Politik

Anders als bei Masern Warum es keine Corona-Impfpflicht geben wird

Im Januar dürften die Impfungen in Deutschland starten.

Im Januar dürften die Impfungen in Deutschland starten.

(Foto: dpa)

Vor einem Jahr beschloss der Bundestag eine Masern-Impfpflicht. Für die Corona-Pandemie schließt die Bundesregierung dies jedoch klar aus. Warum eigentlich?

Die Frage, ob die Corona-Impfung verpflichtend gemacht werden soll, hat Gesundheitsminister Jens Spahn deutlich beantwortet: "Ich gebe Ihnen mein Wort", sagte er am 18. November im Bundestag. "Es wird in dieser Pandemie keine Impfpflicht geben." Der CDU-Politiker hat diese Ankündigung danach noch mehrfach wiederholt. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ausdrücklich erklärt, niemand werde gezwungen, sich impfen zu lassen.

Aber warum soll es eigentlich keine Impfpflicht geben? Eine Masern-Impfpflicht gibt es doch auch, sie wurde vom Bundestag vor ziemlich genau einem Jahr beschlossen. Zwischen beiden Themen gibt es allerdings mehrere Unterschiede:

  • Die Masern-Impfpflicht gilt nur in Kitas, Schulen und sonstigen Ausbildungseinrichtungen sowie für Beschäftigte in Krankenhäusern und Arztpraxen.
  • Es geht bei der Masern-Impfung vor allem um Kinder. Spahn sagte damals, Ziel des Masernschutzgesetzes sei es, "gerade die Schwächsten in der Gesellschaft" zu schützen.
  • Bei der Masern-Schutzimpfung geht man davon aus, dass sie eine lebenslange Immunität bietet.
  • Um die Ausbreitung von Masern komplett einzudämmen, muss eine Impfquote von mindestens 95 Prozent erreicht werden.

Anders als bei Masern gelten Kinder bei Covid-19 nicht als besonders gefährdete Gruppe. Eine Corona-Impfpflicht für Kitas und Schulen würde daher bei der falschen Zielgruppe ansetzen. Natürlich wird auch bei Corona eine möglichst breite Durchimpfung der Bevölkerung angestrebt, aber anders als bei Masern sind die Menschen, die vor allem geschützt werden müssen, alt genug, um dies selbst zu entscheiden.

Individualschutz anfangs wichtiger

Der 81-jährige William Shakespeare (genannt Bill) war der zweite Brite, der in der Uniklinik von Coventry den Pfizer/Biontech-Impfstoff erhielt.

Der 81-jährige William Shakespeare (genannt Bill) war der zweite Brite, der in der Uniklinik von Coventry den Pfizer/Biontech-Impfstoff erhielt.

(Foto: dpa)

Zudem ist noch unklar, wie lange die Wirkung der bislang entwickelten Corona-Impfstoffe anhält, vermutlich jedoch nicht länger als ein oder zwei Jahre. Mit Blick auf die Impfquote nimmt das Robert-Koch-Institut an, dass bei einer Immunität von rund 70 Prozent der Bevölkerung die Übertragung des Virus so weit begrenzt ist, "dass diese Pandemie vorübergeht". Laut WHO reicht sogar schon eine Impfrate von 60 Prozent. Das sollte zu schaffen sein: "Wir gehen davon aus, dass die Bereitschaft zur Impfung in der Corona-Pandemie groß ist", sagte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums.

Eine aktuelle Umfrage im Auftrag von RTL und ntv stützt diese Annahme nur bedingt: Demnach wollen sich 43 Prozent der Bürger impfen lassen, sobald dies möglich ist. Allerdings sagen auch nur 7 Prozent, sie wollten sich generell nicht gegen Covid-19 impfen lassen. 50 Prozent der Befragten wollen erst einmal abwarten.

Der sogenannte Gemeinschaftsschutz steht derzeit jedoch nicht im Zentrum der Überlegungen des RKI. Hier seien ohnehin noch einige Fragen offen. "Insofern ist dem Individualschutz, also dem Schutz der geimpften Person vor einer Covid-19-Erkrankung oder einem schweren Verlauf der Erkrankung, eine hohe Bedeutung zuzumessen", so das Institut. Heißt: Anders als bei den Masern wiegt der individuelle Schutz der Corona-Impfung zumindest anfangs stärker als die angestrebte Herdenimmunität.

Streng genommen gibt es keine "Masern-Impfpflicht"

Angesprochen auf eine mögliche Parallele zwischen der nicht geplanten Corona-Impfpflicht und der bestehenden Masern-Impfpflicht macht die SPD-Gesundheitspolitikerin Sabine Dittmar erst mal auf ein nicht ganz unwichtiges Detail aufmerksam: Es gebe "in Bezug auf Masern keine gesetzliche Impfpflicht", sondern der Bundestag habe "die Pflicht zum Nachweis eines Impfschutzes gesetzlich geregelt".

Tatsächlich gibt es streng genommen keine "Masern-Impfpflicht", auch wenn das Bundesgesundheitsministerium selbst davon spricht. Der Zwang ist indirekt: "Wer keinen Nachweis vorlegt, darf weder in den betroffenen Einrichtungen betreut, noch in diesen tätig werden", so das Ministerium.

"Mit dem Masernschutzgesetz ist es also durchaus so, dass man ungeimpft bleiben kann", so die SPD-Bundestagsabgeordnete Dittmar, die ausgebildete Ärztin ist. "Dann müssen aber die Konsequenzen, beispielsweise Bußgelder, Nichtaufnahme in die Kita, arbeitsrechtliche Maßnahmen, getragen werden." Sie verweist zudem auf die zur Bekämpfung von Masern notwendige Impfquote von 95 Prozent. Das sei bei Corona anders: "Mit Blick auf Covid-19 wird durch das Impfangebot ein ausreichender Schutz der Bevölkerung erreichbar sein", so Dittmar. "Expertinnen und Experten gehen gegenwärtig davon aus, dass dafür eine Impfquote von 60 Prozent genügt. Angesichts der generell hohen Impfbereitschaft in unserer Bevölkerung bin ich zuversichtlich, dass wir diese auch erreichen, sobald ausreichend Impfstoff zur Verfügung steht."

"Einen Immunitätsausweis wird es nicht geben"

So sieht das auch der CDU-Politiker Erwin Rüddel, der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Bundestags. "Es wird bei uns in Deutschland keine Impfpflicht geben, darauf kann man sich verlassen", sagt er ntv. Auch er geht davon aus, dass eine Impfquote von 60 Prozent ohne eine Impfpflicht erreicht werden wird. Auch eine Impfpflicht durch die Hintertür schließt Rüddel aus. Einen Immunitätsausweis "wird es nicht geben", sagt er, zumal noch unklar sei, ob Geimpfte nicht doch weiterhin eine Infektionsquelle für andere sein können.

Dies betont auch seine Parteikollegin Karin Maag, gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion. "Grundsätzlich gilt: Die Impfung gegen das Coronavirus wird zwar die eigene Erkrankung verhindern. Ob damit auch die Übertragung des Virus auf andere reduziert oder verhindert werden kann, ist allerdings noch nicht ausreichend erforscht." Der Nachweis einer Impfung als Voraussetzung für einen Restaurant- oder Kinobesuch mache auch deshalb "zumindest derzeit" keinen Sinn. Das gelte auch für eine Anordnung der Arbeitgeber an die Mitarbeiter, sich impfen zu lassen.

Endgültig geklärt sind diese Fragen jedoch noch nicht. "Es gilt die Freiwilligkeit, und da werden wir ein großes Augenmerk drauf richten", so Rüddel. Er fügt jedoch hinzu: "Im Lebensalltag werden sich Situationen ergeben, an die die Politik noch nicht gedacht hat. Und solange die, die nicht geimpft sind, keinen Schaden nehmen, und die, die geimpft sind, einen Vorteil haben, wird man abwägen müssen, ob die Politik eingreift. Ich glaube, je privater die Entscheidung ist, desto weniger wird die Politik da eingreifen."

Maag betont ebenfalls, dass es eine Impfpflicht gegen das Coronavirus "auch in Zukunft nicht geben" werde. "Ob und inwieweit ein Arbeitgeber im Allgemeinen eine Impfung arbeitsvertraglich vorsehen kann und darf, vermag ich nicht abschließend zu sagen."

Quelle: ntv.de

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