Politik

AfD-Demo in Berlin Wer sind denn hier die Nazis?

Etwa 5000 Menschen nahmen an der AfD-Demo teil - und damit fast fünfmal so viel wie bei der Gegendemo.

Etwa 5000 Menschen nahmen an der AfD-Demo teil - und damit fast fünfmal so viel wie bei der Gegendemo.

(Foto: imago/Christian Ditsch)

Die rechtspopulistische AfD mobilisiert erfolgreich den Protest gegen die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin. Bei einer Demonstration in Berlin spielen sich teilweise erstaunliche Szenen ab.

Zentimeter trennen die Köpfe der beiden Männer. Der linke Gegendemonstrant pustet in seine Pfeife, sein Gegenüber, ein Teilnehmer der AfD-Demonstration, schaut ihm tief und fordernd in die Augen. Sein Blick sagt: "Lauter geht nicht? Du kannst mir gar nichts." Auge um Auge, so stehen sie eine Weile da, dann schiebt ein Polizist den Mann mit der Trillerpfeife beiseite. Bilder wie diese sind häufig am Rande der AfD-Demo in Berlin.

Vorweg bei der AfD-Demo: Parteichefin Petry und Vize Gauland.

Vorweg bei der AfD-Demo: Parteichefin Petry und Vize Gauland.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die rechtspopulistische Partei hat an diesem Samstag zum Protestzug geladen. "Rote Karte für Merkel - Asyl braucht Grenzen" lautet das Motto. In einem Aufruf hatte sich die AfD-Europaabgeordnete Beatrix von Storch vorher an die Anhänger gerichtet: "Wenn Sie gegen Ausländer demonstrieren wollen und Gewalt für ein Mittel der Politik halten, dann bleiben sie zu Hause, dann haben sie bei uns nichts zu suchen." Ob das wohl gelingt?

13.15 Uhr Alexanderplatz: Eine Gruppe von etwa 150 Menschen mit Deutschland- und AfD-Fahnen betritt den S-Bahnhof. "Nazis raus"- und "Haut ab"-Rufe ertönen. Die Passanten bilden eine Gasse. Ein Demonstrant mit einem "Vorsicht Volk"-Banner rempelt eine Frau an. Ein Mann, der am Rande steht, sagt: "Das alles vor den Touristen, was sollen die denn über Berlin denken?" Die Demonstranten nehmen die Rolltreppe zum Bahngleis. Warum den Weg zur Abschlusskundgebung am Hauptbahnhof laufen, wenn man auch die Bahn nehmen kann?

"Merkel soll sich ein neues Volk suchen"

Die Demonstration der AfD, die währenddessen in der Nähe vom Roten Rathaus gestartet ist, kommt nicht weit. Linke blockieren zwischen Dom und Stadtschloss die Straße. AfD-Vizechef Alexander Gauland ruft ins Mikro: "Wir wollten keinen deutschen Sonderweg, jetzt haben wir einen." Eine Frau verteilt Blumen. Es sei schließlich eine friedliche Demo, sagt sie. Gauland ruft derweil: "Wir zeigen kein freundliches Gesicht mehr, Merkel soll sich ein neues Volk suchen." Dann stimmt er an: "Merkel muss weg." Es ist so etwas wie die Hymne dieser Veranstaltung. Ein Mann, der seine kleine Tochter auf der Schulter trägt, klatscht.

Die Polizei hat die Blockade inzwischen aufgelöst. Zehn Personen werden festgenommen. Der Zug setzt sich in Bewegung, an der Spitze läuft Gauland mit Parteichefin Frauke Petry. Abseits der Absperrungen am Dom rufen die Menschen "Nazis raus". Und dann passiert etwas, das sich später noch mehrfach wiederholt. Teilnehmer der AfD-Demo drehen sich um, zeigen mit dem Finger auf die Gegendemonstranten und rufen ebenfalls "Nazis raus". Verdutzte Blicke jenseits der Absperrung. Wer sind denn hier die Nazis?

Polizisten trennen Demonstranten und Gegendemonstranten am Hauptbahnhof.

Polizisten trennen Demonstranten und Gegendemonstranten am Hauptbahnhof.

(Foto: picture alliance / dpa)

Beobachter sprechen später von mindestens 20 klar erkennbaren Neonazis im Pulk der AfD-Demo, aber das Publikum ist sehr gemischt. Einige Junge, viele Alte und Familien sind gekommen. Sie alle eint die Sorge vor der Einwanderung Hunderttausender Flüchtlinge in den vergangenen Wochen. Eines der vielen Banner zeigt ein Bild von verschleierten Frauen, das durchgestrichen ist. Am Rande berichten mehrere Personen von Übergriffen durch rechte Hooligans. Auch der Piraten-Politiker Oliver Höfinghoff schreibt bei Twitter, Opfer von Handgreiflichkeiten geworden zu sein.

Die Demonstration zieht weiter, über den Boulevard Unter den Linden. Der Gegenprotest bleibt hartnäckig, an den Seitenstraßen stehen Menschen. "Alles nur Weiber, die da so dusselig quatschen", sagt ein Mann zu seiner Begleiterin. Ein älterer Herr meint zu einem anderen: "Die sind so dumm, dass die sich ihre eigene Zukunft verbauen." Die, die hier mitlaufen, haben sich vor allem auf die Kanzlerin eingeschossen. "Volksverräter" steht auf Bannern mit Merkels Gesicht. Sie rufen "Hopp, hopp, hopp, Aufnahmestopp" und "Merkel stoppen, Deutschland retten". Viele halten rote Karten in die Luft.

"Alles Gute für Sie"

Brenzlig wird es nur selten. An den Absperrgittern verhindert die Polizei, dass man sich zu nahe kommt. Am Brandenburger Tor schallt dem AfD-Zug der Song "Schrei nach Liebe" von der Band "Die Ärzte" entgegen. Auf Seite der Gegendemonstranten ist die Stimmung aufgebracht und wütend, auf der anderen betont lässig. Einige winken den Asylbefürwortern provozierend zu, andere machen sogar Erinnerungsfotos. Man genießt die Aufmerksamkeit in vollen Zügen. "Nazis raus", schreien zwei Mädchen eine Oma an. Die ruft zurück: "Alles Gute für Sie." Um 14.45 Uhr hat der Zug die Marschallbrücke passiert. Ein Mann mit einer riesigen Deutschlandfahne bleibt an einem Stacheldraht hängen, man hilft sich. Unter der S-Bahnbrücke hallen jetzt die Rufe "Wir schaffen das, Merkel muss weg".

Seit Wochen instrumentalisiert die AfD die Flüchtlingskrise erfolgreich. Noch im Juni war die Partei infolge ihrer Spaltung in Umfragen auf 4 Prozent abgerutscht, jetzt steht sie bei 7. Die Frage ist: Kann die AfD das bis 2017 halten? Und kann sie sich gegen eine weitere Radikalisierung stemmen? Die Polizei spricht später von 5000 AfD- und 1100 Gegendemonstranten. Aus Sicht von Parteichefin Petry ist das noch eine ordentliche Bilanz. Ihr innerparteilicher Widersacher, der Thüringer Landeschef Björn Höcke, hatte in Erfurt zuletzt 2000 bis 8000 Menschen auf die Straße gebracht, mit rückläufiger Tendenz. Ein knapper Sieg also für Petry, wenn man so will. Höcke ist an diesem Tag nicht in Berlin.

Bei der Abschlusskundgebung am Hauptbahnhof hat die Parteichefin daher die große Aufmerksamkeit - von Freund und Feind. "Wir wollen die Kontroverse, nur so kann man die Demokratie retten", ruft sie gegen das Pfeifen und die Rufe der Gegendemonstranten an. Immer wieder wendet sich Petry beim Reden in Richtung Kanzleramt. Die ersten Teilnehmer verlassen den Bahnhofsvorplatz und suchen sich einen möglichst unauffälligen Weg Richtung Bahnhof. "Lass uns gehen", deutet ein älterer Herr zu seiner Frau. Abseits der Bühne hält ein Mann ein Banner hoch, auf dem steht "Keine Wurst ist illegal - Schweinefleisch überall".

Quelle: ntv.de

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