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Tauwetter setzte früher ein Atomeisbrecher rettet Forscher

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Seit dem Wochenende läuft die Räumung der Forschungsstation auf Hochtouren.

(Foto: dpa)

Die Mission läuft auf Hochtouren, sie ist spektakulär: Im Nordpolarmeer retten sich russische Polarforscher auf den Eisbrecher "Jamal". Die Eisscholle, auf der sich ihr Lager befindet, zerbricht. Es ist ein Wettlauf mit der Zeit, denn die Temperaturen sind ungewöhnlich hoch, und das Eis schmilzt weiter.

Ohrenbetäubend dröhnen die Rotoren des zwölf Tonnen schweren Transporthubschraubers in der eisigen Luft des Polarmeers. Träge hebt die bullige Maschine vom Eisbrecher "Jamal" ab, um 16 Polarforscher und ihr Lager von einer zerbrechenden Eisscholle zu retten. "Aus der Luft wirken die Risse wie malerische Kanäle", berichtet Reporter Roman Ischmuchametow im russischen Fernsehen. "Es sieht aus wie Venedig in der Arktis."

Doch Idylle ist etwas anderes. Das Reißen der zwei bis vier Meter dicken Scholle bringt die Wissenschaftler in Lebensgefahr und kann auch zum Verlust der wertvollen Forschungsanlagen führen. Zudem drohen Schmieröle und Abfall aus der Station den unberührten Landstrich vor der kanadischen Küste zu verseuchen.

Evakuierung kostet 1,5 Millionen Euro

Kisten, Baracken und sogar Schlittenhunde: Unablässig nimmt der Hubschrauber die Bestandteile der Forschungsstation SP-40 auf und hievt sie an einem armdicken Seil an Bord der "Jamal". Rund 1,5 Millionen Euro kostet die Evakuierung den russischen Staat.

"Die Scholle ist bereits in sechs Fragmente zerbrochen, jedes etwa 100 mal 150 Meter groß", schildert Kapitän Stanislaw Rumjanzew die Lage. Seine 31 Mann Besatzung arbeiten rund um die Uhr. "Eile ist geboten", sagt der Kommandant des 75.000 PS starken Eisbrechers. Das atomgetriebene Schiff war am Wochenende in der Beaufortsee eingetroffen, seitdem läuft die Räumung auf Hochtouren.

Lufttemperatur minus vier Grad Celsius, Windgeschwindigkeit um neun Meter pro Sekunde und zehn Kilometer Sicht: Das Wetter meine es gut mit den Rettern, sagt Rumjanzew. Im Heimathafen der "Jamal" in der russischen Stadt Murmansk schätzt Jekaterina Ananjewa von der Gesellschaft Atomflot, dass die Arbeiten bald abgeschlossen sind. "Das Schiff hat zur Station rund 1600 Kilometer vor Kanada nur sieben Tage gebraucht. Fünf weniger als geplant. Wir konnten sofort anfangen, alles läuft gut", sagt Ananjewa.

Immer mehr Risse

"Die Risse nehmen dramatisch zu", schildert Expeditionsleiter Wladimir Sokolow im Camp die Lage. Die Experten des Arktis- und Antarktis-Instituts in St. Petersburg untersuchen seit Oktober 2012 Veränderungen in der Region und sollten eigentlich bis Herbst bleiben. Doch auch Satellitenbilder der Nasa zeigen massive Brüche in der Eiskappe der Beaufortsee. Die Temperatur in der Region sei höher als sonst, teilt die US-Weltraumbehörde mit. Ob der globale Klimawandel die Ursache sei, lasse sich noch nicht genau sagen.

"Fakt ist, dass das Tauwetter in der Region einen Monat früher einsetzte als sonst", sagt Ananjewa von Atomflot. Russland werde das bei künftigen Missionen berücksichtigen müssen. Das Arktis- und Antarktis-Institut will die spektakuläre Rettung der Station nun zum Anlass für einen Brief an Kremlchef Wladimir Putin nehmen. "Wir brauchen eine künstliche Forschungsplattform im Nordpolarmeer, die unabhängig ist vom Wetter", sagt Viktor Dmitrijew in St. Petersburg.

Umzug auf eine andere Scholle

Den Wissenschaftlern sei klar, dass eine solche Station teuer sei. "Aber wenn Russland 50 Milliarden US-Dollar für Olympische Winterspiele 2014 in Sotschi ausgibt, müssten sich für ein solch wichtiges Projekt doch ein paar Millionen finden lassen", meint Dmitrijew.

Nach der Evakuierung wird die "Jamal" auf die Inselgruppe Sewernaja Semlja Kurs nehmen. Dort setzt das Schiff einen Teil der SP-40-Forscher bei einer anderen Polarstation ab - diese Eisscholle soll intakt sein.

Quelle: ntv.de, Wolfgang Jung, dpa

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