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"Trainieren ohne Hirn" Sport kann süchtig machen

Speziell in Zeiten von Playstation, Fast Food und Co. scheinen Menschen, die regelmäßig die Turnschuhe schnüren, besonders gesundheitsbewusst zu leben. Überschreiten Sportler jedoch ein gewisses Pensum, entziehen sie sich sozialen Kontakten und lassen sich nicht einmal durch Krankheiten vom Sport abhalten, besteht Grund zur Sorge.

Zu viel Training ist hochgefährlich.

Zu viel Training ist hochgefährlich.

(Foto: REUTERS)

Was zunächst absonderlich und überspitzt klingt, ist tatsächlich ein ernstzunehmendes Problem: Sport kann zur Sucht werden. Die "Anorexia" der Magersüchtigen heißt bei krankhaften Sportlern treffend "Anorexia athletica". Während sich magersüchtige Patienten beim Verspeisen ganz normaler Portionen schuldig fühlen, plagt den Sportfanatiker bei jedem verpassten Training das schlechte Gewissen. Auch wenn er davon mehr betreibt als gesundheitlich vertretbar.

Auffällig sind besonders Sportler, die sogar bei ernsthaften Verletzungen ihr Training nicht reduzieren wollen. "Da gibt es Menschen, die selbst bei einer Meniskusverletzung keine Ausdauereinheit auslassen wollen", sagt Winfried Banzer, Professor für Sportmedizin an der Goethe Universität in Frankfurt am Main, im Gespräch mit n-tv.de.

Mager und krank für den Erfolg

Ein Hauptgrund für das Dauertraining ist der krankhafte Wunsch nach Gewichtsverlust - daher auch die Nähe zur Magersucht. Und so gelten besonders Einzelsportarten wie Turnen oder Skispringen als problematisch, können doch hier tatsächlich durch ein niedrigeres Gewicht bessere Leistungen erzielt werden.

Eine besonders fatale Entwicklung tritt ein, wenn die Sportsucht mit einer normalen Essstörung einher geht. Wer die "Anorexia athletica" mit einer Magersucht paart, läuft Gefahr, seine Gesundheit ernsthaft zu schädigen. Bei magersüchtigen Frauen werden sämtliche potentiellen Effekte der Essstörung – beispielsweise ein unregelmäßiger Hormonhaushalt – durch das übermäßige Training noch wahrscheinlicher.

Kein Training ohne Pausen

Laut Banzer kann dem zwanghaften Bewegungsdrang auch "ein falsches Verständnis von der Beziehung zwischen Sport und Training" zu Grunde liegen: "Einige Erkrankte sind der Meinung, dass nur das Trainieren den Weg zum sportlichen Erfolg ebnet. Salopp gesagt trainieren sie ohne Hirn. Denn Menschen sind auf Wechsel zwischen Be- und Entlastung programmiert. Besser werden wir in den Pausen."

Vor allem werden zwischen den Trainingseinheiten kleine Wehwehchen auskuriert. Abnutzungserscheinungen an Sehnen, Bändern und Gelenken sind nicht untypisch für Sportler. Bei Athleten, die sich einer ernsthaften Regeneration verweigern, kann sich der Verschleiß jedoch härter und früher äußern.

Besonders hart spürt der sportsüchtige Athlet Abnutzungserscheinungen wohl auch im seelischen Bereich. Auch Depressionen können ein Nebenprodukt der "Anorexia athletica" sein. "Der Athlet wird durch die falsche Auseinandersetzung mit seiner Sportart in einen Kreislauf gedrängt, aus welchem später Depressionen entstehen können", so Banzer.

Eines ist sicher: Spaß am Sport haben Abhängige kaum noch. Und so verraten sie nicht nur ihren eigenen Körper, sondern auch ihre einstmals große Leidenschaft.

Quelle: ntv.de, mkr

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