Ratgeber

Reform des Betreuungsrechts Das ändert sich 2023 für Betreuer und Betreute

An den Wünschen des Betreuten hat sich auch die Eignung des Betreuers zur Ausübung der Betreuung und die Wahrnehmung der gerichtlichen Aufsicht zu orientieren.

An den Wünschen des Betreuten hat sich auch die Eignung des Betreuers zur Ausübung der Betreuung und die Wahrnehmung der gerichtlichen Aufsicht zu orientieren.

(Foto: imago images/Shotshop)

Das Betreuungsrecht wird zum neuen Jahr grundlegend reformiert. Ziel ist die Stärkung des Selbstbestimmungsrechts und der Autonomie unterstützungsbedürftiger Menschen. Das ändert sich für Betroffene.

Mit den am 1.1.2023 in Kraft tretenden gesetzlichen Änderungen modernisiert die Regierung das geltende Betreuungsrecht umfassend. Bei der Reform handelt es sich um die umfassendsten Änderungen seit der Einführung des Betreuungsrechts am 1.1.1992. Ziel ist es, das Selbstbestimmungsrecht und die Autonomie von rund 1,3 Millionen betreuter Menschen in Deutschland wesentlich zu stärken.

Reform des Betreuungsrechts: Die wichtigsten Änderungen

Bei der Prüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Betreuers steht künftig weniger die medizinische Feststellung von Defiziten im Mittelpunkt, sondern vielmehr der individuell und konkret zu bestimmende Unterstützungsbedarf des Hilfsbedürftigen. Zudem gewährleistet das reformierte Betreuungsrecht dem Betreuten mehr Selbstbestimmung während der Betreuung und orientiert sich stärker an dessen Wünschen. Denn bisher hat der Betreuer nach geltendem Recht die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es von außen betrachtet dessen Wohl entspricht.

Maike Backhaus ist Steuerexpertin des Portals Steuertipps.de von Wolters Kluwer.

Maike Backhaus ist Steuerexpertin des Portals Steuertipps.de von Wolters Kluwer.

Künftig stehen jedoch die Wünsche des Betreuten oder dessen mutmaßlicher Wille im Vordergrund des Betreuerhandelns. An den Wünschen des Betreuten hat sich auch die Eignung des Betreuers zur Ausübung der Betreuung und die Wahrnehmung der gerichtlichen Aufsicht zu orientieren. Das gilt vor allem im Rahmen von Genehmigungsverfahren.

Summa summarum lässt sich feststellen: Das neue Recht stellt sicher, dass der Betroffene in sämtlichen Stadien des Betreuungsverfahrens besser informiert und stärker eingebunden wird. Das betrifft unter anderem die gerichtliche Entscheidung über das Ob und Wie der Betreuerbestellung, die Auswahl des konkreten Betreuers und dessen Kontrolle durch das Betreuungsgericht.

Gleichzeitig werden durch die Reform Aufsicht und Kontrolle gestärkt, weil die gerichtliche Aufsicht stärker auf die Ermittlung der Wünsche des Betreuten achtet. Pflichtwidrigkeiten des Betreuers, insbesondere solche, die die Selbstbestimmung des Betreuten beeinträchtigen, sollen so besser erkannt und sanktioniert werden können.

Für Betreuer ergeben sich durch die Betreuungsrechtreform ebenfalls Änderungen. Berufsbetreuer müssen sich künftig bei einer Betreuungsbehörde registrieren lassen und persönliche und fachliche Mindesteignungsvoraussetzungen nachweisen. Ehrenamtliche Betreuer, die keine familiäre oder persönliche Bindung zur betreuten Person haben, sollen sich einem Betreuungsverein anschließen, der sie beraten und fortbilden kann.

Neu ist auch ein Notvertretungsrecht für Ehegatten

Nach bisher geltendem Recht können Ehegatten weder Entscheidungen über medizinische Behandlungen für ihren nicht mehr selbst handlungsfähigen Partner treffen noch diesen im Rechtsverkehr vertreten. Dafür mussten sie bisher als rechtliche Betreuer ihres Partners bestellt oder von ihm im Rahmen einer Vorsorgevollmacht hierzu wirksam bevollmächtigt worden sein.

Ein solches gerichtliches Verfahren zur Betreuerbestellung kann jedoch insbesondere in der ersten Zeit nach einem Unfall oder einer plötzlich aufgetretenen schweren Krankheit eine zusätzliche erhebliche Belastung für die Beteiligten bedeuten.

Ab dem 1.1.2023 können sich Ehegatten daher in rechtlicher Hinsicht leichter beistehen: Die Beistandsmöglichkeiten in Akut- oder Notsituationen werden dahingehend verbessert, dass Ehegatten zeitlich begrenzt eine Möglichkeit haben, den handlungsunfähigen Ehegatten in einer Krankheitssituation zu vertreten.

Wichtig: Dieses neue sogenannte "Notvertretungsrecht für Ehegatten" beschränkt sich auf die Angelegenheiten der Gesundheitssorge und damit eng zusammenhängende Angelegenheiten. Es setzt voraus, dass der behandelnde Arzt bestätigt hat, dass der vertretene Ehegatte aufgrund von Bewusstlosigkeit oder einer Krankheit diese Angelegenheiten rechtlich nicht besorgen kann. Wurde in einer Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht eine andere Person als der Ehepartner befugt, gehen diese im Übrigen vor. Das "Notvertretungsrecht für Ehegatten" "überstimmt" Vollmacht oder Verfügung nicht.

Wann ist eine rechtliche Betreuung möglich und sinnvoll?

Grundsätzlich gilt: Wenn eine volljährige Person ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise deshalb nicht besorgen kann, weil sie krank ist oder eine Behinderung hat, muss sie vor Gefährdungen, die insbesondere ihre Person und ihr Vermögen betreffen, geschützt werden. Diesen Schutz gewährleistet die sogenannte Betreuung.

Dabei wird vom Betreuungsgericht ein Betreuer bestellt, der in einem genau festgelegten Umfang, den sogenannten Aufgabenkreisen, für die hilfsbedürftige Person rechtlich handelt. Bevor das Betreuungsgericht über die Bestellung eines Betreuers entscheidet, muss es ein Sachverständigengutachten über die Notwendigkeit einer Betreuung einholen. Das gilt auch bei scheinbar offensichtlichen Erkrankungen oder Behinderungen.

Der Betreuer vertritt im Rahmen seines Aufgabenkreises den Betreuten dann gerichtlich und außergerichtlich. Damit muss zwangsläufig ein Betreuer bestellt werden, wenn eine gesetzliche Vertretung des Betroffenen notwendig ist.

Keine Voraussetzung ist hingegen, dass der Betroffene geschäftsunfähig ist! Es reicht aus, dass der Betroffene Unterstützung benötigt, um seine eigenen Rechte geltend zu machen. Und auch dann ist die Bestellung eines Betreuers nur zulässig, wenn dem Betroffenen keine anderen ausreichenden Formen der Unterstützung zur Verfügung stehen. Eine Betreuung ist also gegenüber anderen Unterstützungsformen nachrangig. Zu diesen anderen, vorrangigen Unterstützungsformen gehört das durch die Betreuungsrechtreform neu eingeführte Notvertretungsrecht von Ehegatten: Besteht ein Vertretungsrecht des Ehegatten, ist die Bestellung eines Betreuers nicht zulässig.

Konkretes Krankheitsbild entscheidend

Neben dem Betreuungsbedürfnis muss außerdem ein Betreuungsbedarf bestehen. Während sich das Betreuungsbedürfnis auf die Unfähigkeit des Betroffenen zur Besorgung seiner Angelegenheiten bezieht, betrifft der Betreuungsbedarf den Kreis der konkret zu besorgenden Angelegenheiten.

Nur in den dem Betreuer vom Gericht übertragenen Aufgabenbereichen darf dieser die fürsorgebedürftige Person gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Bevor einem Betreuer ein Aufgabenbereich vom Gericht übertragen wird, muss immer geprüft werden, inwieweit die Fähigkeiten des Betroffenen ausreichen, um den Handlungsbedarf abzudecken. Maßgebend ist in diesem Zusammenhang das konkrete Krankheitsbild einer Erkrankung oder Behinderung.

Kann der Betroffene seine Angelegenheiten eigenständig besorgen, darf das Gericht selbst dann keinen Betreuer bestellen, wenn der Betroffene dies beantragt. Ist der Betroffene ohne die Erkrankung oder Behinderung nicht imstande, bestimmte Angelegenheiten zu regeln, beispielsweise wegen der komplizierten Rechtsmaterie oder wegen einer Sprachbarriere, so ist er deshalb nicht betreuungsbedürftig.

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Zudem darf gegen den freien Willen des Betroffenen kein Betreuer bestellt werden. Das ist nur bei Minderjährigen unter bestimmten Voraussetzungen möglich.

Maike Backhaus ist Steuerexpertin des Portals Steuertipps.de von Wolters Kluwer.

(Dieser Artikel wurde am Sonntag, 13. November 2022 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de

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