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Mission ohne Rückfahrkarte Rheinländer will den Mars besiedeln

Besonders einladend erscheint der "Rote Planet" nicht.

Besonders einladend erscheint der "Rote Planet" nicht.

(Foto: picture alliance / dpa)

2022 soll es so weit sein: Stephan Günther will dann grüne Landschaften gegen die staubige Wüste auf dem Mars eintauschen - und zwar bis zu seinem Lebensende. Der Pilot, der seit er denken kann für die Raumfahrt glüht, bewirbt sich als Kandidat für die "Mars-One"-Mission der Niederländer.

Viele kennen Fernweh. Manche wollen hoch hinaus. Bei Stephan Günther ist es extremer. Der 44-jährige Pilot und Fluglehrer will auf den Mars. "Die Raumfahrt ist mein Thema, seit ich denken kann und steckt in jeder meiner Zellen. Ich wollte immer schon ins All." Er hat sich für die private "Mars One"-Mission beworben, die die Besiedlung des Roten Planeten von 2023 an plant. "Der Start soll 2022 sein, dann nähern sich Mars und Erde auf der Umlaufbahn so sehr an, dass nur acht Monate Flugzeit nötig sind."

Die niederländische Stiftung Mars One will unter Führung des Ingenieurs Bas Lansdorp  in zehn Jahren die ersten vier Menschen auf dem Roten Planeten landen lassen. Ziel ist eine dauerhafte Kolonie. Mit einer niederländischen Technik-Hochschule ist wissenschaftliche Zusammenarbeit vereinbart. Internationale Experten etwa aus Industrie und Raumfahrtmedizin begleiten das Projekt. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hält die Mission nicht für unseriös oder Science Fiction, sieht aber noch zahlreiche zentrale Fragen ungeklärt, wie Sprecher Andreas Schütz sagt.

Stephan Günther sagt: "Sie brauchen eine ganz neue Sorte von Mensch, die für den Mars ausgebildet werden muss - in wissenschaftlicher, technischer, charakterlicher Hinsicht." Warum will er seine grüne Wohnidylle in der Kleinstadt Leichlingen nahe Köln gegen den nackten, einsamen Mars eintauschen? "Wir Menschen müssen das All entdecken. Wir müssen auch hinter den Horizont schauen." Dass der Mars-Rover "Curiosity" der US-Weltraumbehörde Nasa kürzlich Wasser im Boden aufgespürt hat, sei eine wichtige, tolle Nachricht, sagt Günther.

Der Mars bringt das Blut zum Kochen

Der ferne Planet ist dennoch alles andere als lebensfreundlich. "Die Atmosphäre ist so dünn, dass das Blut sofort kochen würde ohne Raumanzug", sagt der Vater von drei Kindern. "Es gibt Jahreszeiten, aber extremer als auf der Erde, mit bis zu minus 100 Grad Celsius. Der Sauerstoff muss auf dem Mars erst produziert werden." Er setzt auf Sachkenntnis, gezielte Vorbereitung und: "Man braucht natürlich auch eine besondere Ader, um diese rote Wüste zu mögen."

Weil Günther schon früh ins Weltall wollte, hat er vieles danach ausgerichtet, angefangen beim Abitur mit den Schwerpunkten Technik und Physik. Er besitzt eine amerikanische Berufspilotenlizenz, entwickelt Software für Flugsimulationen - etwa Space-Shuttle-Starts und Mond-Spaziergänge. Der 44-Jährige hat sich zum Kommunikationstrainer ausbilden lassen, um besonders teamfähig zu sein.

Die Darstellung zeigt den Anflug des Mars-Rovers "Curiosity".

Die Darstellung zeigt den Anflug des Mars-Rovers "Curiosity".

(Foto: picture alliance / dpa)

"Rein technisch halte ich es für absolut machbar, zum Mars zu fliegen und eine Siedlung aufzubauen", meint Günther. "Aber der mentale, menschliche Faktor kann zum Problem werden. Hier wird die Auswahl schwer." 40 Bewerber sollen in Vierer-Teams ab 2014/15 acht Jahre lang für die Mission trainieren, nur eine Gruppe dann wirklich losfliegen. Viele Tausend Bewerber gebe es, rund 40 aus Deutschland. Eine engere Auswahl solle zum Jahresende getroffen werden.

Das DLR ist in einigen Punkten skeptisch: "Es muss geklärt werden, wie man Ernährung und Sauerstoffversorgung durchgängig sichern will", sagt Sprecher Schütz. Mars One solle offen legen, was den Teilnehmern physisch und psychisch zugemutet werde. Technisch könne eine solche Mission aber grundsätzlich gelingen.

Alle zwei Jahre vier weitere Freiwillige

Der Aufbau des "Mars One"-Camps soll nach bisherigen Vorstellungen unbemannt über Roboter erfolgen. Fünf Module sollen in Betrieb genommen werden, 2022 dann eine Rakete mit dem sechsten Modul und den vier ersten Mars-Menschen kommen. Alle zwei Jahre ist die Landung vier weiterer Astronauten geplant. Die Freiwilligen sollen aus Eis und Wasser im Boden Sauerstoff und Wasserstoff gewinnen, Pflanzen in Gewächshäusern züchten, die dann später die Sauerstoffproduktion übernehmen und die ersten Bewohner ernähren sollen. Matten mit Solarzellen sollen der Energiegewinnung dienen. Ob es wirklich zu all dem kommt, ist noch ungewiss. Auch aus finanziellen Gründen.

Die Kosten der Mission werden mit rund sieben Milliarden Euro angegeben - was Kritiker für unrealistisch wenig halten. Das Geld soll über den Verkauf weltweiter Medienrechte reinkommen. Laut DLR gehen Schätzungen bisher von 100 Milliarden US-Dollar, also der zehnfachen Summe, für eine solche Mission aus - allerdings inklusive Hin- und Rückflug.

Ein Rückflug ist bei "Mars One" aber nicht geplant, "weil das den Kostenrahmen exorbitant steigern und die Entwicklung einer ganz neuen Technik erfordern würde", sagt Günther. Es sei zudem unklar, wie der Mensch ihn biologisch überstehen würde. In acht Monaten Flug in der Schwerelosigkeit gingen rund 30 Prozent der Muskel- und Knochenmasse verloren. Auf dem Mars schreite die Degeneration voran. Kritiker allerdings finden die fehlende Möglichkeit einer Rückkehr ethisch bedenklich.

Ob es Günther wirklich auf den Mars schaffen wird, steht in den Sternen. Fest steht: "Es wäre mein absoluter Lebenstraum."

Quelle: ntv.de, Yuriko Wahl-Immel, dpa

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