Wer kämpft denn hier verdeckt? Amerikas dreiste Doppelmoral
12.05.2014, 16:35 Uhr
(Foto: Reuters)
Seit Monaten spielt Washington den besonnenen Weltpolizisten: mit scharfen Worten und ohne Truppen. Aber stimmt das wirklich? Medienberichte bringen die US-Regierung in Erklärungsnot - und die Kanzlerin.
Ende März zieht Barack Obama die provokative Karte. Nach dem Atomgipfel in Den Haag sagt der US-Präsident, Russland sei "eine Regionalmacht, die einige ihrer unmittelbaren Nachbarn bedroht". "Regionalmacht" - für so manchen Politiker im Kreml muss sich dies wie ein Schlag in die Magengrube angefühlt haben. In diesen Tagen bekommt Obamas Seitenhieb eine ganz neue Bedeutung. Auslöser sind Berichte, dass US-Söldner an den Kämpfen in der Ostukraine beteiligt sind. Ob die Amerikaner den Russen auf diese Weise zeigen wollen, was der Unterschied zwischen Regional- und Supermacht ist? Sollte sich der Verdacht bestätigen, würde die US-Außenpolitik großen Schaden nehmen. Sie wäre der Doppelmoral überführt.
Zugegeben: Die Elitekämpfer der US-Sicherheitsfirma Academi sind nicht dem Präsidenten unterstellt. Es handelt sich um eine Privatarmee. Dass Academi gegen den Willen ihres größten Auftraggebers eine so prekäre Mission eingeht, ist jedoch kaum vorstellbar. Für die US-Regierung wäre eine solche Verstrickung ein Desaster.
Seit Wochen kritisiert sie Moskau scharf wegen dessen angeblicher Unterstützung der Aufständischen. Außenminister John Kerry warf Russlands Präsident Wladimir Putin gar "Sabotage" vor. Spricht so einer, der selbst verdeckte Truppen vor Ort hat? Bisher schien es, als spiele nur Russland die militärische Karte. Doch nun setzt sich auch die US-Regierung dem Vorwurf aus, die Eskalation des Konfliktes anzuheizen.
Zündeln in der Nachbarschaft
Es wäre eine dreiste Doppelmoral und völkerrechtlich ähnlich problematisch wie das russische Engagement auf der Krim. Die zweifelhafte Rolle der Amerikaner setzt auch die Bundesregierung unter Zugzwang. War die Kanzlerin schon lange im Bilde? Wenn ja, muss sie sich unangenehme Fragen gefallen lassen. Wenn nein, droht dem transatlantischen Verhältnis nach der NSA-Affäre ein erneuter Knacks. Denn gutheißen kann man die verdeckte Mission des Bündnispartners nicht.
Egal ob Regional- oder Supermacht: Kaum auszudenken, Moskau würde in amerikanischer Nachbarschaft, beispielsweise in Venezuela oder Kuba, anti-amerikanische Bewegungen unterstützen. Militärisch böte die Existenz von US-Söldnern Putin einen vermeintlichen Vorwand, in der Ostukraine einzugreifen. Dass Grünenpolitiker Hans-Christian Ströbele bereits von "Stellvertreterkriegen" spricht, verwundert da kaum. So viel man sich in dieser Ukraine-Krise zuletzt auch vorstellen konnte: Der Gedanke, dass sich bewaffnete Amerikaner und Russen längst gegenüberstehen, gehörte nicht dazu.
Doch tatsächlich geben sich beide "Großmächte" zurzeit in puncto Scheinheiligkeit nicht viel. Das lässt sich nach dem Referendum beobachten. In der vergangenen Woche forderte Russland noch, die Abstimmung zu verschieben. Doch an diesem Montag stellte sich Moskau entschieden hinter das Ergebnis und forderte Kiew auf, das Referendum umzusetzen. Nach den leichten Anzeichen von Entspannung, die es zuletzt gab, ist das ein deutlicher Rückschritt - in aufgeregten Zeiten wie diesen sogar eine Provokation.
Quelle: ntv.de