Wirtschaft

"Opfer einer übernatürlichen Katastrophe" Laguiole legt sich quer

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So französisch wie Champagner und Camembert: Ein Taschenmesser aus Laguiole, hier aus dem lokal ansässigen Handwerksschmiede Benoit.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der Streit um die kommerzielle Verwertung eines Ortsnamens löst in Frankreich eine Welle der Empörung aus. Die Bürger von Laguiole - bekannt für Käse und Klappmesser - rufen ganz Frankreich zum Widerstand auf. Paris spricht von einer "legitimen Erregung".

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Tief im Süden: Das Örtchen Laguiole liegt im Südwesten des Zentralmassivs auf der kargen Hochfläche des Aubrac.

Im Süden Frankreichs weckt das Markenrecht bei Bürgern in der Provinz ernste Zweifel an den Grundfesten des Rechtsstaats. Weil sie den Namen ihres Dorfes nicht exklusiv zu kommerziellen Zwecken nutzen dürfen und in einem Rechtsstreit 100.000 Euro zahlen müssen, gehen Bürgermeister und Bewohner des südfranzösischen Ortes Laguiole auf die Barrikaden.

"Wir rufen alle 36.000 Gemeinden in Frankreich zur Solidarität auf", erklärte Bürgermeister Vincent Alazard. "Die Gebietskörperschaften helfen sich bei Naturkatastrophen. Wir sind jetzt Opfer einer übernatürlichen Katastrophe."

Der 1300-Einwohner-Ort im Département Aveyron liegt in der wirtschaftsschwachen Region Aubrac im französischen Zentralmassiv. Im Streit um Markenrechte und die Möglichkeiten des Regionalmarketings war die Gemeinde Anfang April in einem Berufungsverfahren einem Händler aus dem Großraum Paris unterlegen. Dieser hatte sich bereits 1993 den Namen des Dorfes als Markenname schützen lassen. Derzeit verkauft er damit unter anderem aus China und Pakistan importierte Messer, die sich im Design an dem berühmten Vorbild aus Frankreich orientieren.

Importware aus Asien?

Der besondere Schwung der Laguiole-Klingen ist in Frankreich und über die Landesgrenzen hinaus bekannt als Messer für Wein- und Käsekenner. Traditionell zählen die Klappmesser in der Version mit Korkenzieher zum wichtigsten Handwerkszeug von Winzern, Weinhändlern, Pilzesammlern und Kellnern. Im Tourismuskonzept der Region könnten die Messer samt ihrer handwerklichen Tradition und der Strahlkraft ihrer Geschichte eine herausragende Rolle spielen.

Die Klingen stehen für französische Lebensart und könnten dem kleinen Ort tatsächlich ein sicheres wirtschaftliches Auskommen bescheren. Dass Importprodukte unter dem Namen Laguiole verkauft werden dürfen, ist Regionalmarketingexperten wie Lokalpatrioten seit Jahren ein Dorn im Auge. Die Messer sind der ganze Stolz von Laguiole.

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In der Herkunftsbezeichnung ungeschützt: Die Bürger von Laguiole verstehen die Welt nicht mehr.

(Foto: picture alliance / dpa)

Im Gegensatz zu Wein, Champagner oder Käse aus einer bestimmten Region fallen die Messer nicht unter das Schutzsiegel Appellation d'Origine Controlee (AOC). Die Herkunftsbezeichnung "Laguiole" ist damit rechtlich nicht gesondert geschützt.

Kein Erfolg vor Gericht

Bürgermeister und Bewohner von Laguiole fordern daher, dass dem Pariser Händler die Nutzungsrechte an dem Dorfnamen entzogen werden. Laguiole will die Vermarktung des Namens selbst übernehmen und den eigenen Namen für im Ort hergestellte Produkte nutzen. Was aus der Distanz naheliegend klingt, erwies sich in der Praxis als bislang unüberwindliches juristisches Problem: In einem seit Jahren andauernden Rechtsstreit konnten die Bürger von Laguiole sich auch vor einem Pariser Berufungsgericht nicht durchsetzen.

Jetzt sieht sich der Ort mit enormen finanziellen Belastungen konfrontiert: Die Pariser Richter verurteilte die Dorfbewohner dazu, dem Händler die Prozesskosten zu ersetzen. Laguiole soll eine Summe von 100.000 Euro überweisen.

"Wenn ein Unternehmer aus Laguiole eine Käseplatte herstellen und ihr den Namen Laguiole geben will, dann ist das die Fälschung eines chinesischen Produkts", empörte sich der Bürgermeister. Jetzt solle das Dorf auch noch jenem Mann eine sechsstellige Summe überweisen, "der mit unserem Namen Geld macht".

"Lex Laguiole" kommt zu spät

In dem seit Jahren währenden Streit hatte das Dorf 2012 symbolisch seinen Namen abgelegt und die Ortsschilder abmontiert. Zu Wochenbeginn wandte sich Bürgermeister Alazard in einem Brief an Staatschef François Hollande und bat um ein Treffen.

Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg zeigte sich nach dem Urteil vor dem Berufungsgericht solidarisch mit den Bewohnern von Laguiole: Er sprach in einer Erklärung von "legitimer Erregung" und erinnerte daran, dass ein neues Gesetz dazu führen soll, dass solche "bedauerlichen Situationen" vermieden werden. Allerdings wird das Gesetz, das unter anderem die Nutzung von Ortsnamen als Markennamen neu reguliert, nicht rückwirkend anwendbar sein - für die Bewohner von Laguiole kommt es also zu spät.

Quelle: ntv.de, mmo/AFP

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