Archiv

Zack Snyders "Sucker Punch"Vorsicht! Faustschlag ohne Vorwarnung

05.08.2011, 07:16 Uhr
imagevon Thomas Badtke

"Macht nie auf dicke Hose, wenn ihr euch dann nicht traut, sie runterzulassen!" Das ist die perfekte Zusammenfassung für Zack Snyders "Sucker Punch". Der "300"-Regisseur lässt darin Baby Doll ein leicht bekleidetes Frauen-Quintett anführen, das mit allen nur erdenklichen Waffen gegen Drachen, Kampfroboter und Zombie-Weltkriegssoldaten kämpft.

"Sucker Punch" beginnt genauso, wie es der Titel des Films vermuten lässt: wie ein "Faustschlag ohne Vorwarnung". Zum Song "Sweet Dreams", der abgewandelt irgendwie zwischen dem Original der "Eurythmics" und dem Cover von Marilyn Manson dahinschrammelt, wird dem Zuschauer die Hauptprotagonistin Baby Doll (Emily Browning) vorgestellt, eine junge Blondine in Schulmädchen-Outfit. Sie ist konfrontiert mit dem Tod ihrer Mutter und den danach folgenden Übergriffen ihres Stiefvaters, der sich erst an Baby Doll und dann an ihrer kleinen Schwester vergreift. Als diese dabei stirbt, greift Baby Doll zur Waffe.

Passend zum draußen tobenden Gewitter lässt sie ihrer Wut freien Lauf und feuert mehrmals auf ihren Peiniger. Als er vor ihr liegt und sie die Waffe zum finalen Schuss ansetzt, Tränen der Verzweiflung, der Wut und Angst in ihren Augen, kann sie nicht abdrücken. Sie lässt die Waffe fallen und rennt weg.

Von der Psychiatrie ins Bordell

Das rächt sich, denn der Stiefvater lässt Baby Doll verhaften und in eine Psychiatrie einweisen. Gegen einen Obolus soll die 20-Jährige dort einer Lobotomie unterzogen werden und so alles Geschehene für immer vergessen. Der Stiefvater sieht dann den Weg zum Erbe frei.

Baby Doll, die die Pläne ihres Stiefvaters kennt, flüchtet sich daraufhin vor Angst in eine reine Fantasiewelt. Dort ist die Psychiatrie ein burleskes Bordell, die Wächter sind schmierige Männer und die anderen Insassen Prostituierte, die mit theaterhaft aufgeführten Tänzen die Gelüste der Freier bedienen. Baby Doll plant in ihrer Fantasiewelt die Flucht - gemeinsam mit vier weiteren Schicksalsgenossinnen. Fünf Tage haben sie Zeit, vier Gegenstände werden dazu benötigt.

Kämpfe für deine Freiheit!

Während Baby Doll Tag für Tag einen ihrer hypnotisierenden Tänze aufführt, stehlen die anderen die vier Gegenstände. Die Tänze sind nichts anderes als grotesk-fulminante Actionsequenzen: Baby Doll kämpft mit Schwert, Maschinenpistole, Granaten und allerlei anderen Waffen gemeinsam mit ihren Gefährtinnen gegen blutrünstige Drachen, die einem Fantasy-Rollenspiel entsprungen scheinen; gegen Samurai-Monster aus einem feudal anmutenden Japan; gegen Cyborgs in einer Zukunftsszenerie und gegen etwas, das an Gasmasken tragende Nazi-Zombies erinnert, die sich allerdings in die Schützengräben des Ersten Weltkriegs verirrt haben.

Drei der Gefährtinnen kommen dabei ums Leben. Nur Baby Doll und Sweet Pea (Abbie Cornish) gelingt die Flucht, auf der sich Baby Doll dann für die Freiheit ihrer Gefährtin opfert.

Als das in ihrer Fantasiewelt geschieht, springt die Handlung zurück in die Psychiatrie - und die Lobotomie wird durchgeführt. Es stellt sich heraus, dass Baby Dolls Bordell-Fantasiewelt und das Sanatorium miteinander eng verstrickt sind. Die toten Gefährtinnen sind auch in der Psychiatrie nicht mehr am Leben. Aber auch von dort ist eine Patientin geflohen … Und die Moral dieser Geschichte? "Du allein, du hast alle Waffen, die du brauchst. Jetzt kämpfe!"

Klotzen statt kleckern

Was Zack Snyder ("300", "Watchmen") mit "Sucker Punch" geschaffen hat, ist eine Melange aus "Kill Bill", "Moulin Rouge" und "Inception". "Dungeons & Dragons" trifft auf "Der rote Baron", "Sin City" auf "Star Wars", "Shutter Island" auf "Machete" - oder wie Snyder es ausdrückt: "'Sucker Punch' ist wie 'Alice im Wunderland' mit Maschinenpistolen". Kurzum: Der Film passt in keine Schublade: Märchen, Fantasy-Abenteuer, Action-Kino, Computerspiel-Verfilmung, Gesellschaftsdrama, Comic-Strip - alles findet sich darin wieder und macht "Sucker Punch" zu einem brachialen Anschlag auf die Sinne der Zuschauer.

Der Film kleckert nicht, er klotzt - und das mit allem, was er zu bieten hat. Eine Handlung gehört nicht unbedingt dazu, ganz im Gegensatz zum gitarrenlastig-coolen Soundtrack. Ironie gibt es nur am Rande. Das wiederum unterscheidet "Sucker Punch" von Snyders "Dawn Of The Dead" oder vor allem von "300". Eine Gemeinsamkeit sind dagegen neben dem unvermeidlichen Pathos auch die coolen Sprüche. Zugegeben, es gibt sie nicht zuhauf, aber gut dosiert und genau auf die Zwölf.

Neben den Special-Effect-Fantasiewelten, dem Snyder-typischen Wechsel von Freeze Frames und Bildbeschleunigung, der gewaltigen Action und den mehr als nett anzusehenden Hauptdarstellerinnen sollte beim Zuschauer aber vor allem eines von "Sucker Punch" hängenbleiben: "Macht nie auf dicke Hose, wenn ihr euch dann nicht traut, sie runterzulassen!" Treffend pointiert - wie ein Faustschlag ohne Vorwarnung.

DVD