Politik

Interview mit Steinbrücks Schattenminister Machnig "Wir holen Merkel vom Ross"

Wohin führt die Energiewende? Machnig attestiert Umweltminister Altmaier ein "Armutszeugnis".

Wohin führt die Energiewende? Machnig attestiert Umweltminister Altmaier ein "Armutszeugnis".

(Foto: picture alliance / dpa)

Manchmal wünscht er sich sogar Norbert Röttgen zurück. Dabei ist Matthias Machnig doch Sozialdemokrat. Steinbrücks Schattenminister für Umwelt warnt: "Die Energiewende ist gefährdet." Wie er sie trotzdem noch retten will, erklärt Machnig im Interview mit n-tv.de.

n-tv.de: Welches Wunder braucht die SPD, um die Wahl zu gewinnen?

Machnig: Wir brauchen kein Wunder. Was wir brauchen, ist eine politische Auseinandersetzung. Die CDU verweigert sich. Sie legt ein Wahlprogramm vor, für das sich sogar ihre Mitglieder schämen. Dazu macht sie unseriöse Wahlversprechen, die durch nichts gedeckt sind. Sogar der Vorsitzende des CDU-Wirtschaftsrats, Kurt Lauk, sagt: Das wird sowieso alles nicht kommen. Deswegen müssen wir die CDU stellen und deutlich machen: 55 Prozent der Menschen wollen am 22. September einen Regierungswechsel.

Das ist Matthias Machnig
1992-1998Büroleiter von Franz Müntefering
1998  Leiter der SPD-Wahlkampfzentrale "Kampa"
1998-1999Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium
1999-2002Bundesgeschäftsführer der SPD
2002-2005Unternehmensberater, unter anderem bei Booz Allen Hamilton
seit 2009Minister für Wirtschaft, Arbeit und Technologie in Thüringen

Laut Umfragen liegt Ihre Partei aber nur bei 22 Prozent. Das reicht doch nicht, um zu regieren.

Ich sehe die SPD im Moment zwischen 25 und 28 Prozent. Im Übrigen gibt es in den Umfragen auch keine Mehrheit für Schwarz-Gelb. Hier ist die Regierung bereits abgewählt. Der Anteil der Unentschlossenen liegt ja bei über 30 Prozent. Aber die CDU ist ausmobilisiert. Wir haben dagegen noch enorme Reserven. Merkel setzt darauf, dass wieder möglichst wenig Menschen zur Wahlurne gehen. Wenn es uns jedoch gelingt, die Wahlbeteiligung wieder auf 80 Prozent zu bringen, liegt Rot-Grün am Ende vorn.

Ist Merkel nicht viel zu beliebt, als dass die Deutschen sie abwählen würden?

Klaus Kinkel hatte früher als Außenminister und Parteichef eine Beliebtheit von 70 Prozent, trotzdem hat er für die FDP nur 8 Prozent eingefahren. Selbst Joschka Fischer hat die Grünen bei der Bundestagswahl nie über 10 Prozent geführt. Es geht nicht um Beliebtheit. Eine moderne Kampagne besteht immer aus drei Komponenten: Person, Programm, Partei. Die CDU hat sich reduziert auf Merkel. Aber sie allein ist kein ausreichendes Zukunftsangebot für die Probleme in Deutschland. Merkel will Deutschland im Schlafwagen zum 22. September fahren. Das ist Täuschung.

Erfolgreiches Team: Machnig leitete 1998 die Wahlkampfkampagne des späteren Bundeskanzlers Gerhard Schröder.

Erfolgreiches Team: Machnig leitete 1998 die Wahlkampfkampagne des späteren Bundeskanzlers Gerhard Schröder.

(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)

Der Wahlkampf verläuft bisher eher schleppend. Was hat die SPD-Wahlkampfzentrale 1998 und 2002 unter Ihrer Leitung besser gemacht?

Jeder Wahlkampf ist anders. Das Wichtigste ist, die Mobilisierungsfähigkeit in den nächsten Wochen auszuschöpfen. Alles andere spielt keine Rolle. Wir müssen Merkel vom hohen Ross ihres präsidialen Stils herunterholen und klarmachen: Die wichtigen Zukunftsherausforderungen sind steigende Energiepreise, Löhne, Steuergerechtigkeit, Pflege, Gesundheit und Rente.

Im Kompetenzteam von Peer Steinbrück sind Sie für die Themen Energie und Umwelt zuständig. Die Energiewende spielt in der SPD-Kampagne praktisch kaum eine Rolle. Warum eigentlich?

Das stimmt nicht. Das Thema Energiepolitik ist eines der wichtigsten in den kommenden Jahren. Ein Beispiel: Unter dieser Bundesregierung sind die Energiepreise explodiert. Allein bei der EEG-Umlage haben wir einen Anstieg von 5,27 Milliarden Euro im Jahr 2009 auf 20,3 Milliarden Euro im Jahr 2013. Ich habe mit den großen Energieversorgern, dem Bundesverband der Deutschen Industrie und vielen Unternehmen gesprochen. Die große Sorge ist: Wenn diese Regierung mit der Energiewende so weitermacht, verliert Deutschland an Wettbewerbsfähigkeit.

Was gehen Sie als Erstes an, wenn Sie im Kabinett Steinbrück Umweltminister werden?

Steinbrück mit Mitgliedern seines Kompetenzteams

Steinbrück mit Mitgliedern seines Kompetenzteams

(Foto: picture alliance / dpa)

Wir müssen den Anstieg der Strompreise stoppen. Außerdem brauchen wir die Zeit, um im Jahr 2014 ein neues Strommarktdesign einzuführen. Dieses muss zwei Dinge erreichen: Es muss das EEG kosteneffizienter machen und Rahmenbedingungen schaffen, dass auch wieder in andere Erzeugungskapazitäten, insbesondere in Gaskraftwerke, investiert werden kann. McKinsey hat gerade festgestellt, dass die drei Kernziele der Energiewende – Kosteneffizienz, CO2-Reduktion und Versorgungssicherheit – gefährdet sind. Das ist ein Armutszeugnis für die Bundesregierung.

Die SPD hält nach wie vor an Kohle fest: Fällt es jemandem, der sich ernsthaft mit der Energiewende beschäftigt, nicht schwer, diesen Kurs zu verkaufen?

In Kohlekraftwerke wurde neu investiert, deshalb werden sie auch noch einige Jahre laufen. Die Kohlekraftwerke sind schon da. Die Frage ist: Wo gibt es neuen Zubau? Sogar Greenpeace sagt: Wir brauchen ab 2020 flexible Kraftwerke, in der Regel werden das Gaskraftwerke sein. Sie liefern Regelenergie zur Stabilisierung der Netze.

Was hat der bisherige Umweltminister Peter Altmaier aus Ihrer Sicht besonders gut gemacht?

Wenig. Altmaier glänzt dadurch, dass er jeden Tag ankündigt. Er hat eine Strompreisbremse angekündigt, die ist gescheitert. Die Kanzlerin hat ihm das aus der Hand genommen. Beim Thema Emissionshandel war die Koalition überhaupt nicht sprechfähig. Altmaier hat ein Energieeffizienzprogramm von 100 Millionen Euro angekündigt. Jetzt wurde bekannt: Das Einzige, was er bisher hinbekommen hat, ist eine Internetseite für 600.000 Euro. Das Endlagergesetz, das er gemacht hat, ist ein Verschiebebahnhof. Die eigentliche Frage, wo die Zwischenlagerung der Castoren stattfinden soll, wurde nicht gelöst. Es müssten Energieeinsparziele nach Brüssel gemeldet werden. Doch diese Regierung ist nicht einmal in der Lage, ein Ziel für 2020 zu benennen. Dazu drohen Wettbewerbsverfahren beim Thema Netzentgelte und EEG. Das kann sich Deutschland nicht leisten. Über Altmaier sage ich daher: Außer Spesen nichts gewesen. Manchmal wünsche ich mir Norbert Röttgen als Umweltminister zurück. Der hat auch nicht viel hingekriegt, aber er hat nicht so viel darüber geredet.

Mit Matthias Machnig sprach Christian Rothenberg

Quelle: ntv.de

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