Wirtschaft

Mehdorn ist im Chaos zu Hause Die größte Knautschzone Deutschlands

Und wieder gibt es Skandalmeldungen über den neuen Hauptstadtflughafen: Von verlorenen Akten und falschen Planern ist die Rede. Aber BER-Chef Mehdorn steckt alle Kritik wie gewohnt weg. Im n-tv Interview ist er trotzdem etwas kleinlaut.

Seit über einem Jahr ist Hartmut Mehdorn nun Flughafenchef am BER und allen vollmundigen Ankündigungen zum Trotz gibt es immer noch keinen Finanzplan, geschweige denn einen Eröffnungstermin. Stattdessen immer wieder neue Skandale. Der Mann an der Spitze ist der Master of Desaster am BER. Wer denkt, das könnte ihn erschüttern, täuscht sich. Mehdorn kann austeilen, das ist bekannt, aber seine Nehmerqualitäten sind vielleicht noch größer. Was da auf der Strecke passiert sei, sei schrecklich und "schwer zu vermitteln", räumt Mehdorn im n-tv Talk Spezial mit Heiner Bremer ein, trotzdem hält er an der Aussage fest: "Wir haben alles im Griff".

In dieser Woche machte das Flughafenprojekt mit wieder neuen peinlichen Enthüllungen von sich reden. Ein Planungsbüro verlor vertrauliche Flughafen-Akten, die im Berliner Müll wieder auftauchten. Nachdem bereits Korruptionsermittlungen gegen einen ehemaligen Planer laufen, scheint ein anderer offenbar ein Hochstapler gewesen zu sein. Doch die Tatsache, dass dieser geschasste Planer der Entrauchungsanlage, Alfredo di Mauro, gar kein Ingenieur, sondern nur Technischer Zeichner gewesen ist, kann Mehdorn nicht erschüttern.

"Di Mauro war nur ein Teil", "skurril" seien doch vielmehr die Vergabe von Arbeiten und die Arbeitsteilung im Frühstadion des Flughafenbaus gewesen, spielt Mehdorn die Bedeutung einzelner Verantwortlicher in Führungspositionen herunter. Als er Technik-Chef Jochen Großmann vor wenigen Wochen feuerte, war er noch deutlich heißsporniger unterwegs. Ihn ärgere, dass "jetzt der Eindruck erweckt werde, das ganze Bauprojekt sei korrupt". Die Suche nach weiteren Korruptionsverdachtsfällen in der Betreibergesellschaft kommentierte er denn auch mit den klaren Worten: "Wenn wir einen erwischen, machen wir ihn platt." Eine Wortwahl, die nicht untypisch für den Vollblut-Manager ist und ihm auch schon den Ruf eingetragen hat, cholerisch zu reagieren.

Wie viele Leichen liegen im Keller?

Als Mehdorn im März 2013 sein Amt antrat, war klar, dieses Projekt braucht einen harten Hund. Nach über zwanzig Jahren Planungs- und Bauphase und drei abgesagten Eröffnungsterminen war klar, dass hier vieles im Argen liegen musste. Dass es mit Terminen eng und mit dem Geld knapp werden würde, konnte sich jemand wie Mehdorn an dem Punkt wahrscheinlich an fünf Fingern ausrechnen. Als die Köpfe am BER zu rollen begannen, war die erste Reaktion in der Öffentlichkeit Genugtuung. Aber der Ärger nahm kein Ende. Dass es so dicke kommen würde, damit hat wohl selbst dieser harte Hund Mehdorn nicht gerechnet.

Richtig ist, dem Projekt wurde das Chaos mit in die Wiege gelegt. Mehdorn fällt es deshalb auch leicht, jede Schuld weit von sich zu weisen. Kritiker würden häufig vergessen, dass er nicht derjenige sei, "der die letzten acht oder zehn Jahre auf diesem Flughafen zu verantworten hat".  "Ich bin gekommen, um diesen Flughafen aus einer schwierigen Situation herauszuführen und fertig zu stellen", so Mehdorn bei Bremer. Und daran werde weiter gearbeitet, Teile des Flughafens würden bereits jetzt, "verschränkt und parallel zur Fertigstellung" von der Bauaufsicht abgenommen. Was das konkret heißt, was tatsächlich fertiggestellt und abgenommen ist, lässt er jedoch offen.

Ideen, das BER-Projekt wegen der unwägbaren Kosten zu beenden, verbucht Mehdorn einmal mehr unter Stimmungsmache. "Wer so was sagt, der stellt nur unter Beweis, dass er wirklich inkompetent ist und Missinformation und schlechte Stimmung verbreiten möchte." Alle wollten diesen Flughafen "skandalisieren". Zu mehr lässt er sich nicht hinreißen.

Dabei ist klar, dass es beim Thema Geld noch einige böse Überraschungen geben wird. Bereits jetzt soll es in Berlin und Brandenburg Gedankenspiele geben, das Pannenprojekt BER vor seinem Start radikal auf Kosten des Steuerzahlers zu entschulden. Finanzielle Altlasten sollen dafür in eine Art Bad Bank ausgelagert werden. Wie das konkret aussehen wird, darf mit Spannung erwartet werden.

Arbeit für Historiker

Viele Themen rund um den BER verweist Mehdorn in den Bereich der Wissenschaften. Auch die Frage, ob die Politik zu viel Einfluss auf die operativen Aufgaben nimmt, hat für Mehdorn keine Priorität. Es sei ein "Strauß von Dingen", irgendwann werde das wohl alles "aufgearbeitet werden". Für ihn bleibe das zentrale Thema die Beendigung des Flughafenprojekts.

Ob Mehdorns Zeit als BER-Chef reicht, um den Pfusch am Bau aufzuarbeiten, steht in den Sternen, denn sein Vertrag läuft 2016 aus. Wenn er es bis dahin schaffen will, muss es schnell gehen. Siemens braucht angeblich schon jetzt länger als 2016, um die Entrauchungsanlage zu sanieren. Gespannt darf man also im kommenden halben Jahr auf den Eröffnungstermin warten, den Mehdorn bis Jahresende versprochen hat.

Angesichts der Aneinanderreihung von Hiobsbotschaften ist es bemerkenswert, dass Mehdorn seine Zunge im Zaum hält. Vielleicht geht ihm doch langsam die Spucke aus? Vielleicht sollte das einen aber auch beruhigen: Bedeutet es doch möglicherweise, dass an Berlins "größtem ungelösten Problem", wie es Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit, seines Zeichens Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft ausdrückte, gearbeitet wird. Ob er wirklich ein Macher ist, lässt sich aus Mehdorns Aussagen nicht ablesen, auf jeden Fall ist er aber ein PR-Profi, der sich in brenzligen Situationen von gestandenen Journalisten zu keinen unbedachten Äußerungen hinreißen lässt.

Quelle: ntv.de

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