Politik

Schrittweise Selbstkontrolle Die Wende für Afghanistan

Mit einem Strategiewechsel will die Staatengemeinschaft Frieden ins zerrüttete Afghanistan bringen und den Abzug der internationalen Truppen einleiten. Acht Jahre nach dem Sturz der Taliban geht Kabul auch auf die radikalislamischen Kämpfer zu. Die Vorschläge stoßen jedoch auch auf Kritik.

Der britische Außenminister Miliband spricht.

Der britische Außenminister Miliband spricht.

(Foto: dpa)

Nach acht Jahren des militärischen Konflikts will die internationale Gemeinschaft in Afghanistan eine Wende herbeiführen: Dies soll mit einer schrittweisen Übertragung der Sicherheitsaufgaben und einem Programm zur Wiedereingliederung gemäßigter Taliban geschehen. Das beschlossen rund 70 Länder auf einer Afghanistan-Konferenz in London. Die Regierung in Kabul kündigt einen Aussöhnungsprozess an. Die Vorschläge stießen jedoch auch auf Kritik.

Der afghanische Präsident Hamid Karsai machte zudem vor der Konferenz deutlich, dass sein Land noch bis zu 15 Jahre auf ausländische Truppen und Finanzhilfe angewiesen sein werde. Der Westen will ihn nun stärker in die Pflicht nehmen.

Außenminister Guido Westerwelle sprach in London von einem "strategischen Neuanfang". Für die deutschen Soldaten gebe es jetzt eine klare Perspektive. Im Jahr 2014 könne die "vollständige Übergabe der Verantwortung an die afghanische Regierung" gelungen sein. Berlin will aber zunächst das deutsche Kontingent von derzeit 4500 um 850 Soldaten aufzustocken. Die USA schicken im Kampf gegen die Taliban und das Terrornetzwerk El Kaida dagegen 30.000 zusätzliche Soldaten.

US-Außenministerin Hillary Clinton betonte, dass es sich bei den Beschlüssen von London um keine "Ausstiegsstrategie" handele. Es gehe darum, den Afghanen zur Seite zu stehen.

Die Soldaten sollen nun deutlich mehr afghanische Sicherheitskräfte ausbilden. Die Konferenz - zu der weitgehend Außenminister angereist waren - erwartet, dass die NATO-geführte Schutztruppe ISAF deshalb noch mindestens fünf Jahre am Hindukusch nötig ist.

Kabul muss mitarbeiten

Aufstellung zum Gruppenbild mit Dame.

Aufstellung zum Gruppenbild mit Dame.

(Foto: REUTERS)

Im Gegenzug für den internationalen Kraftakt verlangt der Westen von Karsai Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung und der Entwicklung eigener Institutionen. Diese sollen regelmäßig überprüft werden. Im März oder April soll es zudem eine weitere Afghanistan-Konferenz in Kabul geben. Karsai versprach ein Maßnahmenpaket gegen die Korruption.

Es beginne nun "eine neue Phase auf dem Weg zu völliger afghanischer Eigenverantwortung", hieß es in dem zehn Seiten langen Abschlussdokument. Es sieht auch ein umstrittenes Aussteigerprogramm zur Eingliederung gemäßigter Taliban-Kämpfer vor. Dabei geht es darum, den Kämpfern unter anderem Jobs anzubieten, damit sie die Waffen niederlegen. "Wir müssen allen Landsleuten die Hand reichen - vor allem den enttäuschten Brüdern, die nicht Teil von Al-Kaida oder anderen terroristischen Netzwerken sind", sagte Karsai.

Für das Taliban-Ausstiegsprogramm habe die internationale Gemeinschaft für das erste Jahr bereits 140 Millionen Dollar (100 Millionen Euro) zugesagt, sagte der britische Außenminister und Gastgeber der Konferenz, David Miliband. Deutschland stellt für den Fonds über fünf Jahre insgesamt 50 Millionen Euro bereit.

Kritik von Bürgerrechtlern

Vor dem Tagungsort forderten zahlreiche Demonstranten den sofortigen Truppenabzug aus Afghanistan.

Vor dem Tagungsort forderten zahlreiche Demonstranten den sofortigen Truppenabzug aus Afghanistan.

(Foto: dpa)

Afghanische Bürgerrechtsgruppen und Frauenverbände erklärten, die internationale Gemeinschaft dürfe kein Programm verabschieden, das Terrorismus und die Taliban weiter unterstütze. Das Regime der Taliban steht auch für die Unterdrückung von Frauen, Menschenrechtsverletzungen und ist für zahlreiche Anschläge auch auf Zivilisten verantwortlich.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton verteidigte das Aussteigerprogramm. Die Menschen müssten auch einen Weg zurück in die Gesellschaft finden, sagte sie am Rande der Konferenz.

Auf einen konkreten Termin für den Abzug der derzeit rund 85.000 ausländischen Soldaten verständigte sich die Konferenz nicht. Dafür wurde beschlossen, die afghanischen Polizei- und Armeekräfte bis Oktober 2011 auf mehr als 300.000 Mann zu erhöhen - 171.000 Soldaten und 134.000 Polizisten.

Kritisiert wurde auch, dass der Iran das Treffen kurzfristig abgesagt hatte. Miliband verurteilte die kurzfristige Absage als "zutiefst bedauerlich und unerklärlich". Iran kommt in der Region eine wichtige Rolle zu.

Für die Sicherheit der Welt

Der britische Premierminister Gordon Brown betonte die Bedeutung des Engagements am Hindukusch. Der Einsatz der internationalen Truppen sei "entscheidend für die Sicherheit in der Welt." Seit Beginn des Einsatzes in Afghanistan nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 starben 1600 Soldaten der internationalen Schutztruppe, an der 43 Länder beteiligt sind. Brown wandte sich auch mit einer Kampfansage an das Terrornetzwerk Al-Kaida: "Wir werden Euch besiegen, nicht nur auf den Schlachtfeldern, sondern auch in den Herzen und Köpfen."

Seit dem Sturz der Taliban 2001 gab es bereits eine Reihe internationaler Konferenzen. Zahlreiche Ziele, die damals festgelegt worden waren, wurden jedoch verfehlt.

Quelle: ntv.de, dpa

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