Blutiger Krieg im Jemen Wo Unschuldige durch US-Waffen umkommen
13.06.2022, 19:10 Uhr
Bei 9000 liegt die Zahl ziviler Todesopfer durch Bombenangriffe der von Saudi-Arabien geführten Koalition gegen die Huthi-Rebellen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Im Jemen tobt ein aussichtsloser Krieg, in dem immer wieder Zivilisten durch US-Waffen sterben. Joe Biden wollte dem Krieg ein Ende setzen, doch die Chancen dafür stehen schlecht.
Eine Atempause, mehr nicht. Seit April schweigen die Waffen im Jemen, Anlass der zweimonatigen Waffenruhe ist der muslimische Fastenmonat Ramadan. Doch auch wenn der Himmel über dem gebeutelten Land dieser Tage nicht von Kampfbombern durchzogen wird, von Entspannung kann keine Rede sein.
Schien die humanitäre Situation im Bürgerkriegsland mit einer drohenden Hungersnot und über 20 Millionen Menschen, die laut UNHCR von humanitärer Hilfe abhängen, ohnehin schon verzweifelt, fällt in diesem Jahr auch noch die Ukraine als Weizenlieferant aus. Etwa ein Drittel der üblichen Getreidevorräte wird fehlen. Was inzwischen auch fehlt, ist die Hoffnung, der Regierungswechsel in den USA und die Versprechen von Präsident Joe Biden, für ein Ende des Krieges zu sorgen, könnten die dramatische Notsituation im Land irgendwie verbessern.
Während die Augen der Welt sich auf eingekesselte Menschen in ukrainischen Städten richten, während Bilder einer zerbombten Geburtsklinik in Mariupol um die Welt gingen, geschehen die vielen Kriegsverbrechen im Jemen unterhalb des öffentlichen Radars. Und sie geschehen nach wie vor mit Unterstützung der Vereinigten Staaten. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher der Columbia Law School in Zusammenarbeit mit der "Washington Post".
Sie haben ausgewertet, inwiefern amerikanische Waffen an den brutalen Luftangriffen der von Saudi-Arabien angeführten Koalition gegen die Huthi-Rebellen beteiligt waren - und sind. Eines der Ergebnisse: 19 Kampfgeschwader mit Maschinen, die in den USA entwickelt und hergestellt wurden, waren definitiv im Einsatz im Luftkrieg über dem Jemen seit 2015.
9000 Tote durch Jagdbomber
Es waren etliche Bombenangriffe, die nicht präzise geflogen wurden, bei denen die Soldaten auch zivile Opfer bewusst in Kauf nahmen. Laut Yemen Data Project kamen durch Jagdbomber seit Beginn des Krieges fast 9000 Zivilisten ums Leben. Eine andere Perspektive als weitere unschuldige Tote, wenn die Kämpfe wieder einsetzen, ist nicht in Sicht.
Dabei sah es 2021 nach einer deutlichen Politikwende in der US-Regierung aus, die den Verlauf des Krieges nachhaltig beeinflussen sollte. Nachdem Donald Trump mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman eine Art "best buddy"-Verhältnis gepflegt und umfangreiche Waffengeschäfte abgeschlossen hatte, kündigte sein Nachfolger an, die Unterstützung "offensiver Operationen" der Koalition im Kampf gegen die Huthi-Rebellen einzustellen.
Waffenlieferungen gibt es seitdem von Seiten der USA tatsächlich nicht mehr, doch erfüllen US-Firmen weiterhin ihre Verträge zur Instandhaltung des in der Vergangenheit verkauften Materials. Auch Ausbildung, etwa an Jagdfliegern, findet weiterhin statt. Erst im März, so zeigen ausgewertete Fotos, Videos und andere Veröffentlichungen, nahm eine neue Einheit eines saudischen Geschwaders gemeinsam mit US-Piloten an einer Übung an F-15 SA Bombern teil. Und da die US-Unterstützung mit Waffen seit Kriegsbeginn 2015 so groß war, führt der Lieferstopp bislang nicht dazu, dass etwa weniger Luftangriffe geflogen würden als zuvor.
Insgesamt sind es mehr als 25.000 Luftangriffe, die Saudi-Arabien und seine Partnerländer im Kampf gegen die Huthi-Rebellen in den vergangenen sieben Jahren geflogen haben - ohne dass man dem Ziel, den blutigen Konflikt zu beenden, ein Stück näher gekommen wäre. Riad hatte zu Beginn des Krieges einen ähnlichen Fehler wie der Kreml bei der Planung des Ukraine-Überfalls gemacht, den Gegner zu unterschätzen und darauf zu setzen, dass die eigene Überlegenheit zu einem schnellen Sieg führen würde.
Auch Krankenhäuser werden getroffen
Unzählige Menschen im Jemen haben diese Fehleinschätzung mit dem Leben bezahlt oder sind durch die momentane Versorgungskrise akut vom Tod bedroht. Joe Biden hatte seinerzeit auch Wahlkampf gemacht mit dem Versprechen, dafür zu sorgen, dass dieser blutige Krieg, der 2015 begann und ein ganzes Land in Not und Armut stürzte, ein Ende hat.
Doch bis zur religiös bedingten Feuerpause im April gingen die Kämpfe unablässig weiter, und die hohe Zahl der zivilen Opfer in diesem Krieg geht vor allem auf die vielen Luftangriffe zurück, bei denen immer wieder zivile Einrichtungen getroffen werden, auch Krankenhäuser. "So lange Verstöße gegen internationale Menschenrechte durch die Saudis und US-Handel, der solche Operationen unterstützt, weitergehen, muss man eine Mitschuld der USA bei saudischen Kriegsverbrechen ernsthaft in Betracht ziehen", sagte Oona Hathaway, Professorin für Recht an der Yale Universität, der "Washington Post".
Dass auch nach Bidens öffentlich bekundeter Politikwende die Verträge zur Instandhaltung der an die Koalition gelieferten Waffen weiter gelten, sorgt bei einigen Kongressabgeordneten für Zorn. Schon im Februar stellten Demokraten einen Gesetzesvorschlag vor, der Wartungsarbeiten durch US-Firmen an Jagdfliegern, die Bombenangriffe im Jemenkrieg ausführen, verbieten würde.
Jüngst forderte eine Gruppe von Politikern, die Beteiligung in diesem Krieg weiter einzudämmen. Zwar hätten die saudischen Truppen ein großes Lager an Ersatzmunition, so ein demokratischer Abgeordneter, aber "es gibt keinen Ersatz für Wartungsverträge und keine Möglichkeit, ohne Wartung zu fliegen".
Riads Position hat sich verbessert
Das klingt, als sei es im Grunde einfach, die Saudis mittelfristig zu einer Beendigung des blutigen Krieges zu zwingen. Allerdings hat sich die Position des Königshauses in Riad im internationalen Kräfteverhältnis seit Beginn des Kriegs in der Ukraine verbessert. Die Notwendigkeit, die viele westliche Länder spüren, aus einer Abhängigkeit von russischer Energie herauszukommen, macht das saudische Öl umso wertvoller. Mit den Arabern komplett zu brechen, das möchten sich auch die USA offenbar nicht leisten.
Was wohl bedeutet, dass es mit der Ruhe am Himmel über dem leidenden Jemen sehr bald wieder vorbei sein wird. Die hungernden Menschen im Land müssen ihre Hoffnung darauf setzen, dass die internationale Gemeinschaft im Angesicht des schieren Ausmaßes an menschlichem Leid zu mehr Hilfe bereit sein wird als in der Vergangenheit.
Quelle: ntv.de