Möglicher Militäreinsatz illegitim "Gaddafi hat keine Chance"
18.03.2011, 20:27 Uhr
Ein Tornado der Britischen "Royal Air Force". Premierminister Cameron sagte, man werde Gaddafi nach Taten - und nicht nach Worten - beurteilen.
(Foto: REUTERS)
Dr. Reinhard Merkel ist Professor für Rechtsphilosophie und Strafrecht an der Universität Hamburg. Er hält den möglichen Militäreinsatz in Libyen für illegitim und unterstützt die Bundesregierung in ihrer Entscheidung, sich nicht zu beteiligen. Alle anderen Wege als die kriegerischen sollten aber begangen werden, damit Gaddafi nicht länger an der Macht bleibt.
n-tv.de: Wie beurteilen Sie die Nicht-Beteiligung der Bundesregierung an der UN-Resolution zu Flugverbotszone in Libyen?
Merkel: Für mich ist die Haltung der Regierung in diesem Konflikt absolut richtig.
Warum? Viele Stimmen werfen Merkel und Westerwelle Mangel an Mut vor.
Zu Unrecht. Was die UN-Resolution an Gewaltanwendung erlaubt, überschreitet deutlich die Grenzen des Legalen und des Legitimen. Man kann nicht in einen Bürgerkrieg, der immerhin gewaltsam begonnen wurde, von außen mit Gewalt eingreifen und sich auf die Seite einer Partei schlagen. Die UN hat das Recht zu intervenieren, um Massenmord zu verhindern, aber nicht das Recht, beim Sturz einer Regierung mit kriegerischen Mitteln zu helfen.
Der geplante Militäreinsatz ist also nicht rechtmäßig?

Ein Unterstützer des libyschen Diktators Gaddafi.
(Foto: REUTERS)
Man muss unterscheiden. Der Sicherheitsrat hätte deutlicher machen müssen, dass er ein Eingreifen allein zur Verhinderung weiteren Blutvergießens autorisiert. Stattdessen deutet sich an, dass man, vor allem wohl Frankreich, die Situation nutzen will, um Gaddafi unter Einsatz militärischer Gewalt zu stürzen. Das ist – oder wäre - illegitim. Man muss zunächst sehen, dass jede Regierung, die nach außen hin völkerrechtlich legitimiert ist, das grundsätzliche Recht hat, gewaltsame Aufstände niederzuschlagen. So bitter das sein mag. Das ist in der Öffentlichkeit zu wenig diskutiert worden. Natürlich gibt es Grenzen der Art und Methode, in der das geschehen darf – Grenzen des Verbots von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Aber unterhalb dieser Schwellen dürfen gewaltsame Aufstände auch gewaltsam bekämpft werden.
Die libysche Regierung verspricht nun eine Feuerpause und will sich der Resolution beugen. Wie ist das zu bewerten?
Der Waffenstillstand ist vermutlich eine taktische Maßnahme Gaddafis. Er sitzt noch immer fest an der Macht, seine Position ist derzeit nicht gefährdet. Die wenigen Orte, an denen die Rebellen noch regieren, sorgen weder für seinen Sturz, noch führen sie zu einer Spaltung Libyens. Gaddafi wird nun wohl versuchen, mit etwas moderaterer "Polizeigewalt" die Rebellen zu bekämpfen.
Wie sollten ihrer Meinung nach nun die UN-Mächte reagieren?
Der Westen, vor allem die USA, müssen nun auch und vor allem diplomatisch handeln, Gaddafi unter den Druck glaubhafter Drohungen setzen. Man muss zwischen ihm und den Rebellen vermitteln. Darauf wird Gaddafi aber nur eingehen, wenn man ihm zusagt, dass er nicht gewaltsam gestürzt wird. Man wird ihn aber andererseits nur an der Macht lassen, wenn er auf Racheakte verzichtet und wenigstens einige der demokratischen Forderungen der Opposition akzeptiert. Man muss und kann Gaddafi jetzt nachdrücklich klarmachen, dass er verliert, wenn er weiterhin auf Gewalt setzt. Der Westen sollte jetzt klug handeln und die Chance ergreifen, die Aufstände und vor allem deren Bekämpfung ohne weitere Anwendung militärischer Gewalt zu beenden, selbst wenn das den Verzicht auf einen sofortigen Sturz Gaddafis einschließt.
Wie kann das langfristige Ziel lauten?

Reinhard Merkel ist Professor für Rechtsphilosophie und Strafrecht an der Universität Hamburg.
Gaddafi hat keine Chance auf Dauer an der Macht zu bleiben. Es müssen alle Schritte eingeleitet und vom Westen langfristig unterstützt werden, die zu einer demokratischen Reform in Libyen führen. Dafür gibt es eine breite Palette an Möglichkeiten, vom renitenten Festhalten an dauernden massenhaften Demonstrationen bis zu zahlreichen Formen zivilen Ungehorsams. Dass das unter einer Herrschaft wie der Gaddafis nicht ohne Opfer und Inkaufnahme persönlichen Leids möglich ist, liegt auf der Hand. Das allein rechtfertigt aber nicht, zur Option eines gewaltsamen Bürgerkriegs zu greifen.
Auch in anderen Ländern gab es Aufstände gegen die Machthaber. Warum ist die Situation in Libyen derart eskaliert?
Die Ägypter haben, meine ich, klüger gehandelt. Sie haben immer wieder friedlich protestiert, damit aber einen großen Druck auf Politik und Wirtschaft ausgeübt. Wenn die Opposition aber, wie in Libyen, Kasernen besetzt, sich bewaffnet, Häuser anzündet und schießt, dann schießt das Militär eben leider zurück. Noch einmal – und mit großem Bedauern: Die libysche Opposition hat ein legitimes Ziel mit illegitimen Mitteln verfolgt.
Quelle: ntv.de, Mit Reinhard Merkel sprach Timm Leibfried