Wo in den USA verlässlich eine steife Brise weht, schießen Windparks wie Pilze aus dem Boden - wie der von T. Boone Pickens. Das Worldwatch-Institut in Washington ermittelte, dass sich die USA 2007 bei der Kapazität auf den weltweit zweiten Platz nach Deutschland schoben. Steuergutschriften und Vorgaben in 25 Bundesstaaten, wie viel Energie aus erneuerbaren Quellen künftig zu kommen hat, halfen dabei. Einer Regierungsstudie zufolge könnten die USA theoretisch 20 Prozent ihres Stroms aus Wind gewinnen.

Mancher, wie Pickens, wittert ein gigantisches Geschäft, zumal der Preis für Windenergie immer konkurrenzfähiger wird. Die wundersame Wandlung zum grünen Paulus ist nicht ohne Eigennutz: Zwölf Milliarden Dollar investierte er bereits in den angeblich größten Windpark der Welt - im Ölstaat Texas. "Es gibt Gründe, weshalb die Leute im Öl- und Gasgeschäft reich sind", sagte Don Martin, Vizepräsident des texanischen Öl- und Gasunternehmens Enmark Energy der "Los Angeles Times". "Sie wissen, wo das Geld ist."

Frank Brandmaier, dpa

Quelle: ntv.de

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