Ein neues Erdzeitalter beginnt Die Menschheit führt die Erde ans Limit
16.01.2015, 18:13 Uhr
Darstellung der planetaren Grenzen
(Foto: PIK, Potsdam)
Was der Mensch auch tut - es bleibt nicht ohne Folgen für die Umwelt. Für das Klima ist das gravierend, wesentliche Grenzen sind schon überschritten. Forscher sprechen von einem Wechsel in ein neues Erdzeitalter, dem Anthropozän. Das Holozän dauerte 11.700 Jahre.
Der Mensch bringt die Erde ans Limit. Durch seinen Einfluss sind nach Einschätzung von Forschern bereits mehrere natürliche Belastungsgrenzen des Planeten überschritten worden. Dies berichtet ein internationales Expertennetzwerk in der Zeitschrift "Science". Das Team legte neun Grenzwerte für stabile Lebensbedingungen fest. Vier davon - Klimawandel, Biodiversität, Landnutzung und biogeochemische Kreisläufe - seien bereits übertreten, betonte das an der Studie beteiligte Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).
Zwei der Grenzen - Klimawandel und die Biodiversität (biologische Vielfalt/Artensterben) - sind aus Sicht der Wissenschaftler von entscheidender Bedeutung. Aber auch die Landnutzung sowie die menschengemachten Stoffströme von Stickstoff und Phosphor sprengen nach Forscheransicht die Kapazität der Erde.
"Die dramatischsten Veränderungen hat es seit 1950 gegeben", sagte Hauptautor Will Steffen von der Universität Stockholm. Die großen wirtschaftlichen Veränderungen der Menschheit prägen demnach direkt die Veränderungen im Erdsystem. Seit 1950 hätten Stadtbevölkerung, Transportkilometer, Energie- und Wasserverbrauch stark zugenommen - parallel dazu auch die Verschmutzung der Atmosphäre, die Versauerung der Meere und der Verlust von intakten, artenreichen Landschaften. "Betrachtet man denselben Verlauf, steigen viele Kurven wie in einem Knick kurz nach dem Zweiten Weltkrieg nach oben an."
Veränderung in nur zwei Generationen
Wissenschaftler debattieren, ob die Menschheit die Erde schon so stark verändert hat, dass sich ihre Spuren für immer nachweisen lassen. Beispiele dafür sind der radioaktive Niederschlag, die Zerstörung der Ozonschicht oder von Staudämmen veränderte Flussläufe.
Das Anthropozän würde das jüngste Erdzeitalter, das Holozän, ablösen. Es hatte 11.700 Jahre gedauert und der Menschheit mit einem stabilen Klima die Entwicklung der Hochkultur ermöglicht.
Demnach sei die Menschheit in nur zwei Generationen zu einer "geologischen Macht" geworden, so Steffen. Diese wirke auf den ganzen Planeten. Die Natur gerate bereits in einen neuen, der Menschheitsgeschichte unbekannten Zustand. Der Wissenschaftler spricht von einem Wechsel in ein neues Erdzeitalter. "Das seit 11.700 Jahren andauernde Holozän macht dem Anthropozän Platz."
Aber nicht nur Steffen, auch viele andere Wissenschaftler datieren das neue Erdzeitalter auf den Tag genau: auf den 16. Juli 1945. An diesem Tag explodierte die erste Atombombe beim so genannten Trinity-Test in den USA. Von dem Tag an bis 1988 explodierte im Schnitt alle zehn Tage irgendwo auf der Welt eine weitere Atombombe. Jede Erdschicht, die danach entstand, wird radioaktiven Niederschlag enthalten.
Die beiden Studien - oder Konzepte -, das Anthropozän und die planetaren Grenzwerte dürfen getrost als Einheit betrachtet werden. "Die Belege für die beschleunigten Veränderungen in dem neuen Erdzeitalter sind die Diagnose des grundsätzlichen Problems", so Steffen. Und die planetaren Grenzwerte, die sein Team aufstellte, betrachtet der Wissenschaftler als Vorschlag für eine Lösung. Von diesem Weg müssten jetzt Politiker und Konzernlenker überzeugt werden. Deshalb wollen die 18 beteiligten Wissenschaftler um Hauptautor Will Steffen die Studie in der kommenden Woche auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos vorstellen. Die Annahme oder Ablehnung der Lösungswege könnte von existenzieller Bedeutung für die Menschheit sein.
Quelle: ntv.de, ppo/dpa