US-Wahl

Thema Einwanderung in USA Präsentkorb oder Burggraben

Die letzte Station vor der Abschiebung: Ein Gefängnis in Arizona, wo eines der härtesten Einwanderungsgesetze der USA für Aufsehen sorgt.

Die letzte Station vor der Abschiebung: Ein Gefängnis in Arizona, wo eines der härtesten Einwanderungsgesetze der USA für Aufsehen sorgt.

(Foto: REUTERS)

Seit Jahren ringen Amerikas Politiker um eine Reform der Einwanderungspolitik. Hardliner fordern höhere Grenzzäune, Reformer eine Amnestie für Illegale. Im Wahlkampf ist die Debatte besonders bedeutend, denn Latinos stellen inzwischen eine mächtige Wählergruppe.

Wer im US-Bundesstaat Arizona leben und arbeiten will, muss erst einmal den Enten-Test bestehen. Wenn etwas läuft, schwimmt und schnattert wie eine Ente, ist es wohl auch eine Ente, das behauptet zumindest ein altes amerikanisches Sprichtwort. Nach dieser Maxime sollen Arizonas Polizisten mit ausländisch aussehenden Menschen verfahren: Wenn jemand wie ein illegaler Einwanderer aussieht, handelt oder spricht, ist er wohl auch einer, und kann deswegen jederzeit für eine Personenkontrolle in Gewahrsam genommen werden. Wer keine Papiere hat, wird umgehend ausgewiesen. Schweden, Deutsche oder Australier sind davon eher selten betroffen, dafür umso häufiger dunkelhäutige Latinos.

Seit 2010 ist das von Arizonas Republikanern auf den Weg gebrachte Gesetz in Kraft. Fünf weitere Staaten, in denen die Konservativen den Ton angeben, haben ähnliche Gesetze erlassen. Menschenrechtsgruppen und viele Demokraten halten das Gesetz hingegen für rassistisch motivierte Schikane gegen Latino-Amerikaner. Nun soll der Oberste Bundesgerichtshof in Washington darüber entscheiden, ob das Gesetz die Verfassung verletzt - neben dem Prozess über Präsident Obamas Gesundheitsreform bereits das zweite große Wahlkampfthema, zu dem sich Amerikas höchsten Richter positionieren müssen.

Obama ringt um Einwanderungsreform

Latinos in den USA

Wichtige Zahlen

Einwohner USA gesamt: 309 Millionen

Davon Latinos: 50 Millionen

(16 Prozent der Gesamtbevölkerung, die am schnellsten wachsende Bevölkerungsgruppe)

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Größte Gruppe: Mexikaner (32 Millionen)

Staaten mit meisten Latino-Amerikanern:

Kalifornien, Texas, Florida

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Latino-Amerikaner, die 2008 wählten: 9,7 Millionen

Wahlberechtigte Latinos 2012: 21,7 Millionen

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Illegale Einwanderer in den USA: 10,8 Millionen

Davon aus Mexiko: 6,6 Millionen

Quellen: US Census 2010, PEW, Department of Homeland Security

Für Barack Obama ist der Vorstoß von Arizonas Republikanern ein politisches Geschenk. Eigentlich hatte er versprochen, die dringend benötigte Einwanderungsreform noch in seiner ersten Amtszeit anzugehen. Damit war Obama jedoch vor allem am Widerstand der Republikaner im Kongress gescheitert. "Vielleicht brauchen sie einen Burggraben", resümierte Obama vor rund einem Jahr im texanischen El Paso. "Vielleicht wollen sie Alligatoren in dem Burggraben - und sie werden doch nicht zufrieden sein."

Allerdings war auch seine eigene Partei nicht immer hilfreich. Obamas erste Initiative, der sogenannte "Dream Act", war im US-Senat gescheitert, obwohl dort die Demokraten die Mehrheit haben. Das "Traum-Gesetz" sollte den Kindern von illegalen Einwanderern die Tür zur Einbürgerung öffnen. Die Republikanern lehnten das mehrheitlich ab, genauso wie zuvor die Idee, illegalen Einwanderern, die nicht straffällig geworden sind, Amnestie zu gewähren - ein Vorschlag von Ex-Präsident George W. Bush.

Obama hält jedoch weiterhin am "Dream Act" fest, genauso wie an Maßnahmen, die es allen illegalen Einwanderern leichter machen soll, die amerikanische Staatsbürgerschaft zu erlangen. Ein Weg zum Pass mit dem Adler-Wappen könne zum Beispiel über den Militärdienst führen, rund 11.000 Menschen wurden auf diesem Wege 2010 Amerikaner. Auch will Obama es ausländischen Uniabsolventen leichter machen, legal in den USA zu bleiben um dort zu arbeiten, statt das Land, wie bisher, mit dem Diplom in der Hand verlassen zu müssen.

Romney: Harter Kurs im Vorwahlkampf

Bei Amerikas Latinos kommt der Präsident mit diesen Vorschlägen gut an. Laut einer aktuellen Umfragen der Nachrichtenagentur Reuters unterstützen rund 33 Prozent der Latinos seine Einwanderungspolitik, nur 14 Prozent hingegen die von Obamas Wahl-Gegner Mitt Romney. Noch deutlicher fällt das Ergebnis bei einer Befragung des konservativen Senders Fox News aus: 70 Prozent der Befragten würde Obama wählen, 14 Prozent Romney.

Und Romneys Problem mit der spanischsprachigen Wählergemeinde kommt nicht von ungefähr. Im harten Vorwahlkampf rückte der Ex-Gouverneur von Massachusetts weit nach rechts, um den erz-konservativen Flügel der republikanischen Partei nicht zu verprelllen. Illegale sollten "sich selbst ausweisen", riet Romney in mehreren TV-Debatten. Darüber hinaus forderte er stärkere Grenzkontrollen und lehnte eine Amnestie für Illegale rundweg ab. Seinen Parteikollegen Rick Perry griff Romney besonders scharf an, weil dieser als Gouverneur von Texas vorschlug, Kindern von illegalen Einwanderern die Ausbildung in den USA zu bezahlen. Arizonas hartes Einwanderungsgesetz nannte Romney kürzlich "vorbildhaft" für das ganze Land, den "Dream Act" würde er als Präsident per Veto stoppen.

Mehr Abschiebungen unter Obama

Grenzstein an der amerikanisch-mexikanischen Grenze.

Grenzstein an der amerikanisch-mexikanischen Grenze.

(Foto: REUTERS)

Harte Worte, die Romney die Wahl kosten könnten. Denn die rund 50 Millionen Latinos in den USA bilden inzwischen eine mächtige Wählergruppe. 67 Prozent von ihnen wählte 2008 Obama. Vor allem in südlichen Bundesstaaten wie Arizona und Florida können Latinos Wahlen inzwischen entscheidend beeinflussen - und damit republikanisches Stammland ins demokratische Lager schieben.

Dabei hat sich Obama bei Latinos durchaus auch unbeliebt gemacht. Seit seiner Amtsübernahme ist die Anzahl der Abschiebungen stark gestiegen. 2009 wurden laut Heimatschutzbehörde fast 400.000 Menschen des Landes verwiesen - doppelt so viele wie unter Obamas Vorgänger Bush. Die Zahl der illegalen Grenzübertritte ist hingegen stark zurückgegangen.

Bei Latinos hat ihn das viel Zuspruch gekostet: Rund 60 Prozent von ihnen halten die Ausweisungen laut einer Umfrage des anerkannten PEW-Instituts für falsch. Nur noch 49 Prozent waren demnach mit seiner Arbeit insgesamt zufrieden. 2010 waren es noch 58 Prozent. Auf ihre Wahlentscheidung hat das bisher allerdings kaum Einfluss gehabt - zumindest bisher.

"Traum-Plan light" der Republikaner

Das Wahlkampfteam des Präsidenten hat diesen Trend jedenfalls schon als Problem ausgemacht und versucht sich früh in Schadensbegrenzung. Bereits im April wurden erstmals TV-Spots auf Spanisch veröffentlicht, Wochen bevor Obama seinen Wahlkampf offiziell eröffnet hat.

Doch auch die Republikaner haben den Kampf um Amerikas Latinos nicht aufgegeben. Floridas Senator Marco Rubio arbeitet zurzeit an einer abgespeckten Version des "Dream Act". Rubio, ein Liebling der erz-konservativen Tea-Party-Bewegung, hat kubanische Wurzeln und gilt auch deswegen als aussichtsreicher Kandidat für den Posten des Vizepräsidenten. Romney aber hält sich mit Unterstützung für Rubios Plan bisher noch zurück. "Er hat viele gute Aspekte, aber wir müssen ihn noch genauer anschauen", so Romney.

Bereits im Juni könnte der Oberste Gerichtshof über Arizonas umstrittenes Einwanderungsgesetz urteilen. Egal wie die Entscheidung ausfällt, beide politischen Lager werden darin Argumente für ihre Agenda finden.

Und die Frage, ob Arizonas "Enten-Test" für fremdländisch aussehende Menschen rassistisch motiviert ist, wird das Urteil leider auch nicht beantworten. Denn keiner der drei Anklagepunkte befasst sich damit.

Quelle: ntv.de

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