Wirtschaft

Abgehört und ausgespäht Spione bedrohen Mittelstand

Wirtschaftsspionage richtet alljährlich in deutschen Unternehmen horrende Schäden an. Vor allem der Mittelstand wird immer häufiger zur Zielscheibe von Datenklau und Bespitzelung. Sicherheitsexperten sind alarmiert und fordern mehr Wachsamkeit.

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Der Schaden deutscher Unternehmen durch Spionage wird auf jährlich 50 Milliarden Euro geschätzt.

(Foto: dpa)

Es klingt wie die Vorlage für einen Agenten-Thriller: Da ist die junge Chinesin, die während ihres Praktikums bei dem Mittelständler heimlich sensible Firmendaten per Mail ans persönliche Postfach abzweigt. Oder der Vertriebsmitarbeiter, der abends in der Hotelbar von einer fremden Schönheit über Ausschreibungsdetails für ein wichtiges Projekt ausgehorcht wird. Für Verfassungsschützer und Sicherheitsexperten gehören solche Vorfälle zur täglichen Arbeit. Sie warnen vor den wachsenden Gefahren durch Wirtschaftsspionage und raten vor allem kleinen und mittleren Firmen dringend zu mehr Wachsamkeit.

Auf bis zu 50 Milliarden Euro werden die Schäden geschätzt, die Ausspähung und Datenklau durch fremde Nachrichtendienste und Konkurrenten bei deutschen Unternehmen jährlich anrichten. Belastbare Zahlen gibt es nicht, dafür sei die Dunkelziffer zu groß, sagt eine Sprecherin des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Besonders Unternehmen aus innovativen Branchen wie Maschinenbauer, Autozulieferer, Elektronik- und Softwareanbieter werden häufig zur Zielscheibe. Die Methoden der Angreifer reichen von professionellen Analysen bis zum Diebstahl von Daten, Plänen und Produkten.

Plattenspieler millimetergenau kopiert

Böse Erfahrungen musste auch die Firma Clearaudio aus Erlangen vor zwei Jahren machen. Auf einer Messe in München entdeckte der Hersteller exklusiver High-End-Plattenspieler chinesische Geräte mit einem von Clearaudio patentierten Magnetlager, das millimetergenau kopiert war. Der Familienbetrieb blies sofort zum Gegenangriff und alarmierte als erstes einen Patentanwalt. "In das Projekt sind zwei Jahre Entwicklungszeit geflossen, wenn dann jemand kommt und sagt, "das mach' ich auch", da fühlt man sich überrannt", erinnert sich Juniorchef Robert Suchy. Es folgte ein Wirtschaftskrimi, in dessen Verlauf auch V-Männer bei der chinesischen Firma eingeschleust und die Nachbau-Geräte schließlich im Hamburger Hafen aufgebracht wurden. Vermutlich war die Konkurrenz aus Fernost über Trojaner an die Daten gekommen.

Erst später erfuhren die Suchys von den Aktivitäten des bayerischen Verfassungsschutzes, der sich den Kampf gegen Wirtschaftsspionage auf die Fahne geschrieben hat. Dort ließ sich die Erlanger Firma noch einmal eingehend beraten. "Die haben uns die Augen geöffnet, was alles möglich ist", sagt Suchy, von der Software zum Abhören von Telefonen bis zum Einschleusen von Schadsoftware in Firmennetzwerke. Deshalb empfiehlt er die Behörde auch anderen Unternehmern weiter - zumal ihr Rat kostenlos und unverbindlich sei.

Mittelständler fürchten um ihr Image

Noch aber haben viele Mittelständler Berührungsängste und fürchten auch um ihr Image bei Kunden und in der Öffentlichkeit, wenn sie tatsächlich Opfer von Hackern oder Spitzeln wurde. Dabei sichern die Verfassungsschützer nicht nur Diskretion zu, sondern sind auch selbst auf konkrete Infos über die Vorgehensweise der Täter angewiesen, um wirksamere Abwehrmaßnahmen ergreifen zu können. Erst kürzlich startete der bayerische Verfassungsschutz deshalb eine Internetplattform, die für Risiken sensibilisieren, aber auch um Vertrauen werben und Ansprechpartner vermitteln will.

Großen Aufklärungsbedarf sieht auch der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW). Viele Unternehmen unterschätzten die Gefahren durch Wirtschaftsspionage noch immer - angesichts der horrenden Schäden "sträflich", sagt BVMW-Präsident Mario Ohoven. Vor allem exportorientierte Firmen sollten aufmerksamer sein. "Es beginnt oftmals mit einem scheinbar harmlosen Gespräch auf einer Fachtagung, bei dem professionelle Informationsbeschaffer gezielt Firmenmitarbeiter aushorchen", mahnt Ohoven.

Mensch als größte Sicherheitslücke

Generell gilt der "Faktor Mensch" als die größte Sicherheitslücke. Ob in Netzwerken wie Facebook oder beim Abendessen mit Bekannten - immer wieder plaudern Mitarbeiter Betriebsinterna aus oder sind zu leutselig gegenüber Unbekannten. Auch die Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit der Wirtschaft ist deshalb davon überzeugt, dass für einen besseren Knowhow-Schutz gar nicht gleich aufwendige Technik angeschafft und Spezialisten eingestellt werden müssen. Oft würde es schon reichen, ein Telefonat über ein neues Projekt auf eine ruhigere Minute zu verschieben, statt es lauthals in einer Warteschlange zu führen, sagt ASW-Geschäftsführer Berthold Stoppelkamp. "Wichtig ist erst einmal, dass man sich überhaupt darüber Gedanken macht und auch die Mitarbeiter dafür sensibilisiert."

Quelle: ntv.de, Christine Schultze, dpa

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