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AKW-Betreiber hat nicht genug getanIAEA kritisiert Tepco scharf

04.04.2011, 21:07 Uhr
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Mitarbeiter der japanischen Marine arbeiten von einem Schiff von der Meeresseite aus am AKW Fukushima (Bild des japanischen Verteidigungsministeriums). (Foto: dpa)

Der Chef der Atomenergiebehörde kritisiert den Betreiber des havarierten AKW Fukushima 1. Tepco habe nicht genug getan, um den Unfall zu verhindern, sagt Amano. Tepco lässt derweil mehr als 10.000 Tonnen radioaktiv belastetes Wasser ins Meer abfließen. Den Arbeitern im AKW gelingt es nicht, einen in Reaktor 2 entdeckten Riss zu schließen.

IAEA-Chef Yukiya Amano hat den Betreiber des Katastrophen-AKW in Fukushima wegen unzureichender Sicherheitsmaßnahmen kritisiert. Tepco habe nicht genug Vorsorge betrieben, sagte er. Zudem forderte der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde die weltweite Stärkung der nuklearen Sicherheit, um solche Atomunfälle künftig zu vermeiden.

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Der Japaner Amano gilt als Atomenergieexperte und war im japanischen Außenministerium auch für Atomenergie zuständig. (Foto: AP)

"Rückblickend betrachtet waren die Maßnahmen des Betreibers nicht ausreichend, um diesen Unfall zu verhindern", sagte Amano in Wien. Damit änderte der Chef der UN-Behörde, deren Aufgabe die friedliche Förderung der Atomenergie ist, seine ursprüngliche Haltung. In seiner ersten Reaktion am 14. März hatte Amano noch kaum kontrollierbare Naturkräfte für den Unfall in Fukushima verantwortlich gemacht - und nicht etwa menschliches Versagen oder falsches Design. Das Kraftwerk wurde durch ein Erdbeben und einen Tsunami am 11. März beschädigt.

Eine Lehre aus Fukushima müsse aus Sicht Amanos sein, dass die Atomkraftwerke weltweit sicherer gemacht werden müssten. "Wir können nicht die 'business as usual' Haltung einnehmen", sagte er zum Auftakt der fünften Überprüfungskonferenz des Übereinkommens über nukleare Sicherheit (Convention on Nuclear Safety). Die Sorgen von Millionen Menschen weltweit müssten ernst genommen werden. "Es ist offensichtlich, dass mehr für die Sicherheit von Atomkraftwerken getan werden muss, um das Risiko eines künftigen Unfalls signifikant zu reduzieren", erklärte Amano.

11.500 Tonnen radioaktives Abwasser

Tepco sieht sich derweil wegen der Wassermassen in der Atomruine des AKW Fukushima 1 gezwungen, Teile der radioaktiven Brühe ins Meer zu leiten. Der Energiekonzern begann damit, 11.500 Tonnen Abwasser in den Pazifik zu pumpen, meldete die Nachrichtenagentur Kyodo. Es sei nur leicht belastet, versicherte das Unternehmen. Gleichzeitig kämpfen die Arbeiter weiter gegen ein Leck, aus dem unkontrolliert stark verseuchtes Wasser in den Ozean strömt.

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Auch an Hunden wird die Radioaktivität gemessen. (Foto: AP)

Wie der Energiekonzern mitteilte, stammt der Großteil des Abwassers, das ins Meer geleitet wird, aus einer Speicheranlage auf dem Kraftwerksgelände. Mit der Aktion soll dort Platz geschaffen werden, um stärker strahlendes Abwasser lagern zu können. Dies sei nötig, weil vor allem im Turbinenraum von Block 2 sehr viel Flüssigkeit stehe, erklärte Tepco. Aus dem Block konnte die giftige Brühe bisher nicht abgepumpt werden, weil es an Tanks fehlt.

Regierungssprecher Yukio Edano sagte, das Vorgehen von Tepco sei ohne Alternative. Größere Gesundheitsrisiken befürchte die Regierung nicht. Der Professor für Reaktorsicherheit an der Uni Aachen, Hans-Josef Allelein, kritisierte hingegen das Vorgehen. "Wir sind jetzt in der dritten Woche nach dem Störfall. Da hätte man auf dem Gelände Betontanks bauen können, in denen das Wasser zumindest zwischenzeitlich lagern könnte", sagte er. Die 11.500 Tonnen entsprechen 11,5 Millionen Liter.

Russland will mit einem Spezialschiff zur Entsorgung von Atommüll beim Abpumpen von radioaktiv verseuchtem Wasser helfen. Die schwimmende Aufbereitungsanlage "Landysch" (Maiglöckchen) war vor zehn Jahren für etwa 35 Millionen US-Dollar (rund 25 Millionen Euro) von Japan finanziert worden, um Abfall von ausgemusterten russischen Atom-U-Booten unschädlich zu machen.

Leck kann nicht gestopft werden

Zudem macht den unter Lebensgefahr arbeitenden Helfern ein Leck zu schaffen, das am Wochenende entdeckt worden war. Versuche, die undichte Stelle mit Hilfe chemischer Bindemittel zu stopfen, scheiterten. Das Wasser hatte sich im Untergeschoss des Turbinengebäudes von Reaktor 2 sowie in einem tunnelförmigen Verbindungsrohr angesammelt. Versuche, den 20 Zentimeter langen Riss in der Wand eines Kabelschachtes am Ende des Rohrs mit Zement zu schließen, scheiterten. Ebenso Versuche mit einem Bindemittel, das mit Sägemehl und geschredderten Zeitungen angereichert wurde. Daraufhin kippten die Arbeiter ein weißes Färbemittel in das Wasser, um seinen genauen Verlauf in der Anlage festzustellen. Doch das gefärbte Wasser kam nicht bei den Abflussausgängen an. Nun wird befürchtet, dass das Wasser aus Gesteinsschichten heraus sickere, berichtete die Agentur Jiji unter Berufung auf Tepco.

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Beton konnte das Leck nicht stopfen. (Foto: dpa)

Während die Suche nach dem genauen Wasserlauf weitergeht, erwägt Tepco, im Meer Barrieren zu errichten, um eine Ausbreitung radioaktiver Partikel in den Pazifischen Ozean einzudämmen. Dies wird laut Atomaufsichtsbehörde vermutlich einige Tage dauern.

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) teilte mit, dass sich bei schwachem Wind aus unterschiedlichen Richtungen radioaktive Partikel über ein großes Gebiet verteilen könnten. Auch die Millionen-Metropole Tokio könnte demnach betroffen sein. Eine eindeutige Windrichtung lasse sich derzeit aber nicht ausmachen, sagte Meteorologe Jens Hoffmann.

Klimaschutzziele rücken in weite Ferne

Das in dem Kabelschacht angesammelte radioaktiv verseuchte Wasser stammt vermutlich aus dem Reaktor Nummer 2. Dort war es an den Brennstäben zu einer Kernschmelze gekommen. Die Verstrahlung des im Kabelschacht gefundenen Wassers mit Jod-131 liegt laut Tepco um das 10.000-Fache über der gesetzlichen Höchstgrenze.

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Aus einem Leck im Turbinengebäude von Reaktor 2 fließt radioaktives Wasser ins Meer. (Foto: REUTERS)

Doch offensichtlich entweicht nicht nur über das Wasser Radioaktivität in die Umwelt, sondern auch über die Luft. Mehrere Gemüsesorten sind bereits verstrahlt und dürfen auf Weisung der Behörden nicht mehr verkauft werden. Das trifft die Landwirtschaft schwer. In der Unglücksprovinz Fukushima, wo auch das havarierte AKW liegt, wurden in Shiitake-Pilzen radioaktive Substanzen gefunden. Die Provinzregierung wies 23 Pilzbauern an, keine der Pilze auszuliefern.

Wegen der ungelösten Atomkrise in Fukushima zweifelt die japanische Regierung inzwischen an den eigenen Klimaschutzzielen. Es könne sein, dass das Ziel einer Reduzierung der CO2-Emissionen um 25 Prozent im Vergleich zum Stand von 1990 überdacht werden muss, sagte Regierungssprecher Yukio Edano. Atomenergie ist weitgehend CO2-frei und war daher für die Klimaziele fest eingeplant. Da Fukushima 1 keine Strom mehr liefert, kam es bereits zu Stromausfällen in Städten. Der gesamte Komplex in Fukushima produzierte ein Fünftel des japanischen Atomstroms.

Die japanische Wirtschaft blickt nach der Atomhavarie pessimistisch auf die kommenden Monate. Laut einer Umfrage der japanischen Zentralbank sank der Tankan-Geschäftsklimaindex für das zweite Quartal auf minus zwei Punkte. Vor dem Unglück am 11. März hatten die Firmen ihre Aussichten für das zweite Quartal noch mit plus drei Zählern angegeben.

Quelle: dpa/AFP/rts