Spekulation mit Nahrungsmitteln Aigner kritisiert Deutsche Bank
22.01.2013, 18:31 Uhr
Finanzgeschäfte und Spekulationen passen nicht zusammen, finden die Gegner derartiger Derivate.
(Foto: AP)
Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner schlägt sich auf die Seite der Gegner von Börsenspekulationen mit Nahrungsmitteln. Sie kritisiert die Entscheidung der Deutschen Bank, wieder in diese Geschäfte einzusteigen. "Die Deutsche Bank hat die Zeichen der Zeit offenbar nicht erkannt."
Die Deutsche Bank wird nun auch von Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner wegen ihres Festhaltens an Finanzanlagen auf Agrarrohstoffe scharf kritisiert. "Ich erwarte, dass ein klarer Trennstrich gezogen wird zwischen verantwortungsvollen Investitionen, die hilfreich sind im Kampf gegen den Hunger, und Transaktionen, die Preisschwankungen weltweit verstärken können", sagte Aigner dem "Handelsblatt". Kritik kam auch von der Verbraucherorganisation Foodwatch, die Erläuterungen verlangte.
Aigner machte deutlich, dass derartige Finanzgeschäfte auf den Agrarrohstoffmärkten nichts zu suchen hätten. "Wer angesichts von fast 900 Millionen hungernden Menschen auf der Welt hier keinen Unterschied macht, lässt jegliches Gespür vermissen und handelt verantwortungslos", sagte die Ministerin.
Für den Anstieg der Rohstoffpreise seit einigen Jahren seien auch das Bevölkerungswachstum, Unwetter und fehlende Investitionen in die Landwirtschaft verantwortlich, betonte die Ministerin. Jedoch trage auch mangelnde Transparenz an Börsen dazu bei. "Dies kann Spekulationen mit Nahrungsmitteln anheizen und die Preisschwankungen verursachen", so die CSU-Politikerin. Sie setzt auf die Finanzmarkt-Richtlinie der EU, Mifid, die vor allem Berichtspflichten der Marktteilnehmer vorsieht. Auch der Chef der Welternährungsorganisation FAO, Jose Graziano da Silva, fordert ein stärkere Regulierung, insbesondere des Derivatemarktes.
Die Deutsche Bank hatte sich trotz vehementer Kritik von Verbraucherschützern entschieden, weiter mit Nahrungsmittel-Spekulationen Geld verdienen zu wollen. Nach einer ausführlichen Prüfung habe man "keinen Nachweis gefunden, dass die Spekulation für die Preisentwicklung verantwortlich ist", sagte Co-Vorstandschef Jürgen Fitschen am Rande der Agrarmesse Grüne Woche in Berlin. Nach einer Welle der Kritik hatte die Bank das Neugeschäft mit solchen Anlageformen im März vergangenen Jahres ausgesetzt, um sie zu überprüfen. Finanzgeschäfte auf Basis von Rohstoffen wie Mais oder Soja verschärften Preisexplosionen bei Nahrungsmitteln, warnen Gegner dieser Investitionen. Das globalisierungskritische Netzwerk Attac und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft warfen Allianz und Deutscher Bank eine "zynische Offensive gegen die Begrenzung der Agrarrohstoff-Spekulation" vor.
Deutsche Bank bleibt in der Erklärpflicht
Foodwatch forderte genauere Erklärungen des Geldinstituts. "Nicht die Hungernden müssen belegen, dass die Finanzprodukte der Deutschen Bank schädlich sind, die Deutsche Bank sollte schon nachweisen können, dass ihre Produkte unschädlich sind", sagte Geschäftsführer Thilo Bode. Eine in Aussicht gestellte umfassende Studie solle vorgelegt werden. Die Deutsche Bank verwies auf Anfrage am Dienstag auf ihre "umfassenden Erklärungen" zur Entscheidung, die bereits am Wochenende veröffentlicht wurden.
Die Allianz, die ebenfalls auf diesen Märkten aktiv ist, sprang der Deutschen Bank zur Seite und verwies auf Studien, wonach die Investitionen an Agrar-Terminbörsen Preis-Schwankungen vermindern und die Preisentwicklungen für die Landwirtschaft berechenbarer machen. Der Versicherer will deshalb auch am Markt bleiben. Die Allianz hat drei Fonds, die sechs Milliarden Euro im Agrarhandel investiert haben. Ihre Anleger seien an kontinuierlichen langfristigen Erträgen interessiert, beteuerte der Konzern. Auch die Landwirtschaftliche Rentenbank glaubt, dass die positiven Effekte des Handels überwiegen.
Der Wirtschaftsethiker Ingo Pies von der Universität Halle-Wittenberg ist überzeugt davon, dass Hungerkrisen nicht finanzwirtschaftlich verursacht werden, sondern realwirtschaftliche Ursachen haben. Der Professor untersuchte 35 Forschungsarbeiten über den Einfluss von Finanzspekulationen auf die Agrar-Rohstoffmärkte. Demnach seien die Spekulationen auf Weizen zwischen 2004 und 2006 massiv gestiegen. Die Preise seien aber erst zwischen 2007 und 2008 nach oben gegangen. "Die Terminmärkte waren Bote der Nachricht, dass es realwirtschaftlich knapp wird. Sie waren nicht der Verursacher", sagte Pies.
Quelle: ntv.de, sla/dpa/rts