Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung Zum Start bleibt Vieles ungeklärt
01.08.2013, 10:32 UhrGibt es nun genug Kitaplätze oder nicht? Ab heute wird es sich zeigen, denn nun gilt der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung. Noch gibt es viele Unsicherheiten: Können Eltern immer zwischen Kita und Tagesmutter wählen? Sollen sie sich notfalls einklagen? Ja, sagt Familienministerin Schröder. Denn viele Details dürften erst auf dem Rechtsweg geklärt werden.

Ob Eltern zwischen Tagesmutter und Kita wählen dürfen, ist noch ungeklärt.
(Foto: picture alliance / dpa)
Ab heute gilt es: Ein- und Zweijährige müssen einen Betreuungsplatz erhalten, wenn die Eltern das wollen. Kaum ein Thema hat bundesweit einen solchen Kraftakt ausgelöst wie der neue Rechtsanspruch. Ob das massiv ausgeweitete Angebot in den Kommunen ausreicht, bleibt aber ungewiss. Zwar haben sich die meisten Städte und Kommunen nochmal mächtig ins Zeug gelegt, doch schon jetzt ist sicher, dass nicht überall den Elternwünschen nachgekommen werden kann.
Was tun, wenn Eltern für ihr Kleinkind leer ausgehen?
Schickt das Jugendamt einen Ablehnungsbescheid, müssen die Eltern innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen. Dann hat die Kommune in einigen Bundesländern nochmal drei Monate Zeit für ein Alternativangebot. Für die meisten Eltern dürfte das Procedere zu langwierig sein. Um die Sache zu beschleunigen, kann man parallel zum Widerspruch einen einstweiligen Rechtsschutzantrag bei zuständigen Verwaltungsgericht stellen. Dieses Eilverfahren ist für Eltern relativ risikolos, schließlich ist der Anspruch ja unbestritten. Gerade erst hat Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) Eltern geraten, von diesem Klagerecht Gebrauch zu machen.
Schon seit Monaten werben Kanzleien um klagewillige Eltern. Wer sich keinen Anwalt nehmen will, kann den Rechtsschutzantrag aber auch selbst einreichen, ein formloser Brief reicht aus. Manche Anwälte halten es ohnehin für sinnvoller, selbst initiativ zu werden und das Kind privat – und damit oft teurer – unterzubringen. Die Mehrkosten kann man dann via Schadenersatzverfahren von der Kommune einzufordern. Dazu müssen Eltern allerdings dokumentieren, dass sie alles versucht haben, um einen regulären Platz zu bekommen.
Können Eltern immer zwischen Kita und Tagesmutter wählen?
Laut Gesetz besteht ein Recht auf Frühförderung in einer Tageseinrichtung oder in der Kindertagespflege. Was das genau heißt, wird sich aber erst aus der Rechtsprechung ergeben. Manche Rechtsexperten bewerten das ausdrücklich als Entweder-Oder-Wahlrecht. Thomas Meysen vom Institut für Jugendhilfe und Familienrecht sagt dagegen, man müsse auch die jeweils andere Alternative akzeptieren, wenn nicht beide Varianten zur Verfügung stehen. Und das wird nach Ansicht des Städtetags definitiv nicht überall der Fall sein.
Bisher hat nur das Verwaltungsgericht Köln in einem Eilentscheid erklärt: Wer einen Kita-Platz will, muss einen Kita-Platz bekommen - wer Tagespflege will, muss Tagespflege bekommen. Das Oberverwaltungsgericht Münster könnte die Entscheidung aber wieder kassieren. Der Bund geht bei seinen Planungen davon aus, dass zwei Drittel der Plätze in Kitas, ein Drittel in der Tagespflege angeboten werden - und dass bei dieser Verteilung der Bedarf dann nahezu überall gedeckt werden könne.
Welche Variante ist denn besser?
Kita und Tagespflege stehen gleichwertig nebeneinander. Der Bund geht davon aus, dass gut zwei Drittel aller Plätze in einer Tageseinrichtung und rund 30 Prozent bei Tagesmüttern oder -vätern bereitstehen. In Kitas muss mindestens eine Kraft ausgebildete Erzieherin sein. Gruppengröße und Betreuer-Kind-Schlüssel legen die Länder fest, im bundesweiten Durchschnitt liegt er bei 1:4,5, wobei die Relation in den ostdeutschen Ländern in der Regel etwas schlechter ausfällt.
Tagesmütter können maximal fünf Kinder daheim aufnehmen oder kommen mitunter auch in den Haushalt der Eltern. Sie werben mit Flexibilität und Familienähnlichkeit. Tagesmütter müssen eine 160-Stunden-Qualifizierung absolvieren und brauchen vom Jugendamt eine Pflegeerlaubnis.
Was ist wichtig für das Wohl der Kleinsten?
Kontinuität und Verlässlichkeit gehören dazu. Wird ein einjähriges Kind nur an zwei Tagen in der Woche gebracht, bleibt es immer fremd in der Gruppe. Regelmäßigkeit im Tagesablauf gibt den Kleinsten Sicherheit. Umstritten ist die Übernacht-Betreuung. Das Kind sollte niemals im Schlaf oder Halbschlaf in die Einrichtung kommen und immer von derselben Betreuungsperson zu Bett gebracht werden, die es dann am nächsten Morgen auch weckt. Mehr als 45 Wochenstunden externe Betreuung gelten als nicht förderlich.
In welchem Umfang haben Eltern Anspruch auf Betreuung?
In der Regel werden Halbtagsplätze angeboten. Ein- und zweijährige Kinder haben darauf auch dann einen Anspruch, wenn deren Eltern nicht arbeiten gehen. Das Angebot soll aber dem Bedarf der Eltern entsprechen. Wem ein Halbtagsplatz nicht reicht, der muss seinen erhöhten Bedarf nachweisen. Ob dabei Schichtarbeiter auch ein Übernacht-Angebot beanspruchen können, muss möglicherweise individuell geklärt werden.
Was gilt als zumutbar?
Der Platz muss in zumutbarer Nähe liegen - bisher wird das überwiegend definiert mit rund einer halben Stunde Zeitaufwand für eine Strecke. Der Kölner Eilentscheid zieht die Grenze im städtischen Bereich bei einem Radius von fünf Kilometern. Aber auch dagegen klagt die Stadt, das letzte Wort ist also noch lange nicht gesprochen.
Eltern mit speziellen Wünschen, etwa nach einer integrativen Gruppe oder Montessori-Pädagogik müssen auf jeden Fall mit längeren Wegen rechnen, vielerorts aber wohl auch Absagen hinnehmen, weil die Kapazitäten nicht ausreichen.
Ist das Betreuungsgeld eine Alternative?
Eltern, die für ihre Kleinkinder weder einen staatlich geförderten Kita-Platz noch eine Tagesmutter in Anspruch nehmen, können ab dem 1. August das Betreuungsgeld beantragen. Es beträgt zunächst pro Kind 100 Euro monatlich, ab 1. August 2014 gibt es dann 150 Euro - steuerfrei. Das Geld wird nur für Kinder bezahlt, die ab dem 1. August 2012 geboren wurden. Grundsätzlich kann das Betreuungsgeld ab dem 15. und bis zum Ende des 36. Lebensmonats des Kindes bezogen werden. Voraussetzung ist, dass kein Anspruch mehr auf Elterngeld besteht. Beziehen Vater und Mutter parallel Elterngeld, kann der Anspruch schon vorher aufgebraucht sein. Dann kann das Betreuungsgeld schon früher fließen - insgesamt aber nicht länger als 22 Monate.
Quelle: ntv.de, ino/dpa