Wirtschaft

Abgas-Schummelei wie bei VW? Warum Fiats Diesel-Skandal anders ist

Auch Fiat gerät im Abgas-Skandal immer mehr unter Beschuss. Doch der Fall liegt anders als bei VW.

Auch Fiat gerät im Abgas-Skandal immer mehr unter Beschuss. Doch der Fall liegt anders als bei VW.

(Foto: REUTERS)

Nach VW klagen die US-Behörden auch Fiat-Chrysler wegen Abgas-Betrugs an. Beide Autokonzerne sollen mit Schummel-Software die Grenzwerte umgangen haben. Doch trotzdem unterscheiden sich die Vorwürfe gewaltig.

Nach Volkswagen hat es auch Fiat-Chrysler erwischt: Die US-Umweltbehörde EPA wirft dem italienisch-amerikanischen Autobauer vor, bei rund 100.000 Diesel-Fahrzeugen mit geheimer Motorsoftware gegen die Abgasgrenzwerte verstoßen zu haben. Dem Konzern droht dafür eine Strafe von bis zu 4,6 Milliarden Dollar.

Nur einen Tag nachdem sich das US-Justizministerium mit Volkswagen auf eine Strafzahlung von über 4,3 Milliarden Dollar wegen Abgas-Betrugs geeinigt hat, steht damit der nächste Autokonzern wegen Motor-Manipulationen am Pranger. Genau wie bei Volkswagen geht es auch bei Fiat-Chrysler um Schummel-Software bei Diesel-Autos und den Ausstoß von gesundheitsschädlichem Stickoxid. Doch die Skandale unterscheiden sich gewaltig.

Software ist womöglich legal

Da wäre zunächst die Dimension: Bei VW ging es in den USA um rund 600.000 Dieselautos, bei Fiat-Chrysler sind nur etwa 100.000 Diesel-PKW betroffen. Dennoch könnte der Skandal Fiat-Chrysler heftiger treffen als Volkswagen: Der Autobauer steht finanziell viel schwächer da als die Wolfsburger. VW konnte die Kosten für "Dieselgate" bislang aus eigener Tasche zahlen, bei Fiat-Chrysler sei eine Kapitalerhöhung nicht ausgeschlossen, schreiben die Analysten von Kepler Chevreux.

Zweitens ist offen, ob die angeblichen Mogeleien bei Fiat-Chrysler wirklich illegal waren. Bei VW sind die Fakten unstrittig: Der Autobauer hat zugegeben, in seine Autos eine Abschalteinrichtung eingebaut zu haben, die anhand von Motorparametern erkennt, ob das Auto sich auf dem Prüfstand befindet. Daraufhin schaltete die Software in einen optimierten Testmodus. Auf der Straße blies der Motor im Normalmodus aber bis zu 40 Mal mehr Stickoxid in die Luft.

Eine Teststanderkennung wie bei VW hat Fiat-Chrysler in seine Motorsteuerung nicht eingebaut. Die EPA wirft Fiat-Chrysler lediglich vor, zwischen 2014 und 2016 Software in bestimmten Diesel-Modellen verbaut zu haben, die den Stickoxid-Ausstoß im Normalbetrieb erhöhe und den Behörden gegenüber nicht angezeigt worden sei. Der Autobauer soll nun beweisen, dass es sich dabei nicht um verbotene Abschalteinrichtungen handele. "Wir haben nichts Illegales getan", sagte Fiat-Chef Sergio Marchionne zu den Vorwürfen. Wer Fiat mit VW vergleiche, habe "etwas Illegales geraucht".

Hoffen auf Trump, Hinhalten der EU

Drittens hat Fiat-Chrysler womöglich bessere Chancen auf eine gütliche Einigung mit den US-Behörden als Volkswagen. Denn in einer Woche übernimmt die neue Regierung unter Donald Trump die Ermittlungen gegen den Konzern.  Chef der Umweltbehörde wird dann Scott Pruitt sein, der der Öl-Lobby nahe steht. Gut möglich, dass Pruitt nachsichtiger mit Fiat-Chrysler umgehen wird, weil viel mehr US-Arbeitsplätze betroffen sind und Trump versprochen hat, Jobs zu schaffen.

Fiats größeres Problem liegt allerdings ohnehin in Europa: Hier steht die Firma schon seit Frühjahr im Visier der EU-Kommission und des deutschen Verkehrsministeriums. Denn sie könnte versucht haben, sich auch um die strengen Stickoxid-Grenzwerte in der EU herumzumogeln. Sowohl in den USA als auch in Europa sind Abschalteinrichtungen, die die Emissionskontrolle des Motors deaktivieren, zwar grundsätzlich verboten. Erlaubt sind sie aber, wenn damit der Motor vor Beschädigung oder Unfall geschützt wird, etwa bei Überhitzung.

Viele Hersteller nutzen die Klausel womöglich als legales Schlupfloch, um die strengen Abgasvorgaben zu umgehen: Tests des Kraftfahrbundesamts (KBA) hatten im April ergeben, dass bei 22 von 53 getesteten Diesel-Autos verschiedener Hersteller die Emissionskontrolle oft schon bei geringen Temperaturen abregelt. Es bestünden "Zweifel, ob die gewählten Thermofenster in vollem Umfang durch den Motorschutz gerechtfertigt sind", hieß es damals vom Verkehrsministerium. Falls nicht, wären sie illegale Abschalteinrichtungen wie bei VW.

Diesel-Gate ist längst Branchenskandal

Im Verdacht stehen neben Modellen von Audi, Mercedes, Opel, Porsche, Ford, Nissan, Hyundai und Renault auch Autos von Fiat. Über 600.000 Diesel-Autos mussten die Hersteller wegen der fragwürdigen Motorsoftware zurückrufen. Aus dem Abgas-Betrug bei Volkswagen ist also längst ein Skandal für die gesamte Autobranche geworden.

Weitere KBA-Tests ergaben zudem, dass bei einigen Fiat-Modellen die Abgasreinigung nach 22 Minuten vollständig abschaltet - Abgastests dauern im Schnitt 20 Minuten. Weil die Fiat-Autos allerdings in Italien zugelassen wurden, waren Verkehrsminister Alexander Dobrindt die Hände gebunden. Italiens Verkehrsminister bescheinigte dem italienischen Autobauer gar, nicht gegen Gesetze verstoßen zu haben.

Dobrindt schaltete daraufhin die EU-Kommission ein. Sie teilt nach eigenen Tests die Bedenken des deutschen Verkehrsministers - und verliert nun langsam die Geduld mit Fiat und den italienischen Behörden. "Wir haben die italienischen Behörden wiederholt aufgefordert, so bald wie möglich überzeugende Antworten zu geben", sagte eine Kommissionssprecherin. Falls Rom die Vorwürfe gegen Fiat weiter ignoriert, kann die EU-Kommission allerdings wenig dagegen machen. Die Typen-Zulassung und Herstellerkontrolle liegt allein bei den nationalen Aufsichtsbehörden.

Quelle: ntv.de

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