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Asylpaket II Unvereinbar mit dem hippokratischen Eid

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(Foto: picture alliance / dpa)

Das zweite Asylpaket wird dafür sorgen, dass noch mehr Kinder und Familien auf den gefährlichen Fluchtwegen sterben oder schwer traumatisiert bei uns ankommen.

Das Asylpaket II trifft ausgerechnet die verletzlichste Gruppe der Flüchtlinge. Für Kranke, Traumatisierte, Minderjährige oder andere schutzbedürftige Menschen sind die neuen beschleunigten Verfahren besonders katastrophal. Sie können mit dem neuen Gesetz leichter abgeschoben werden und haben keine Chance mehr auf ein faires Verfahren.

Carlotta Conrad ist Vorstandsmitglied der Organisation "Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges - Ärzte in sozialer Verantwortung" (IPPNW)

Carlotta Conrad ist Vorstandsmitglied der Organisation "Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges - Ärzte in sozialer Verantwortung" (IPPNW)

(Foto: IPPNW)

Aus ärztlicher Sicht besonders skandalös ist der Passus im Gesetzentwurf des Kabinetts, wonach von Gesetzes wegen eine Vermutung bestehe, "dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen". Dabei ist hinlänglich bekannt, dass traumatisierte Menschen nicht beim ersten Kontakt alle Umstände erlittener Menschenrechtsverletzungen vorbringen können. Insbesondere dann, wenn sie Rückblenden zu ihrem eigenen Schutz unterdrücken müssen, wenn das Erlebte schambesetzt ist oder wenn die Betroffenen durch die Strapazen vor und im Verlauf der Flucht geschwächt und physisch wie psychisch nicht in der Lage sind, zusammenhängend und chronologisch korrekt zu berichten. Als Ärzte erleben wir immer wieder, dass es Zeit und Vertrauen braucht, um das Schweigen über erfahrenes Leid zu brechen.

Auch die Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Geschützte für zwei Jahre trifft die schwächste Gruppe der Geflüchteten. Sie widerspricht nicht nur dem verfassungsmäßigen Auftrag zum Schutz der Familie, der der CDU ja sonst so besonders am Herzen liegt. Die neue Regelung ist auch ein Hindernis in der Rehabilitation seelisch belasteter Menschen. In unserer ärztlichen Praxis werden wir immer wieder mit schwerwiegenden und re-traumatisierenden Konstellationen durch verzögerten Familiennachzug konfrontiert. Solange die Sorge um die Sicherheit der Familienmitglieder im Raum steht, können seelische Wunden nicht heilen. Besonders belastend und schmerzlich ist es für Eltern, die ihre Kinder wegen des gefährlichen Fluchtwegs bei Freunden oder Verwandten zurücklassen mussten, in der Hoffnung, sie bald nachholen zu können. Folge des neuen Gesetzes wird sein, dass noch mehr Kinder und Familien auf den gefährlichen Fluchtwegen sterben oder schwer traumatisiert bei uns ankommen.

Der Gipfel aber ist die Einschränkung des Familiennachzugs für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, auch wenn es bei "Härtefällen" Ausnahmen geben soll. Minderjährigen Flüchtlingen steht laut Kinderrechtskonvention eigentlich eine möglichst frühe Familienzusammenführung zu, damit sie sich gesund entwickeln können. Gerade unbegleitete minderjährige Flüchtlinge stehen unter einem großen Erwartungsdruck ihrer Familie und drohen häufig daran zu zerbrechen, wenn die Familienzusammenführung nicht in Aussicht gestellt werden kann. Damit kann der fehlende Familiennachzug auf Dauer ein schweres Integrationshindernis bedeuten.

Als ÄrztInnen werden wir dieser Verschärfung des Asylrechts nicht einfach zusehen. Unser hippokratischer Eid erfordert unseren Einsatz. Wir müssen und werden Wege finden, das Leben unserer PatientInnen zu schützen. Wir appellieren an alle Bundestagsabgeordneten, diesem Gesetz nicht zuzustimmen.

Quelle: ntv.de

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