Der Süden hängt den Norden ab Deutschland droht die Spaltung
15.11.2010, 13:28 Uhr
Von der Schweiz aus blickten die Wirtschaftsforscher ins Land, und was sie sahen waren große Unterschiede.
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Auf der wirtschaftspolitischen Landkarte ist von den alten Gegensätzen zwischen Ost und West nicht mehr viel zu sehen. Einer Studie zufolge treibt vor allem Süddeutschland den Aufschwung an. Der Norden und Osten fallen zurück. Wirtschaftsforscher sehen Deutschland auf dem direkten Weg in die ökonomische Zweiklassengesellschaft.
Aus der Sicht der Forscher findet der Aufschwung in Deutschland vor allem im Süden statt: Im Bild wirbt ein Model für das Münchener Oktoberfestes, das in diesem Jahr sein 200-jähriges Bestehen feierte.
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Die wirtschaftliche Stärke mancher Städte und Kreise im Süden und Südwesten Deutschlands koppelt sich einer aktuellen Studie zufolge immer weiter von der konjunkturellen Entwicklung im Norden und Osten des Landes ab.
Sechs von sieben Spitzenstandorten mit "Top-Zukunftschancen" liegen in Bayern und Baden-Württemberg, stellte das Schweizer Wirtschaftsforschungsinstitut Prognos in dem sogenannten "Zukunftsatlas 2010" fest. Nach der für das "Handelsblatt" erstellten Untersuchung erleben zudem Großstädte ein Comeback. Für die Studie wurde die Zukunftsfähigkeit aller 412 Kreise und Städte untersucht.
Die mit Abstand besten wirtschaftlichen Perspektiven hat demnach der Großraum München. Im "Zukunftsatlas" belegen Landkreis und Stadt München die ersten beiden Plätzen des Rankings. Ebenfalls "Top-Zukunftschancen" attestierte Prognos der Stadt Erlangen, den Landkreisen Starnberg und Böblingen sowie den Städten Ingolstadt und Frankfurt am Main.
Die deutsche Hauptstadt Berlin lag dagegen abgeschlagen auf Rang 270. Prognos bescheinigte der Spree-Metropole immerhin einen "ausgeglichenen Chancen-Risiko-Mix".
Nur ein Leuchturm im Ruhrgebiet
Auch im Norden und Nordwesten sind der Untersuchung zufolge die Zukunftsaussichten nicht so günstig wie im Süden. Mit der Landeshauptstadt Düsseldorf auf Rang zehn schaffte es nur eine einzige Stadt aus Nordrhein-Westfalen in die Gruppe der 30 Standorte mit "sehr hohen Zukunftschancen". Auch aus Niedersachsen sind mit Wolfsburg auf Platz neun und Braunschweig auf Platz 22 nur zwei Städte vertreten.
Deutschlands Metropolen im Norden, Westen und Osten brauchen sich nicht zu verstecken: Das "Stollenmädchen" aus Dresden kennt die Vorteile dynamischer Metropolen.
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Dagegen droht immer mehr Regionen im Norden und Nordwesten ein wirtschaftlicher Abstieg. Für 38 Städte und Kreise in den alten Ländern sieht Prognos mehr Risiken als Chancen, im Jahr 2004 waren es nur 19. Abgerutscht sind unter anderem das nördliche Ruhrgebiet, die Eifel und die Südwest-Pfalz.
Im Osten liegen einige Spitzenstandorte mittlerweile auf Augenhöhe mit den westdeutschen Metropolen. Das gilt vor allem für Jena (15. Platz) und Dresden (32. Platz), denen "sehr hohe Zukunftschancen" bescheinigt werden.
Starke Städte, schwache Landschaften
Allerdings liegen von den 53 Regionen, in denen laut Studie hohe oder sehr hohe Zukunftsrisiken bestehen, 48 in Ostdeutschland. Vor allem Flächenkreise abseits von Metropolen stehen demnach vor Problemen. Schlusslicht unter den 412 Städten und Kreisen in Deutschland ist der Landkreis Demmin in Mecklenburg-Vorpommern.
Großstädte erleben derweil überall in der Republik ihr Comeback. Von wenigen Ausnahmen abgesehen können sie sich dem "Zukunftsatlas" zufolge vom sonstigen Bevölkerungsrückgang abkoppeln.
Städte wie Frankfurt, Dresden und Leipzig gewannen demnach in den vergangenen fünf Jahren zwischen zwei und drei Prozent an Einwohnern hinzu, während die Bevölkerung in Deutschland insgesamt um 0,6 Prozent schrumpfte.
"Die Stadtflucht ist Vergangenheit", erklärte Prognos-Regionalexperte Peter Kaiser. Die wirtschaftliche Landkarte werde nicht mehr in erster Linie durch den Ost-West-Gegensatz geprägt, sondern zunehmend durch einen Stadt-Land-Gegensatz.
Quelle: ntv.de, AFP/rts