Wirtschaft

Steuerflucht von Fiat und Starbucks Die wahren Betrüger sind die Finanzminister

Die EU-Kommission stellt Fiat und Starbucks an den Pranger, doch die Finanzminister selbst wollen dubiose Steuerdeals.

Die EU-Kommission stellt Fiat und Starbucks an den Pranger, doch die Finanzminister selbst wollen dubiose Steuerdeals.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die EU stellt Fiat und Starbucks an den Pranger: Sie stehen exemplarisch für die faulen Steuertricks, mit denen die Finanzminister ihre schützende Hand über Großkonzerne halten. Und gegen die Brüssel machtlos ist.

"Steuerentscheide, die die Steuerlast eines Unternehmens künstlich verringern, stehen nicht im Einklang mit den Staatshilfe-Regeln der EU. Sie sind illegal. Ich hoffe, dass diese Botschaft mit der heutigen Entscheidung von den Regierungen der Mitgliedsstaaten und den Unternehmen gleichermaßen vernommen wird." Margrethe Vestager ließ keinen Zweifel daran, was sie eigentlich bezwecken wollte. Luxemburg soll Fiat, Holland Starbucks illegale Steuervorteile gewährt haben, klagt die EU-Wettbewerbshüterin.

Doch das ist beinahe Nebensache. Wie Vestager schon sagte: Es geht es um die Botschaft. Die EU-Kommission nimmt die zwei Konzerne aufs Korn, um eine Drohung an die Finanzminister zu schicken, die den Kampf gegen die dubiosen Steuerdeals blockieren, weil sie sie selbst wollen. In Steuerfragen herrscht ein "himmelsschreiender Mangel an Kooperation". Die EU-Länder kämpfen erbittert um das Geld und die Jobs der großen Multis. Steuervorteile sind ihre mächtigste Waffe. Sie überbieten sich darin, Apple, Amazon, Google und Co. die größte Extrawurst zu braten, um sie anzulocken.

Doch um diesen Sumpf trockenzulegen, fehlt der EU-Kommission die Macht. Steuern sind Sache der Mitgliedsstaaten, und die halten ihre Hand über die Konzerne. Verfahren wegen illegaler Staatshilfe sind das einzige Druckmittel der EU-Kommission. Deshalb interessiert es sie auch nicht, ob die Steuerdeals von Fiat und Starbucks wirklich illegal waren. Sie stehen exemplarisch für die grotesken Methoden, mit denen die Finanzminister den Konzernen erlauben, sich armzurechnen.

"Knowhow" im Rösten ist teuer

Steuerdeals sind nicht per se illegal. Nur Sondervorteile, die ein Land bestimmten Firmen gewährt, anderen aber nicht, sind laut EU-Recht verboten, weil sie als illegale Staatshilfen gelten. Danach sieht es bei Fiat und Starbucks eigentlich nicht aus: Hunderte, vielleicht sogar Tausende andere Konzerne haben dieselben Vorschriften genutzt, um ihre Steuerlast zu drücken. Die holländische Regierung bestreitet deshalb, die Absprachen seien illegal gewesen.

Auch Starbucks hat angekündigt, in Berufung zu gehen. Schließlich habe man sich an geltende Regeln gehalten. Die sind mehr als anrüchig: Sie erlauben Konzernen, Profite solange im Kreis zu verschieben, bis sie kaum noch irgendwo Steuern zahlen müssen. Nicht nur Starbucks und Fiat, auch Apple gelingt das Kunststück seit Jahren. Am besten geht das über zwei Methoden.

Künstliche Patentgebühren sind der beliebteste Trick von Großkonzernen, um Gewinne zu verschieben. Er funktioniert am besten bei Tech-Firmen wie Google, Apple und Amazon, deren wichtigste Firmenwerte Erfindungen, Markenrechte, Designs und anderes geistiges Eigentum sind. Doch auch Starbuck nutzte ihn.

Die Kaffeerösterei für seine europäischen Filialen sitzt in den Niederlanden. Die holländische Zentrale zahlt üppige Lizenzgebühren an eine andere Starbucks-Firma in Großbritannien - angeblich für die Nutzung des "Knowhows" im Kaffeerösten. Mit den hohen Lizenzkosten rechnet sich Starbucks in Holland arm - und verschiebt einen Großteil seiner Gewinne auf die britische Firma. Die wiederum muss nach Angaben der EU-Kommission weder in Großbritannien, noch in Holland Steuern zahlen.

Die EU-Kommission bemängelt, dass die Lizenzgebühren aufgebläht und nur eine Finte sind. Denn laut den Wettbewerbshütern muss die Gebühren außer der holländischen Kaffeerösterei keine andere Firma im Starbucks-Imperium bezahlen - und noch nicht mal Drittfirmen, die ebenfalls Kaffee für Starbucks rösten.

Mondpreise für Bohnen

Eine andere Methode zur Profitverschiebung sind die sogenannten Transferpreise, zu denen sich verschiedene Firmen innerhalb des gleichen Konzerns entlang der Lieferkette Produkte verkaufen. Die Starbucks-Rösterei in Holland soll laut EU-Kommission ihre Kaffeebohnen bei der Schweizer Handelsfirma des Konzerns eingekauft und dafür Mondpreise bezahlt haben. Mit diesen künstlich hohen Kosten drückte Starbucks in Holland seine Steuerlast noch weiter.

Besonders effektiv war die Methode zusammen mit dem Lizenztrick. Denn die "eingekauften" Bohnen waren so teuer, dass die holländische Rösterei mit dem Rösten gar nicht genug Geld verdiente, um die hohen Lizenzkosten an die britische Kassierstelle bezahlen zu können. Das ging nur dank der zusätzlichen Einnahmen, die die holländische Zentrale mit dem Verkauf von Tee, Gebäck und Bechern an die europäischen Starbucks-Filialen machte. Diese Gewinne wurden dank des Bohnen-Betrugs ebenfalls verschoben.

Anders als Mittelständler können Firmen wie Starbucks, die grenzüberschreitend arbeiten, die Unterschiede in den Steuersystemen verschiedener Staaten für sich ausnutzen. Solange Steuern einzig und allein Sache der EU-Mitgliedsstaaten sind, wird die Steuerpolitik eine Spielwiese nationaler Interessen bleiben. Für kleine Länder wie Holland, Luxemburg und Irland ist Steuerdumping einer der wenigen Wettbewerbsvorteile. Es sieht nicht danach aus, dass sich daran bald etwas ändert. Den Aufbau eines zentralen Registers für Steuerdeals haben die EU-Länder gerade verhindert.

Quelle: ntv.de

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