Dossier

Nach dem Sturm der Entrüstung Sarrazin schweigt

Thilo Sarrazin äußert sich nicht zu den Vorwürfen gegen ihn.

Thilo Sarrazin äußert sich nicht zu den Vorwürfen gegen ihn.

(Foto: dpa)

Als sein Handy mitten im Vortrag Alarmtöne wie aus einer Klinik-Notaufnahme ausstößt, sagt Thilo Sarrazin einen Satz, der viel über ihn verrät: "Ich habe den Ton gewählt, damit er sich von allen anderen unterscheidet." Der Satz passt zwar nicht zur Rede des Bundesbank-Vorstandes Sarrazin, in der es um finanz- und wirtschaftspolitische Fragen nach der Wahl geht. Aber er zeigt den Grund für sein Problem mit öffentlichen Äußerungen, das sich zur aktuellen Affäre um abwertende Bemerkungen über Ausländer entwickelte. Sarrazin will manches aussprechen, was andere seiner Meinung nach zu Unrecht verschweigen. Er will anders sein - auch wenn es dann Ärger gibt.

Inzwischen ist der Zorn über ihn so gewachsen, dass selbst Sarrazin bei seinem ersten öffentlichen Auftritt seit Tagen empfindlich reagiert und schweigt. Die scharfen Worte von Bundesbank- Präsident Axel Weber, der Sarrazin am Wochenende indirekt den Rücktritt aus dem Vorstand der Bundesbank nahelegte, zeigen Wirkung. Als der Gescholtene bei seiner Ankunft beim Mittelstandstag gefragt wird, wie es ihm g eht, antwortet er: "Ja...." Pause. Sekundenlange Pause. Schließlich folgt ein: "....gut." Inzwischen geht auch die Berliner SPD auf Distanz. Landeschef Michael Müller bezeichnete das Interview als "völligen Fehlgriff" Sarrazins. Und ein Berliner Ortsverein beantragte schon ein Parteiordnungsverfahren gegen den Ex-Finanzsenator.

"Ich halte eine Rede"

Kurz vor seinem Auftritt sagt Sarrazin zu den lauernden Journalisten: "Sie können mich alle noch so erwartungsvoll angucken. Ich halte eine Rede, und dann fahre ich nach Frankfurt." Er verweist nur kurz auf seine Entschuldigung vom vergangenen Donnerstag. Dass ihn die Diskussion nicht cool lässt, zeigt sich schnell: "Kameras aber bitte raus hier", sonst gehe er, sagt er zu den Veranstaltern. Aber auch hier muss er klein beigeben. Die Kameras bleiben, Sarrazin spricht.

Allerdings nicht über die Vorwürfe, er sei ausländerfeindlich oder schade dem Image der Bundesbank. Auch nicht über "neue kleine Kopftuchmädchen" oder über seine Analyse der modernen türkischen Invasion in dem fünfseitigen Interview mit der Zeitschrift "Lettre International": "Die Türken erobern Deutschland genauso, wie die Kosovaren das Kosovo erobert haben: durch eine höhere Geburtenrate."

Kein Wort zur Sache

Sarrazin spricht eine Stunde über Staatsverschuldung und Zinslasten, über Versprechungen der Parteien und Sparbemühungen des Staates. Nur an einer Stelle verrät er, dass er sich vielleicht doch missverstanden und unterschätzt fühlt. Über Wirtschaftsforscher, die lieber gemeinsam falsche Prognosen abgeben würden, statt eine abweichende Einzelprognose zu riskieren, sagt Sarrazin: "Übrigens kann man das auch auf viele andere Themen anwenden, die hiermit nichts zu tun haben." Das bringt ihm einen der wenigen Lacherfolge bei den 200 Zuhörern im Saal.

Auch nach dem Vortrag kein weiteres Wort zur Sache. Sarrazin lässt sich zum Ausgang begleiten. Draußen wartet ein silberner Audi A 8 mit Frankfurter Kennzeichen. Der frühere Berliner Finanzsenator steigt ein und entschwindet.

Quelle: ntv.de, Andreas Rabenstein, dpa

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