Ratgeber

Qualität erkennt man am Geschmack Wie Olivenöl gepanscht wird

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(Foto: picture-alliance/ dpa)

Bei Qualität und Herkunft von Olivenölen wird betrogen. Die zweifelhaften EU-Normen machen es Ölpanschern in Italien leicht. Verbraucher sollten für gutes Olivenöl tiefer in die Tasche greifen und es auf der Zunge testen.

Die Fahnder nennen es die Methode "Al Capone", denn den Gangsterboss aus Chicago konnte man nie für Mord rankriegen, aber für Steuerhinterziehung schon. Ein Unteroffizier der italienischen Steuerpolizei Guardia di Finanza hatte einen Déjà-vu-Effekt. Bei einer Routine-Kontrolle in der Azienda Olearia Valpesana bemerkte er sogenannte Mischkladden.

An dieser Stelle sei sofort angemerkt und im Interesse aller Beteiligten erklärt, dass sich diese Berichterstattung allein auf die bereits veröffentlichten Dokumente, mitgeschnittene Telefongespräche, Abhörprotokolle der "verwanzten" Räume der Firma sowie auf die chemische Analyse der in der Firma vorgefundenen Olivenöle stützt. Der Prozess um diesen mutmaßlichen größten Olivenölpanschskandal Italiens dürfte erst im Mai beginnen. Der Eigentümer einer Firma, die besonders häufig in den Abhörprotokollen auftaucht und deren Mitwisserschaft deutlich erkennbar war, hat seine Schuld bereits eingestanden, einen Deal mit der Staatsanwaltschaft gemacht und ist aus dem Prozess bereits ausgeschieden.

Nach diesem notwendigen juristischen Vorwort kehren wir in die betroffene Firma in Siena zurück. Der Unteroffizier fand da also diese Mischkladden. Darin fanden sich  Prozentsätze von 5 bis 30 Prozent und für den Laien unverständliche Zeichen wie "Mix Ac 0,44/Peross 11,7/Pirof 4,5" oder "Benito 10-Monclea 5-Vergine 10%". Der Unteroffizier begriff schnell, worum es sich dabei handeln musste: um die Olivenöl-Mischanweisung für den Betriebschemiker.

Wilde Mischung

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Olivenöl wird auch als grünes Gold bezeichnet.

(Foto: picture alliance / dpa)

Aus acht Zisternen wurde ein Endprodukt hergestellt. Im betreffenden Falle dann ein angebliches "Extra-Vergine" (Extra Natives) Olivenöl, also die höchste Qualitätsstufe, angeblich auch aus rein italienischen Olivenölen. Dem Leser sei es erklärt: Olivenöle untereinander zu mischen ist keineswegs verboten. Es dürfen aber nur Öle der gleichen Qualitätsstufe und aus denselben Herkunftsländern gemischt werden, soweit die EU-Normen. Die Wirklichkeit sieht aber sehr oft anders aus, und der Skandal aus Siena ist dafür nur ein weiteres Anzeichen.

Bei der chemischen Analyse der Zisternen-Inhalte stellte sich nämlich heraus, dass sich in einigen Lampant-Öle befanden, in anderen minderwertige Qualitäten, aus Italien, Griechenland, Spanien und Nordafrika. In der Firma wurden acht Millionen Liter Olivenöle beschlagnahmt. Das ist immerhin so viel, wie man in Deutschland in zwei Monaten an Olivenöl konsumiert.

Die AOV ist eine der ganz großen Ölmisch-und Abfüller Italiens, mit einem Jahresumsatz von 110 Millionen Euro. Zu den Kunden dieser Firma gehörten viele der großen Markennamen Italiens, Carapelli, Monini*, Azienda Olearia del Chianti, Coricelli, De Cecco., wie es die römische Tageszeitung "Il Fatto Quotidiano" berichtet, aus den Unterlagen gehen ebenso Lieferungen an Großkunden im Ausland hervor. Der geständige Unternehmer Patrizio Salvadori, Inhaber der gleichnamigen Firma, war auch Lieferant von Rewe.

"Gutes" Olivenöl nicht zum Schleuderpreis

"Nun müssen wir bei den Kunden der Firma AOV natürlich  erst einmal davon ausgehen, dass sie betrogen wurden. Sie bestellten ein Extra natives Olivenöl, und bekamen eine Mischung, die weder extra nativ noch meist aus dem deklarierten Ursprungsland stammte", erklärte uns der Staatsanwalt Aldo Natalini. Auch wenn sich schon jeder Großkunde fragen müsse, wie es denn möglich sei, zum Preis von nur zwei Euro ein Olivenöl der höchsten Klasse zu produzieren.

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Für ein gutes Olivenöl sollte man bereit sein, mindestens 15 Euro pro Liter zu zahlen.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Andreas März, Herausgeber der Zeitschrift Merum, weist seit Jahren auf den Skandal der vermeintlich italienisch und extra nativen Olivenöle hin. "Allenfalls 10-15 Prozent der Olivenöle, die heute um 4-5 Euro pro Flasche als vermeintliche extranative Olivenöle auf dem Markt sind, kommen wirklich aus Italien oder sind extra nativ. Sie sind 'italian sounding'. Ein italienisch klingender Name auf dem Etikett, winzig klein auf der Rückseite steht dann 'abgefüllt in Italien aus Oliven der Europäischen Union'."

Das Panschen der Olivenöle unterschiedlichster Sorten ist nach EU-Normen erlaubt, nicht jedoch der Einsatz von "Lampant-Ölen": "Dies ist die eine Art von Betrug, die wir der Firma vorwerfen. Sie haben in Zusätzen von 5-15 Prozent solche Olivenöle zugesetzt, die eigentlich nur in die Raffinerie kommen sollten, der andere Betrug war es eben, die Herkunft falsch zu deklarieren."

Massenprodukte machen Qualität kaputt

Im Sommer 2012 wurden die Öle in der Firma dann beschlagnahmt und aus dem Handel genommen. Doch alle Experten sind sich einig: Der Großteil der im letzten Jahr in Deutschland verkauften 56 Millionen Liter Olivenöl, laut Etiketten alles extranativ und zu 75 Prozent angeblich aus italienischen Oliven gepresst, sind weder extranativ noch italienisch.

"Möglich ist dieser gigantische Betrug am Verbraucher, weil die Kunden, aber nicht nur in Deutschland, sondern auch bei uns hier in Italien, den Geschmack von echtem Olivenöl, welches frisch gepresst wurde, also in Wirklichkeit ein Fruchtsaft, gar nicht kennen," sagt Alessandro Damiani, ein Olivenbauer aus Umbrien, der sich mit allergrößtem Aufwand um die Produktion eines Spitzenöls der Klasse DOP bemüht, wie immer mehr Bauern Italiens.

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Die Olivenernte ist aufwendig.

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Die Preise aber werden von den Massenprodukten kaputt gemacht und der Kunde glaubt dem täuschenden - aber legalen - Etiketten. Auf der Strecke bleiben der Bauer und der Verbraucher. Die Ironie der Geschichte ist, dass selbst die Olivengroßabfüller wirtschaftlich am Krückstock gehen. Der spanische Weltmarktführer Deoleo SA (Marken: Bertolli, Carapelli, Sasso) hat die Anzahl der Angestellten innerhalb von drei Jahren von 2149 auf 735 im Jahr 2013 reduziert, um die Schulden von 1,5 Milliarden Euro auf 500 Millionen abzubauen.

Schlaue Betrüger kommen durch

Zurück zu den Ölmischern in Italien. Der Eigentümer der Firma AOV verteidigt sich, indem er sich auf die EU-Normen beruft, die das Mischen der Öle erlaube, die Grenzwerte festgelegt habe, die er mit seinen Produkten immer eingehalten habe. Und das, was man in seinen Zisternen gefunden habe, seien eben Vorprodukte gewesen. Die Staatsanwaltschaft hält dies für Ausreden, denn aus den abgehörten Gesprächen gehe eindeutig hervor, dass allen Beteiligten klar sei, dass es ihnen um Betrug gegangen sei. Ein Dialog sei dafür allein schon erhellend, wenn sich der Großkunde Salvadori über die miese Qualität des Öls beschwere, und der Eigentümer der AOV ihm dann antworte: "Was erwartest du denn für 1,82 Euro den Liter?" Antwort: "Ja, okay, aber es muss wenigstens so aussehen wie echtes extranatives Olivenöl." Den Anschein haben. Das ist es, und das erlaubt leider eine extrem den Mischern auf den Leib geschneiderte europäische Norm.

"Als Kontrolleure haben wir es ungeheuer schwer", meint der Chef des Anti-Betrugslabors der Lebensmittelpolizei ICCRF in Perugia, Maurizio Ingi. "Natürlich schaffen wir es noch, allein bei uns hier im Labor von Perugia, welches das zentrale für Italien ist, etwa 70 Betrugsfälle pro Jahr aufzudecken. Aber das sind, ehrlich gesagt, die schlampigen Betrüger, die keine guten Betriebschemiker haben." Die anderen, die schlauen, die stellen heute ein angebliches Extra Natives Olivenöl aus Italien her, bei dem bestenfalls ein gewisser Prozentsatz des Öls aus Italien kommt: 100 Prozent italienisch sind nur die Glasflasche und der Verschluss.

Ein Säuregrad von 0,8 Prozent, wie es die EU-Norm bei extranativem Olivenöl festlegt, unterschreiten selbst noch Öle, die man wochenlang auf dem Feld vergammeln lässt. Grenzwerte für die Äthylessigsäueresther von 75mg/Liter Öl, das ist ein Indikator für gammelige Oliven, sind so hoch angesetzt, dass jeder Panscher sie durch Mischen unterschreiten kann, selbst die neue Grenze von 35 Milligramm reicht da nicht: "Meine frisch geernteten Olivenöle haben ein Zehntel und weniger dieser Werte", meint dazu der umbrische Olivenbauer Alessandro Damiani, Jungbauer und Eigentümer einer modernen Ölmühle, er stellt nur DOP und Bio-Öle her. "Kein wirklich frisch gepresstes Olivenöl hat so schlechte Werte, wie sie die Europäischen Normen erlauben. Das sind Normen, die wir die Gebrauchsanweisung zum Panschen aussehen." Und das ist ja auch die Verteidigungslinie der Mischer. Sie stellen am Ende perfekt legale Produkte her - wohlgemerkt am Ende der Produktion.

Zwei Liter Öl pro Baum

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Viele Kilogramm Oliven müssen geerntet werden, um ein Liter Öl pressen zu können.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die heutigen Preise aber erlauben einem echten Olivenölbauern kaum das Überleben: "Bedenken Sie bitte: Ein Baum gibt pro Jahr zwei Flaschen Olivenöl, das wären dann vier Euro? Davon muss ich sechs Arbeitsgänge bezahlen? Das ist doch Wahnsinn. Ein gutes Olivenöl sollte wie ein Wein kosten, mindestens 20 Euro die Flasche. Dann bekommt der Verbraucher auch Qualität, Geschmack und Gesundheit."

Offiziell heißt es natürlich nicht Panschen, sondern "blending" - Italian blending. Das Produkt muss nach Italien klingen, dem Namen nach, sollte es wenn möglich natürlich auch in Italien "hergestellt", also abgefüllt sein, und im winzig Kleingedruckten schreibt man dann: "Hergestellt aus Olivenölen aus dem Mittelmeerraum."

Das ist so, als ob man einen Wein verkauft, auf dessen Etikett steht: Wein aus Trauben der letzten zwei bis drei Jahre, Rebsorte unbekannt, wird ja auch gar nicht erst erwähnt, und dann als Anbaugebiet: Mittelmeerraum. Das gab es zu Zeiten des Liebfrauenmilch-Weins vor 100 Jahren, aber heute drängt jeder Weintrinker auf genaue Lagenbezeichnung, Jahrgang, Rebsorte, den Namen des Produzenten und des Weingutes genau zu kennen.

Verbraucher müssen umdenken

Beim Olivenöl aber gibt sich der Verbraucher mit geschmacksarmen Mischölen zufrieden. "Wir sollte es dem Verbraucher klipp und klar sagen, wer heute ins Supermarktegal greift und dort einen Liter Olivenöl, vermeintlich extranativ und aus Italien, zu einem Preis unter 15 Euro den Liter erwirbt, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit einem Betrug aufgesessen."

"Der ganze Betrug wird nur aufhören", meint Andreas März, "wenn der Verbraucher lernt ein gutes Olivenöl geschmacklich von einem schlechten Produkt zu unterscheiden. Wenn er begreift, dass ein Olivenöl nach der Frucht schmecken muss, ein wenig nach Artischocke, frischem Gras, Distel, dass es einen bitteren Geschmack hat und dann wegen der Schärfe auch im Hals kratzt." Eigenschaften, die auf einen hohen Gehalt an Polyphenolen hinweisen, auf die Antioxidantien, die im echten Olivenöl vom Baum einen Anteil von bis zu 800mg pro Liter erreichen, in den Mischölen kaum noch ein Zehntel davon.

"Eine Mindestgarantie hat der Verbraucher nur, wenn er DOP-Öle kaufte, da sind Herkunft und Pressung garantiert. Am besten aber sollte er die Hersteller kennenlernen, ihre Namen, ihre Olivenöl-Sorten. Oder wussten Sie etwa, dass es in Italien fast 300 verschiedene Olivensorten gibt, die alle anders schmecken?" Marco Viola, ein Olivenbauer mit eigener Ölmühle, Hersteller eines der am meisten ausgezeichneten DOP-Öle Italiens, setzt auf Intelligenz und den Geschmackssinn der Kunden. "Wer einmal ein unverfälschtes Produkt probiert hat, ist für die "Blend-Öle" für immer verdorben, das ist unsere Hoffnung!"

*) Update: Die Firma Monini SpA teilt uns mit, dass sie vom Sommer 2011 bis Mai 2012, also in dem Zeitraum, auf den sich die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Siena bei der Azienda Olearia Valpesana beziehen, kein Olivenöl von der Firma AOV bezogen hat. Sie habe stattdessen Olivenöle von der Firma AOV im Oktober 2009 und nach der Aufdeckung des Skandals, im Zeitraum September bis Dezember 2012 erworben, nach der Kontrolle der Olivenöle bei der Firma AOV und nachdem die Öle den europäischen Normen entsprechend richtig etikettiert worden seien. Die von Monini SpA bei der Firma AOV erworbenen Öle seien, so schreibt es uns Monini, "extra native Olivenöle exzellenter Qualität" gewesen, dies hätten die "Analyse-Zertifikate" ergeben.

Anmerkung der Redaktion: Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft von Siena, die abgehörten Gespräche und die gefundenen Dokumente in der Firma sowie die Analyse der unvermischten Olivenöle in den einzelnen Zisternen ergaben in den Augen der Staatsanwaltschaft, dass das Endergebnis der Öl-Mischungen immer ein technisch-analytisch einwandfreies Olivenöl der Klasse "extra-nativ" war, wie es die europäischen Normen erfordern. Die Analyse der Öle beim Kunden, in diesem Falle bei Monini SpA, entspricht deswegen der Erfahrung auch der Ermittler.

Quelle: ntv.de

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