Wirtschaft

Gazprom verweigert Annahme Putin führt Deutschland mit Turbine vor

Wladimir Putin.

Wladimir Putin.

(Foto: IMAGO/ITAR-TASS)

Die Bundesregierung will unbedingt die Lieferung einer Nord-Stream-Turbine aus Kanada nach Russland ermöglichen. Doch das Gerät hängt in Deutschland fest. Denn der Energie-Riese Gazprom zieht es vor, Deutschland das Gas langsam abzudrehen.

Überraschend ist das wirklich nicht: Ab Mittwoch soll noch weniger Gas durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 nach Deutschland fließen, Russlands Energieriese Gazprom wird die Lieferung weiter drosseln. Das hatte Kreml-Herrscher Wladimir Putin schon in der vergangenen Woche in Aussicht gestellt und dabei auf eine in Kanada gewartete Turbine verwiesen, die noch nicht in der Kompressor-Station im russischen Portowaja eingetroffen sei. Außerdem müsse bald ein weiteres Aggregat repariert werden.

Und mit eben diesen Begründungen rechtfertigen Gazprom und der Kreml die neuen Lieferkürzungen. Die Bundesregierung hält die Argumente der russischen Seite für vorgeschoben. Die Turbine sei lediglich ein Ersatzteil, Russland könne auch ohne sie mehr Gas liefern. So fadenscheinig die Begründung von Gazprom auch klingt, für die Ampel-Koalition ist die weitere Lieferkürzung eine Blamage.

Die kanadische Regierung hatte die Lieferung der gewarteten Turbine aufgrund eigener gegen Russland verhängter Sanktionen verboten. Das deutsche Außenministerium hatte die Kanadier deshalb mit einer drastischen Warnung unter Druck gesetzt. Sollte Putin das Ausbleiben der Turbine als Vorwand nehmen und Deutschland das Gas komplett sperren, könne es in Deutschland zu Volksaufständen kommen. Die kanadische Regierung erlaubte daraufhin die Ausfuhr der Turbine nach Deutschland. Über diesen Zwischenstopp soll sie nach Russland transportiert werden.

Die Bundesregierung hatte wiederholt argumentiert, mit der Lieferung wolle sie dem Kreml einen Vorwand nehmen, die Gaslieferungen zu stoppen. Das ist ihr allerdings nicht gelungen. Denn Russland verweigert die Einfuhr - und die Turbine hängt dem Vernehmen nach in Deutschland fest.

Gazprom fehlen Unterlagen

Nach Angaben des Herstellers Siemens Energy ist alles für den Transport vorbereitet, die Lieferung könne sofort starten. Das Unternehmen "hatte bereits Anfang letzter Woche alle erforderlichen Dokumente für die Ausfuhr von Deutschland nach Russland vorliegen und Gazprom darüber auch informiert", heißt es in einem Statement. "Was allerdings fehlt, sind erforderliche Zolldokumente für den Import nach Russland." Diese Informationen könnten nur vom Kunden bereitgestellt werden.

Die Wartung der Turbinen sei Routine, heißt es bei Siemens Energy. In den vergangenen zehn Jahren habe es "keine wesentlichen Komplikationen" gegeben. Die aktuelle Genehmigung der kanadischen Regierung sehe auch vor, dass weitere Turbinen von Siemens Energy in Montreal gewartet und anschließend ausgeführt werden könnten. "Wir sehen daher zum jetzigen Zeitpunkt keinen Zusammenhang zwischen der Turbine und den durchgeführten beziehungsweise angekündigten Gasdrosselungen."

Der Kunde hat derzeit aber offenbar nicht vor, die Turbine zu übernehmen. Gazprom begründet das mit fehlenden Unterlagen. Es sei nicht klar, ob die Lieferung nicht doch gegen kanadische Sanktionen verstoße. Außerdem gebe es Fragen hinsichtlich von durch die EU und Großbritannien gegen Russland verhängte Sanktionen. Das sei nicht nur ein Problem bei der Lieferung dieser Turbine, sondern auch für die Wartung weiterer Aggregate.

Schritt für Schritt weniger Gas

Wo genau sich die zwölf Meter lange Turbine befindet, ist offiziell nicht bekannt. Nach Informationen der russischen Wirtschaftszeitung "Kommersant" traf sie am 17. Juli per Frachtflugzeug in Deutschland ein. Dann sollte sie per Schiff über die Ostsee nach Finnland transportiert werden und dann über den Landweg an die russische Grenze. Der für vergangenen Samstag geplante Weitertransport mit einer Fähre nach Helsinki sei aber gescheitert, hieß es.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sagte, die "Kabalen um die Turbine aus Kanada" seien ein Beispiel für die Politisierung technischer Fragen durch Russland. "Man hat manchmal den Eindruck, Russland will sie gar nicht mehr zurücknehmen", sagte der Grünen-Politiker. Dennoch wollte und will die Bundesregierung die Lieferung unbedingt ermöglichen.

Die russische Regierung setzt derweil ihre Taktik fort. Seit Juni fährt der staatlich kontrollierte Gazprom-Konzern die Gaslieferungen nach Deutschland schrittweise runter. Im Juni wurden die Lieferungen durch Nord Stream 1 auf 40 Prozent der Maximalkapazität gedrosselt und auf die zur Reparatur nach Kanada verschickte Turbine verwiesen. Während einer zehntägigen Routinewartung floss kein Gas durch die wichtigste Versorgungsleitung nach Deutschland. Am vergangenen Donnerstag waren die Gaslieferungen wieder aufgenommen worden - allerdings weiterhin auf 40 Prozent gedrosselt. Ab diesem Mittwoch soll die Menge auf 20 Prozent der maximalen Kapazität gesenkt werden. Begründung: die Reparatur einer weiteren Turbine.

"Es ist eindeutig, dass Russland eine Energiekrise in Europa provozieren will", sagt Janis Kluge von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) im Gespräch mit ntv.de. "Es gibt keine alternative Realität, in der wir der Ukraine dabei helfen, sich der russischen Invasion entgegenzustellen, und in der uns Russland trotzdem weiter mit Gas versorgt."

Quelle: ntv.de, mit dpa/rts

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