Das Weihnachtsschweigen in Bellevue Wulff sagt nichts
21.12.2011, 19:24 Uhr
Vor einem Jahr war die Weihnachtszeit auch noch besinnlicher: Wulff am 21.12. 2010 in Bellevue.
(Foto: dpa)
Bei seiner Weihnachtsansprache kann sich Bundespräsident Wulff in diesem Jahr nicht über mangelndes Interesse beklagen. Schon jetzt sickert durch, worum es dabei geht: Ausgerechnet um den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Zu dem, was die Gesellschaft interessiert, schweigt der Präsident allerdings und lässt seinen Anwalt sprechen.
Bei der Weihnachtsansprache von soll offenbar alles so laufen wie immer. Wie im vergangenen Jahr lud er auch jetzt für die Aufzeichnung zahlreiche Gäste ein, Feuerwehrleute, Einwandererfamilien sowie Mitglieder des deutsch-israelischen Jugendwerkes. Und er fand Worte über den Zusammenhalt in der Gesellschaft und in Europa. Nur über eines sprach der Bundespräsident nicht in seiner Rede, die am ersten Weihnachtstag ausgestrahlt werden soll: Über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe.
Lediglich bei der Begrüßung der Zuhörer vor der offiziellen Aufzeichnung äußerte er sich indirekt und eher beiläufig dazu, wie eine Teilnehmerin später sagte: Wulff habe erklärt, dass in der heutigen Zeit des Internets alles, was man irgendwann einmal gemacht habe, irgendwann ans Licht komme und man darauf vorbereitet sein sollte.
In der Tat muss Wulff nun auf einiges vorbereitet sein, werden doch zu den rund um sein Interview-Buch immer weitere Einzelheiten bekannt. Der mit ihm befreundete Unternehmer hatte eine Anzeigenkampagne für den Band "Besser die Wahrheit" finanziert. Von diesen Zahlungen wusste der damalige Ministerpräsident in Hannover nach Angaben seines Anwalts, Maschmeyers und des Verlages jedoch nichts.
Nach Informationen der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" wurden auf Wunsch Maschmeyers die Rechnungen mehrfach für die PR-Aktion geändert. Dadurch habe der Geschäftsmann offenbar seine großzügige Unterstützung für Wulff verbergen wollen, schrieb das Blatt.
Wulffs Anwalt Gernot Lehr bestätigte inzwischen erstmals, dass der Unternehmer Egon Geerkens in die Verhandlungen über den 500.000-Euro-Kredit für den Kauf des Privathauses des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten eingeschaltet war. Dies sei aufgrund des besonderen Sachverstands und der freundschaftlichen Beziehungen von Geerkens zu Wulff geschehen, teilte Lehr in einem Schreiben an die Zeitung "Die Welt" mit. Das Darlehen selbst sei aber von Geerkens' Ehefrau Edith gewährt worden. Wulff hatte sich bislang nicht zu dessen Rolle bei dem Kredit geäußert.
Strafanzeigen gegen Wulff
Bei der Staatsanwaltschaft Hannover liegen neun Strafanzeigen gegen Wulff vor. Auf einen Untersuchungsausschuss wollen und SPD und Grüne im niedersächsischen Landtag vorerst verzichten. Zunächst müssten alle anderen parlamentarischen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, erklärten ihre Vertreter.
Die Anti-Korruptions-Vereinigung zeigte sich empört. "Wäre Herr Wulff ein Oberamtsrat, hätte er wahrscheinlich ein Verfahren am Hals", sagte die Vorsitzende Edda Müller bei n-tv. Ein kleiner Beamter müsse auch den Anschein vermeiden, er würde für private Gefälligkeiten empfänglich sein. "Hier im konkreten Fall geht es aber nicht nur um die rechtliche Frage. Es geht um eine politisch-moralische Frage", sagte Müller. Man erwarte vom Bundespräsidenten, "dass er das Amt schützt, dass er nicht nur sich persönlich schützt, sondern das Ansehen des Amtes nicht schädigt".
Der konservative Kölner Kardinal Joachim Meißner rückte den Bundespräsidenten in die Nähe eines "armen Sünders". Er beneide ihn nicht darum, in dieser Situation die Weihnachtsansprache zu halten: "Ich würde ihm das nicht raten", sagte Meißner im WDR.
Auch in der Bevölkerung büßte Wulff nach einer Umfrage an Autorität ein. Laut einer Forsa-Befragung sagten 31 Prozent der Bürger, er habe für sie an Ansehen verloren. Einen Rücktritt lehnt die überwältigende Mehrheit (79 Prozent) aber weiter ab.
Rückendeckung von Parteifreunden
Nach Kanzlerin Angela Merkel nahm auch Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) das Staatsoberhaupt in Schutz. "Ich habe volles Vertrauen zu diesem Bundespräsidenten", sagte er der "Berliner Zeitung". Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) forderte ebenso ein Ende der Debatte wie die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt. "Aus Respekt vor dem Amt sollte die Diskussion unverzüglich eingestellt werden", sagte diese der "Neuen Osnabrücker Zeitung". FDP-Generalsekretär Patrick Döring bezeichnete in der "Rheinischen Post" die jüngsten Vorwürfe wegen der Anzeigenkampagne für ein Wulff-Buch als haltlos.

Wulff bekommt ein wachsendes Glaubwürdigkeitsproblem.
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Der SPD-Politiker Sebastian Edathy zog dagegen Parallelen zum Fall von , der als Verteidigungsminister nach massivem Druck wegen abgeschriebener Passagen in seiner Doktorarbeit zurückgetreten war. "Erst wird dementiert, dann wird behauptet, es gebe Missverständnisse, dann wird eine Teilentschuldigung vorgenommen", kritisierte der SPD-Innenexperte im "Handelsblatt". Täglich nähmen die Zweifel zu, ob der Bundespräsident noch seiner Vorbildfunktion gerecht werde.
Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir sagte, Wulff habe in der Vergangenheit die politische Konkurrenz nie mit Samthandschuhen angefasst. "Deshalb hat er in moralischen Fragen die Latte selbst sehr hoch gelegt. Und daran wird er gemessen", sagte Özdemir der Berliner "Tageszeitung".
"Juristische Haarspalterei"
Der Publizist , der 2007 gemeinsam mit dem damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff den Gesprächsband "Besser die Wahrheit" veröffentlichte, hält eine zweite Amtszeit von Wulff als Bundespräsident für ausgeschlossen. "Nein, das kann man vergessen und zwar von Anfang an", sagte der 64-Jährige n-tv.de. Sollte sich der Bundespräsident Hoffnungen gemacht haben, vielleicht dann von den Grünen mit gewählt zu werden, hätten sich diese nun zerschlagen, so Müller-Vogg. Eine eigene schwarz-gelbe Mehrheit in der Bundesversammlung werde es nach der nächsten Bundestagswahl ohnehin nicht geben.
Der Düsseldorfer Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann hält Bundespräsident Christian Wulff und dessen Anwälten in der Verteidigung des umstrittenen Privatkredits "juristische Haarspalterei" vor. Im konventionellen Sprachgebrauch handle es sich bei dem ausgehandelten Darlehen zwischen dem Unternehmer-Ehepaar Geerkens und dem Ehepaar Wulff um eine Geschäftsbeziehung, sagte Alemann. Es sei jetzt klargestellt, dass der Unternehmer Geerkens "in die Gewährung des Kredits von Anfang an und intensiv mit einbezogen war", betonte der Experte für Parteienfinanzierungen. "Es handelt sich damit nicht nur um eine private Beziehung zwischen Frau Geerkens und dem Ehepaar Wulff."
Quelle: ntv.de, sba/ghö/dpa/AFP/rts