Uruguays Küste ist vielfältig "Mad Max" im Hippieparadies
13.12.2016, 10:10 Uhr
Der Leuchtturm von Cabo Polonio kann sich sehen lassen.
(Foto: Julian Vetten)
Das kleine Land in Südamerika findet in den Reiseplänen europäischer Touristen eher selten einen Platz. Zu Unrecht: Die malerische Küste Uruguays ist fast überall ein Genuss - allerdings nicht unbedingt dort, wo man es erwartet.
Der umgebaute NVA-Laster, der den Besucher ans "Ende der Welt" bringen soll, sieht aus, als wäre er direkt aus einem "Mad Max"-Film gefallen: Die Sitzbänke sind wild zusammengeschweißt, an die Seite hat jemand "Optimus Prime" gesprüht und Chauffeur Pablo bereitet sich auf seine nächste Tour vor, indem er abwechselnd an einem enormen Joint zieht und gewaltige Schlucke aus der Literpulle "Zillertal" nimmt, die lässig in seiner Armlehne ruht. "Das Ende der Welt", wie Pablo nicht müde wird zu betonen, heißt eigentlich Cabo Polonio und ist ein Fischerdorf an Uruguays Ostküste. Der Clou an Cabo Polonio: Das Dorf hat weder Strom noch eine Straßenanbindung und ist nur zu Fuß oder mit einem der umgebauten DDR-Laster über eine Sandpiste zu erreichen. Unter Backpackern aus aller Welt sowie argentinischen und brasilianischen Alternativtouristen ist Cabo Polonio deshalb seit einigen Jahren zum Goa Südamerikas aufgestiegen - oder sollte man sagen: ausgestiegen?
Das Problem mit magisch aufgeladenen Orten wie Cabo Polonio ist der altbekannte Gentrifizierungskreislauf. Je mehr Menschen den Ort kennen und sich davon angezogen fühlen, desto mainstreamiger wird er: Die Einheimischen merken, dass man mit Touristen Geld verdienen kann und das Geld sorgt dafür, dass der Ort von einer authentischen Erfahrung zu einer Art Erlebnispark verkommt. Wer jetzt aufschreit, dass dieser Artikel doch genau das befeuert, kommt leider zu spät: In Cabo Polonio ist all das längst geschehen. Alleine das Parken des Wagens am Eingang des Nationalparks kostet umgerechnet zehn Euro, genauso die Fahrt ins Dorf selbst und zurück. Wer den Fehler macht, sich dort ein Hostel zu nehmen, darf zwar authentischerweise ohne Strom auskommen, muss aber trotzdem überdurchschnittliche Preise zahlen und wird die ganze Nacht von der Internationalen des Backpackerbusiness wachgehalten: Manu Chao, Bob Marley und Gespräche über den Niedergang des Kapitalismus, bevor man zwei Tage später wieder ins Nine-to-five-Business einsteigt. Klar, die Seelöwenkolonie, der Leuchtturm und die phänomenal starken und in Uruguay durchaus legalen Spacecakes sprechen für Cabo Polonio - aber das kann man auch an anderen Orten in dem kleinen südamerikanischen Land haben.
Für einen Appel und ein Ei die Seele baumeln lassen

Ob der Bau eines Trump Towers in Punta del Este eine gute oder eine schlechte Nachricht für das Land ist, sollte jeder für sich selbst entscheiden.
(Foto: Julian Vetten)
Es ist ein merkwürdiges Gefühl, wenn der Geheimtipp zum ausgetretenen Pfad und der vermeintliche Mainstream-Urlaubsort zur Wohlfühloase wird - im Fall von Cabo Polonio und dem 50 Kilometer weiter nördlich gelegenen Punta del Diablo ist aber genau das der Fall: Ebenjene "Teufelsspitze" gibt erfrischenderweise nicht vor, etwas zu sein, das sie nicht ist, sondern bleibt trotz ihrer touristischen Ausrichtung so authentisch wie möglich. Eine Vielzahl gemütlicher Cabañas, wie die zumeist liebevoll eingerichteten Ferienhäuser hier heißen, laden dazu ein, mal so richtig die Seele baumeln zu lassen. Wer nicht gerade in der Hauptsaison zwischen Weihnachten und Ende Februar anreist, kann all das für einen Appel und ein Ei bekommen und dazu noch einen einzigartigen Meerblick und ein Gefühl des Friedens, die ihresgleichen suchen.
Punta del Diablo hat seinen Namen nicht von ungefähr. Die Gewässer vor der Küste sind das krasse Gegenteil zum friedlichen Ferienort selbst. Dutzende Schiffe liefen hier in den vergangenen Jahrhunderten in den verborgenen Untiefen auf Grund, weshalb auch Punta del Diablo über einen beachtlichen Leuchtturm verfügt, nur einen kurzen Spaziergang vom pittoresken Dorfkern entfernt. Ein weitläufiger Sandstrand und eine für uruguayische Verhältnisse erstaunlich kosmopolitische Küche komplettieren diesen Urlaubsort, der keinen Vergleich mit seinen klimatisch ähnlichen südfranzösischen oder italienischen Pendants zu scheuen braucht.
Ganz anders sieht es dagegen in Punta del Este aus: Die knapp 130 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt gelegene Bettenburg ist so etwas wie das Mallorca Uruguays. Wer also weder auf Trichtersaufen noch auf einen allgemeinen Mangel an Stil steht, ist im Lieblingsurlaubsort wohlhabender Argentinier eher falsch und sollte seinen Blick lieber auf das weitere 100 Kilometer östlich gelegene La Pedrera richten. Hier, genauso wie im wenige Kilometer entfernten Paloma, liegt der Fokus zwar ebenfalls auf der Beherbergung großer Touristenströme - allerdings haben sich die beiden Orte, ebenso wie Punta del Diablo, dabei ihre Seele bewahrt. Annehmbare Preise, unvorstellbar freundliche Einheimische und traditionelle Parillas (Steakhäuser) sprechen davon Bände. Oder, um den Unterschied an einem kleinen Satz festzumachen: In Punta del Este wird gerade ein Trump Tower fertiggestellt, der passende Slogan: "Ultra exclusive becomes reality." Noch Fragen?
Quelle: ntv.de