T-Mobile-US-Chef wird zum Fluch der Branche John Legere lehrt Konkurrenz das Fürchten
30.01.2014, 11:45 Uhr
Ob Anzug oder Lederjacke: Erst der Tupfer Magenta beschert John Legere den riesigen Wiedererkennungseffekt.
(Foto: REUTERS)
Er drückt wechselwilligen Mobilkunden 650 Dollar in die Hand, fliegt von fremden Partys, und bei Twitter feiert eine wachsende Fan-Gemeinschaft jeden einzelnen seiner saftigen Flüche. Wer ist der Mann in Magenta?
"Jedes Mal wenn John Legere während einer Ansprache flucht, kriegt ein Engel seine Flügel", schreibt einer seiner Twitter-Follower verzückt, während mehrere andere lautstark die Gründung eines "John-Legere-Fanclubs" fordern. Seit Steve Jobs kam kein Unternehmenschef mehr so hip rüber, wie derzeit der T-Mobile-US-Chef.
Dabei könnten die Charaktere kaum unterschiedlich sein: John Legere ist kein genialer Tüftler, der sich im schwarzen Rolli vor sein Publikum stellt und nach langen Bitten etwas Hübsches aus seiner Jeanstasche zieht. John Legere ist ein Marktschreier. Er ist der Party-Crasher im magentafarbenen Telekom-Shirt. Legere (sprich "Ledger") will mal wieder seinen Lieblingsrapper Macklemore hören? Warum nicht auf der Party des Erzrivalen AT&T auf der Elektronikmesse CES? Für den unvermeidlichen Rausschmiss und die damit verbundene kostenlose Werbung für sein Unternehmen dankt Leger auch höflich auf Plakatwänden. Und schmeißt zum Abschluss des Guerilla-Marketings im Schatten des AT&T Gebäudes eine eigene Macklemore-Party. Seinen neuen Kumpel überzeugt Legere dann auch gleich davon, seinen Mobilfunkanbieter zu wechseln.
Doch hat Legere noch mehr vor, als Mittzwanziger mit seinem Musikgeschmack, den grellen T-Shirts und den deftigen Twittersprüchen zu beeindrucken? Allerdings. Der Mittfünfziger will den kompletten amerikanischen Mobilmarkt auf den Kopf stellen. Er will Mobilfunk-Konzerne dazu zwingen, in Sachen Preis und Qualität zu konkurrieren, anstatt Kunden in Langzeit-Verträgen einzusperren. Die üblichen Zuschüsse beim Handykauf hat T-Mobile US zwar abgeschafft, aber dafür die Gebühren gesenkt. "Wir tun nur etwas, dass noch nie in der Mobilfunkbranche vorgekommen ist: Wir hören auf unsere Kunden", wird der passionierte Marathonläufer nicht müde zu betonen.
Konkurrenz in die Enge getrieben
Und Legere hört nicht nur zu, sondern nimmt auch konkret Geld in die Hand, um Kunden anzulocken. 650 Dollar Begrüßungsgeld gibt es derzeit bei T-Mobile, dann wird noch ein hübsches Bild mit dem "Abschiedsbrief" an die ehemalige Mobilfunkgesellschaft gemacht und – natürlich – via Twitter verbreitet.
Die Aktion ist eine Antwort auf ähnlich aggressive Werbeangebote vom größten Konkurrenten AT&T, der derzeit geradezu hilflos auf die Attacken des deutlich kleineren Wettbewerbers reagiert. Egal, was AT&T-Chef Randall Stephenson Witziges twittert, Legere ist witziger. Werbekampagnen werden verhöhnt, Telefonkonferenzen mit Finanzanalysten via Twitter kommentiert. AT&T verspricht den Rückkehrern 450 Dollar, wenn sie T-Mobile wieder verlassen? Eine super Idee, findet John Leger: "Ich freue mich, dass ihr an Eure ehemaligen Kunden denkt – denn jetzt wo sie den T-Mobile-Service kennen, werdet ihr nie wieder von ihnen hören." Aber er sei stolz auf sie, heißt es in einer Pressemitteilung, wo AT&T nebenbei mit dem Todesstern aus Star Wars verglichen wird: "Endlich verlässt unser nun 'Ex-Rivale' die dunkle Seite und reicht uns die Hand, um gemeinsam den Mobilmarkt zu revolutionieren."
Im vierten Quartal zählte AT&T 566.000 neue Vertragskunden – bei der T-Mobile US waren es 869.000 Vertragskunden, insgesamt kam T-Mobile US auf 1,6 Millionen neue Nutzer. Dass die Tochter der Deutschen Telekom einen Teil der derzeitigen Marketingkampagne und den dringend notwendigen Netzausbau mit den von AT&T enthaltenden Entschädigungszahlungen für den gescheiterten Übernahmeversuch finanziert hat, ist dabei nur noch eine weitere bittere Pille, die vom frechen Zwerg verabreicht wird. Auch an der Börse sind die Auswirkungen von Legeres Eskapaden alles andere als spaßig für die Branche: Nicht nur die Aktien von AT&T, sondern auch die von Wettbewerber Verizon gerieten angesichts des tobenden Preiskampfes zuletzt kräftig unter Druck.
Freude in Bonn

Werbung à la Legere: "Schon mal darüber nachgedacht, wie ein Konzern aussieht, der sich in die Hose macht?"
Dass John Legere mit seinen flotten Sprüchen, seinen langen Haaren und der Lederjacke über dem magentafarbenen Shirt einen Nerv getroffen hat, dürfte man bei der Konzernmutter Deutsche Telekom mit Zufriedenheit sehen. Denn das US-Geschäft war lange das Sorgenkind der Bonner. Die Kehrtwende kam im vergangenen Frühjahr, als T-Mobile US mit Wettbewerber MetroPCS fusionierte, um die Löcher im Netz zu stopfen und anfing, aggressiv um Kunden zu buhlen.
Legere macht mit seinen Aktionen aber nicht nur der Konzernmutter Freude, sondern könnte damit auch sich selbst wieder für seinen alten und möglichen künftigen Chef Masayoshi Son empfehlen. Denn Son ist nicht nur einer der Eigentümer von Global Crossing, wo Legere einst am Steuerruder saß. Dem japanischen Milliardär gehört über die japanische Softbank auch der US-Telekomkonzern Sprint, der sich wiederum derzeit um eine Übernahme von T-Mobile US bemüht. Sollten sich die Wettbewerbsbehörden wieder quer legen, könne Legere ja einfach wieder Entschädigungszahlungen in Milliardenhöhe einstreichen, freuen sich Börsianer bereits.
Mehr als einen Trick in der Tasche
Bis dahin hat der hippelige Manager jedoch noch einiges vor: So will er als nächstes Banken mit einer App namens "Mobile Money" Konkurrenz machen. "Wir haben schon die Art geändert, wie Amerikaner Telefone, Handys und Tablets nutzen, warum sollten wir hier anhalten?", lautet die Kampfansage. Jetzt sollen die hohen Gebühren für Geldautomaten, Tagesgeldkonten und ähnliches fallen.
Die Ankündigung kommt bei seiner Fangemeinde gut an: "Kann sich unser 'Batman des Mobilfunks' nach den Bankgeschäften vielleicht auch noch um unser Gesundheitssystem kümmern?", fragt einer seiner Twitter-Follower hoffnungsvoll. Völlig ausschließen wollen das nur die wenigsten: "John Legere ist schließlich einer der hellsten Sterne in der amerikanischen Geschäftswelt." Und was haben deutsche Telekom-Kunden davon? Nun, sie können sich über Legeres Sprüche amüsieren. Und dann abwarten, welche Lehren die Konzernmutter aus den Erfolgen ihrer Tochter zieht. Zum Beispiel für die Kundschaft auf der anderen Seite des Atlantiks.
Quelle: ntv.de