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Neues Verbindungswerkzeug Künstliches Enzym

Mit einer trickreichen künstlichen Evolution haben Forscher ein neues Enzym geschaffen, das es in der Natur nicht gibt. Burckhard Seelig und Jack Szostak vom Howard Huges Medical Institute sehen in ihrer Methode eine Möglichkeit, künftig gezielt weitere Enzyme im Reagenzglas zu schaffen, etwa zur Produktion neuer Medikamente. Die Wissenschaftler berichten im Journal "Nature" von ihren Resultaten. Das neue Werkzeug kann zwei andere Moleküle miteinander verknüpfen. Enzyme sind Proteine, die die chemischen Reaktionen in der Zelle enorm beschleunigen. Diese würden zwar auch ohne Enzym ablaufen, dann allerdings viel zu langsam.

Ein Beispiel ist das Enzym Acetylcholinesterase: Es zerlegt in jeder Sekunde rund 140.000 Moleküle des Nervenbotenstoffes Acetylcholin. Nur so ist die schnelle Weitergabe von Reizen zwischen zwei Nervenzellen möglich. Im Waschmittel spalten Enzyme Schmutz, bei der Weingärung lassen sie Alkohol entstehen, auch bei der Käseherstellung werden sie eingesetzt. Die Funktion eines Enzyms wiederum hängt von seiner Form ab - dafür nimmt es in einer Art Tasche jeweils nur die passenden Reaktionspartner auf.

In der Natur entstanden diese hochspezialisierten Werkzeuge über viele Millionen Jahre hinweg. Der Mensch wünscht sich zwar, gezielt Enzyme für einen bestimmten Zweck produzieren zu können diese Aufgabe ist aber noch viel zu kompliziert. Seelig und seine Kollegen bildeten stattdessen die Evolution nach. Sie starteten ihren aufwendigen Versuch mit vielen kleinen, zufällig erzeugten Proteinen, an denen zusätzlich noch die Erbsubstanz hing, aus denen sie hervorgegangen waren. Nur wenn ein solches Protein auf Grund seiner Form zufällig in der Lage war, einige der gewünschten Verbindungen miteinander zu verknüpfen, blieb es im Reagenzglas hängen - und damit auch die daran hängende Erbsubstanz.

Diese wurde im nächsten Schritt zufällig leicht verändert, um daraus ein neues, leicht verändertes Protein zu schaffen. Dieses wurde wiederum darauf geprüft, ob es chemische Bindungen knüpfen konnte - im Idealfall tat es das schneller als seine Vorläufer und wurde erneut ausgewählt. Alle anderen, schlechter arbeitenden Enzyme wurden verworfen. Dieser vielfach wiederholte Zyklus bildet die von Charles Darwin beschriebene Evolution nach. Dabei überleben nur die besten an ihre Umwelt angepassten Arten. Übertragen auf die Arbeit im Labor von Seelig heißt das: Nur die besten Enzyme hatten die Chance, sich weiterzuentwickeln. Das Experiment war ein Spiel der großen Zahlen: Seeligs Gruppe experimentierte mit rund vier Billionen (4.000.000.000.000) jeweils leicht verschiedenen Proteinen.

Das so gewonnene künstliche Enzym ist nach Maßgabe biologischer Enzyme weder besonders stabil, noch besonders schnell, heißt es in "Nature". Beides wollen die Forscher aber verbessern - die Geschwindigkeit noch um den Faktor 1.000. Wenn das funktioniert, steht auch das nächste Ziel bereits fest. Dann will sich die Gruppe eine anwendungsorientierte Reaktion aussuchen und dafür gezielt ein passendes Enzym schaffen.

Quelle: ntv.de

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