Zum Mittagessen ein paar Käfer Laos setzt auf Insekten
07.06.2011, 11:31 Uhr"Es wird nicht gelingen, den ganzen Planeten mit ausreichend Proteinen von Kühen zu ernähren", sagt der laotische Diplomat Serge Verniau. Die Lösung könnten Grillen, Käfer oder Ameisen sein. Bereits heute sind Insekten - gegrillt oder gebraten - Teil der Küche des asiatischen Landes.

In zahlreichen Gegenden der Welt gehören Insekten zum Speiseplan. Hier eine US-Studentin beim Selbstversuch in Florida.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Serge Verniau ist ein Mann mit einer Mission: Er will die Menschen überzeugen, von Steaks und Chicken Wings auf den Verzehr von Grillen, Rüsselkäfern und anderen Insekten umzusteigen. Verniau vertritt das mit Mangel- und Unterernährung kämpfende Laos bei der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO). Sein Traum - wenn auch nur halb ernst gemeint - ist es, "die großen Metropolen von Tokio bis Los Angeles über Paris" mit den Krabbeltieren zu ernähren. Bei einer Konferenz zu essbaren Insekten, die möglicherweise schon 2012 stattfindet, will er der Welt die bei einem Pilotprojekt gewonnenen Erkenntnisse präsentieren.
"Die Mehrheit der Weltbevölkerung wird in städtischen Ballungszentren leben", sagt Verniau. "Es wird nicht gelingen, den ganzen Planeten mit ausreichend Proteinen von Kühen zu ernähren." Dass sein Traum in Laos entstand, einem der ärmsten Länder der Welt, ist kein Zufall. Knapp ein Viertel der sechs Millionen Einwohner und beinahe 40 Prozent der Kinder unter fünf Jahren leiden an Unterernährung, wie aus der Statistik der laotischen Regierung hervorgeht. Die typische auf Reis basierende Ernährung bietet nur unzureichend Nährstoffe - ein Manko, das mit dem Verzehr von protein- und vitaminreichen Insekten aus dem Weg geräumt werden könnte.
Gegrillt oder gebraten
Bereits heute seien Insekten gegrillt oder gebraten Teil der laotischen Küche, sagt Udom Phonekhampheng von der landwirtschaftlichen Fakultät der staatlichen Universität Laos. Die meisten Menschen wüssten jedoch nicht, wie sie Insekten züchten können. Neben Hausgrillen, wie sie auch in großen Mengen im benachbarten Thailand gezüchtet werden, versuchen sich die Wissenschaftler an seinem Institut an der Aufzucht von Mehlwürmern, Rüsselkäfern und bestimmten Ameisenarten.
In einem Versuch, die Kosten der Fütterung zu reduzieren, experimentieren die Studenten mit verschiedenen Futtermöglichkeiten für die Insekten, wie der thailändische Insektenkundler Jupa Hanbunsong erklärt, der das Projekt betreut. Bislang wurde auf den etwa 20 Grillenfarmen in Laos Hühnerfutter verwendet, das aber teuer ist und importiert werden muss. Gemüse oder Abfallreste, die beim Bierbrauen anfallen, könnten eine Lösung sein, sagt Jupa. Neben dem Kampf gegen Unterernährung könnte die Zucht auch dazu dienen, den Bauern ein neues einträgliches Geschäftsfeld zu eröffnen.
Nur das Zirpen kann stören
Phuthone Sinthiphanja hat diese Chance bereits vor vier Jahren ergriffen. Die Rente von seiner harten Arbeit in der Tabakindustrie reichte nicht, "also habe ich mit der Zucht von Insekten begonnen", erzählt der 61-Jährige. Alle zwei Monate komme er mit der Zucht in seinem Garten auf 67 Kilogramm Grillen. Ein Kilogramm lebender Insekten bringe ihm 60.000 Kips (etwa fünf Euro) ein. Zu seinen Kunden zählten Restaurants, Dorfbewohner und Märkte. Die Zucht sei einfach, sagt Phuthone Sinthiphanja. Sie brauche nur wenig Platz und kaum Ressourcen - einzig das Zirpen der Grillen könnte die Nachbarn stören.
"Die Insektenzucht ist weniger schädlich für die Umwelt", sagt Insektenkundler Jupa. "Es ist ein grünes Protein." Befürworter sind überzeugt, dass die Nährstoff- und Umweltvorteile auch über Laos hinaus von Nutzen sein könnten, insbesondere in anderen Entwicklungsländern, in denen die Menschen an den Verzehr von Zikaden und Heuschrecken gewöhnt sind. So könne beispielsweise aus Grillen ein proteinreiches Pulver gemacht werden, sagt Ernährungsexperte Verniau: "Es ist fettarm und könnte in Regionen, die auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sind, Keksen beigemischt werden."
Die Hoffnung, selbst Skeptiker im Westen von seinem Traum zu überzeugen, hat Verniau nicht aufgegeben. "Ob Shrimp oder Grille, bei genauem Hinschauen hat beides doch denselben Reiz", sagt er scherzhaft.
Quelle: ntv.de, Amélie Bottollier-Depois, AFP