Reise

Traumhafte Ruhe Urlaub auf der Hallig

Urlauber, die nach Hooge, Oland oder Gröde fahren, erwarten keine Szene-Bars und keine Trend-Locations. Die wachsende Zahl der Touristen, die es in diesen Mikrokosmos im hohen Norden zieht, kommt gerade, weil es so etwas auf den Halligen nicht gibt.

Seit Februar 2005 dürfen sich die Halligen Biosphärenreservat der Unesco nennen, eine "Modelllandschaft für nachhaltige Lebens- und Wirtschaftsweisen". Das klingt nicht nach der Sprache, die auf den Halligen gesprochen wird, schon weil Plattdeutsch hier im Alltag noch verbreitet ist.

Aber es passt doch, findet Volker Mommsen. Der Bürgermeister von Hallig Gröde sitzt in der Küche seines Hauses und lässt den Bügelverschluss seiner Bierflasche knallen: Seit genau 17 Jahren ist er im Amt, Bürgermeister einer kleinen verschworenen Gemeinschaft mit 19 Einwohnern. Insgesamt 9 heißen Mommsen und sind allesamt verwandt.
Nachhaltige Wirtschaftsweisen gibt es auf Gröde fast unvermeidlich. Auf der Hallig gibt es zwar vier Trecker, aber keine Autos. Industrie oder andere Wirtschaftsbetriebe, die die Umwelt verschmutzen könnten, fehlen ganz. "Wir haben noch einen Landwirt im Nebenerwerb", sagt Mommsen. Das ist sein jüngerer Bruder, der 34 Schafe sein Eigen nennt. Im Sommer kommen außerdem rund 60 Rinder vom Festland auf die Hallig, so genanntes Pensionsvieh, das sich mal so richtig satt fressen soll.

Wichtiger als die Landwirtschaft ist längst der Tourismus: Fünf Ferienwohnungen gibt es mit 18 Betten. "In der Hauptsaison kommen vor allem Familien mit Kindern", sagt Claudia Mommsen, eine der beiden Vermieterinnen. Viele Stammgäste buchen lange im Voraus. "80 Prozent der Anfragen kommen über das Internet." Manche Urlauber können gar nicht genug von Gröde bekommen: "Eine Schweizerin ist mal für drei Monate geblieben." Und die ersten Buchungen für 2007 sind bereits notiert.

Dabei ist auf Gröde nicht viel los: Es gibt kein Kino, keine Kneipe, kein Caf, eigentlich gar nichts außer grünen Weiden mit Schafen, ein paar Reetdachhäusern und viel Wasser drum herum. "Die Urlauber können spazieren gehen, Bernstein suchen oder in der Sonne sitzen", sagt Bürgermeister Volker Mommsen. "Das ist besser als jede Meditation."
Viel los ist auch auf Oland nicht. Die kleine Hallig zählt 17 Wohnhäuser mit 28 Einwohnern. "Kühe gibt es nicht mehr", sagt Markus Petersen, Kapitän im Ruhestand. "aber eine Schafherde mit 60 Tieren." Die winzige Hallig rühmt sich des einzigen Leuchtturms mit Reetdach und hat eine eigene Halligschule, in der von der einzigen Lehrerin derzeit vier Schüler unterrichtet werden.

Hauptsehenswürdigkeit ist die kleine 1824 erbaute Halligkirche mit einem Taufbecken aus dem 13. Jahrhundert und einem Schiffsmodell, das einst ein Kapitän gestiftet hat, der glücklich aus Seenot gerettet wurde. Auch wer nach Oland kommt, will seine Ruhe haben - und die ist zwischen den reetgedeckten Friesenhäusern so gut wie sicher.

Hooge, die "Königin der Halligen" gilt dagegen schon fast als quirlige Touristenhochburg. Vor allem im Hochsommer gibt es viele Tagesgäste, die für ein paar Stunden mit der Fähre rüberkommen. Die "3-K-Touris" werden sie genannt - für Kutsche, Kneipe und Königspesel.

Kutschen sind ein Hooge-typisches Verkehrsmittel - beim schlimmsten Verkehrsunfall der vergangenen Jahrzehnte rutschte eine davon in den Graben. Verletzt wurde niemand. Kneipen gibt es gleich neun Stück, das ist bei 120 Einwohnern nicht nur Halligrekord, sondern sogar die höchste Kneipendichte Deutschlands. Und der Königspesel in einem alten Kapitänshaus ist eine der Hauptattraktionen.

Zehn Warften gibt es auf Hooge, neun davon bewohnt. Die Einwohnerzahl war schon einmal höher: "Im 17. Jahrhundert lebten hier rund 350 Menschen", erzählt der stellvertretende Bürgermeister Dieter Nebendahl. "Heute sind es 120." Lange Zeit drohten die Halligen buchstäblich zu verschwinden. Dass sie nun Biosphärenreservat sind, findet auch Nebendahl nur konsequent. "Das wird sich langfristig auszahlen." Denn an Touristen, denen Natur und Umwelt nicht egal sind, ist Halligbewohnern wie dem Kommunalpolitiker gelegen. Schon jetzt kommen immer mehr Jugendgruppen nach Hooge, um das "Ökosystem Wattenmeer" kennenzulernen.

Nirgendwo ist das so gut möglich wie im Wattenmeerhaus. Dessen Leiter Günther Wolff ist erst Mitte Februar hierher gezogen. "Mein Bekanntenkreis war sofort gespalten", erzählt er. "Die einen sagten, wie kannst du das bloß machen, die anderen fanden es toll." Wolff selbst ist längst mit dem Hallig-Virus infiziert: "Das Tolle hier ist die Weite", sagt er, "dass es keine Deiche gibt und dass man fast überall das Meer sehen kann."

Die Ausstellung im Wattenmeerhaus ist noch fast so frisch wie Wolffs Halligerfahrung: Im früheren Haus des größten Bauern der Hanswarft, das heute über 25 Betten verfügt, ist sie im April 2004 neu gestaltet worden. "Viele Schulklassen kommen zu uns", sagt Wolff. Gerade für Großstädter sei der Halligaufenthalt oft ein Erlebnis. "Die kommen an und sind hier umgeben von Vogelschwärmen."

In der Ausstellung zu sehen ist zum Beispiel ein Modell der Salzwiesen mit Schlickwatt, Prielen, Miesmuscheln und Austernfischern. Informationen finden sich aber auch zum Hallig-Alltag -zu den beiden letzten Voll-Landwirten etwa.

Von Wolffs Arbeitsplatz aus sind es zu Fuß nur ein paar Minuten bis zur Küste. Er und seine Mitarbeiter bieten Führungen durch die Salzwiesen an, die bei Landunter regelmäßig überspült werden, auch ornithologische Touren und Wattwanderungen, zum Beispiel nach Japsand, einer Sandbank westlich von Hooge. Japsand verändert kontinuierlich seine Form und nähert sich derzeit jedes Jahr 20 Meter an Hooge an. Alles kann ganz anders kommen. Aber wenn es so weiter geht, erreicht Japsand die Hallig 2060. Dann hätte Hooge sogar einen eigenen Sandstrand.

Informationen: Touristikbüro Hallig Hooge, Hanswarft 1, 25859 Hallig Hooge (Tel.: 04849/91 00); Claudia Mommsen, Knudswarft, 25869 Hallig Gröde (Tel.: 04674/3 02); Fremdenverkehrsbüro Langeneß und Oland, Ketelswarft 3, 25863 Langeneß (Tel.: 04684/2 17).

Quelle: ntv.de

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