Schlechte Bewertung im Internet Bleiben Kritiker anonym?
14.12.2015, 12:39 UhrSchlechte Kritiken im Netz können geschäftsschädigend sein. Allerdings würden Bewertungsportale auch wenig Sinn haben, wenn dort nur Lobhudeleien veröffentlicht würden. Der BGH soll klären, ob die Daten von Bewertern weitergegeben werden dürfen.
Wie sind die Betten im Urlaubshotel? In welches Restaurant soll man den Besuch ausführen? Herrscht beim potenziellen neuen Arbeitgeber ein angenehmes Betriebsklima und wie stehen die Karrierechancen? Früher war man auf persönliche Tipps und Berichte angewiesen, um solche Fragen zu klären. Heute reicht ein Blick auf eines der einschlägigen Bewertungsportale. Im besten Fall bekommen die Dienstleister dort gute Werbung und die Ratsuchenden brauchbare Empfehlungen. Wenn es schlecht läuft, müssen sich Gerichte mit Einträgen befassen. Am Dienstag verhandelt der Bundesgerichtshof über eine Bewertung auf Jameda.de.
Das Ärztebewertungsportal muss sich damit schon zum zweiten Mal vorm BGH verantworten. Bereits Ende September hatten die Bundesrichter die Klage eines Münchner Gynäkologen abgewiesen. Der Mediziner hatte verlangt, dass sein Profil bei Jameda komplett gelöscht wird. Nicht nur die Bewertungen sollten verschwinden, sondern auch alle Angaben zu seiner Praxis. Ohne Erfolg: Das Recht der Firma auf Kommunikationsfreiheit sei höher einzustufen als das das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Arztes, so der BGH
Diesmal liegt der Fall etwas anders: Der Kläger, ein Zahnarzt, will nicht sein Profil, sondern eine einzelne Bewertung eliminieren. "Leider ist es einfach, eine positive Bewertung zu schreiben, eine negative dagegen ist – auch rechtlich – schwierig, weshalb ich für die Bewertung auf die Schulnotenvergabe verweise, welche ich mir sorgfältigst überlegt habe", schrieb der anonyme Nutzer, der von dem Arzt offenbar schwer enttäuscht war. In den Punkten "Behandlung", "Aufklärung" und "Vertrauensverhältnis" vergab er jeweils eine "sechs", die besseren Bewertungen in anderen Kategorien hievten die Gesamtnote auf 4,8 – immer noch ein abschreckendes Ergebnis.
Schmähkritik ist verboten
Der Arzt wollte das Urteil nicht auf sich sitzen lassen und bat Jameda darum, die Bewertung zu entfernen. Er bezweifelte, dass der Nutzer überhaupt in seiner Praxis gewesen war. Jameda nahm den Eintrag von der Seite, stellte sie jedoch wenig später wieder online. Man habe den Bewerter angeschrieben und das Urteil verifiziert. Das wollte der Arzt nun genauer wissen. Unter anderem fragte er nach den "Klardaten" des angeblichen Arztbesuchs und danach, wie der "angebliche Patient" seine Behandlung denn belegt habe. Doch das wollte die Firma aus Datenschutzgründen nicht beantworten.
Nun will der Arzt die Informationen auf dem Rechtsweg bekommen. Allzu gute Chancen wird er nicht ausrechnen können. Schon im letzten Jahr hat der BGH eine Klage auf Auskunftserteilung gegen das größte deutsche Ärztebewertungsportal abgewiesen. Wer anonym kommentiert, darf auch anonym bleiben – auch wenn die Bewertung nicht positiv ausfällt, entschieden die Richter. So lasse sich sicherstellen, dass die Nutzer sich überhaupt trauen, kritische Meinungen abzugeben, argumentierte der BGH damals. Muss man damit rechnen, dass der eigene Name weitergegeben wird, wird man sich negative Kommentare aus Angst vor den juristischen Folgen womöglich lieber sparen.
Das bedeutet aber nicht, dass der BGH pöbelnden Patienten Tür und Tor geöffnet hätte. Schmähkritik ist verboten. Man darf also beispielsweise nicht schreiben "Arzt XY ist ein Kurpfuscher", sondern allenfalls "Er wirkte auf mich nicht besonders kompetent". Und natürlich muss ein Kritiker auch bei der Wahrheit bleiben.
Telemediengesetz setzt Grenzen
Wenn eine Bewertung Persönlichkeitsrechte verletzt oder zweifellos falsch ist, können die Betroffenen auch heute schon verlangen, dass der Kommentar gelöscht wird. Das Bewertungsportal Sanego prüft jede Bewertung anonymer Nutzer grundsätzlich auf Schmähkritik. Bei Jameda soll zunächst ein Algorithmus fragwürdige Kommentare herausfiltern. Bei Auffälligkeiten schaut sich ein Prüferteam den Kommentar genauer an und entscheidet über die Freischaltung. Die betreffenden Ärzte werden über jede eingegangene Bewertung informiert. Wer sich ungerecht eingestuft fühlt, kann Einspruch einlegen. Jameda wendet sich dann an den jeweiligen Nutzer und fragt gegebenenfalls nach Belegen für den Arztbesuch. Bleiben dann Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Kritikers, verschwindet der Kommentar in der Versenkung.
Selbst wenn dann klar wird, dass der Nutzer nicht bei den Fakten geblieben ist, darf Jameda - wie auch alle anderen Bewertungsportale - nicht einfach seine Daten herausgeben. Das verbietet das Telemediengesetz. Unter Umständen kann der Arzt selbst herausfinden, welcher seiner Patienten die Bewertung abgegeben hat. Etwa dann, wenn ein Krankheitsbild im betreffenden Zeitraum nur einmal vorgekommen ist. Ansonsten muss der Arzt muss erst einen Gerichtsbeschluss gegen den anonymen Nutzer erwirken und kann dann Akteneinsicht verlangen.
Im Moment sind die Bewerteten also auf die Sorgfalt und die Recherche der jeweiligen Bewertungsportale angewiesen. Die Möglichkeiten, direkt gegen Nutzer vorzugehen, sind – zumindest bislang - sehr begrenzt. Egal, wie der BGH entscheidet: Die schlechten Noten wird der Arzt allenfalls dann los, wenn er nachweisen kann, dass der angebliche Patient gar nicht in seiner Praxis war. Denn ansonsten gilt die Benotung, auch wenn sie ungerechtfertigt erscheint, als freie Meinungsäußerung.
Quelle: ntv.de