Die "Spiegel"-Kronzeugen Eine Frage der Glaubwürdigkeit
18.12.2008, 11:33 UhrDie Vorwürfe gegen die rot-grüne Bundesregierung basieren vor allem auf Interviews von US-Militärs. So sagte Ex-General Tommy Franks dem "Spiegel", die Hilfe des Bundesnachrichtendienstes im Irak sei "unbezahlbar" gewesen. "Es wäre ein großer Fehler, die von den Deutschen gelieferten Informationen zu unterschätzen", sagte Franks, der die Irak-Invasion geleitet hat. "Diese Jungs waren unbezahlbar", sagte er über die beiden deutschen BND-Agenten in Bagdad, die vor und während des Irak-Kriegs Meldungen über ihre Zentrale an die US-Streitkräfte lieferten.
Ähnliches Lob kam von einem früheren Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums. Marc Garlasco, der bis April 2003 im Pentagon die Einheit für hochwertige Bombenziele im Irak leitete, sagte dem "Spiegel", er habe regelmäßig Material aus Deutschland zugeliefert bekommen. "Es wäre Geschichtsfälschung, wenn man abstreiten wollte, dass der BND uns bei militärischen Kampfoperationen während des Krieges half", sagte Garlasco. "Die deutschen Quellenmeldungen waren sehr viel belastbarer und präsenter als der ganze Kram, den wir von den CIA-Rockstars bekamen." Der Begriff "Rockstars" bezeichnete laut "Spiegel" irakische Informanten.
"Detailliert und zuverlässig"
Zuvor hatte der "Spiegel" bereits über ähnliche Aussagen des früheren US-Generals James Marks berichtet, der den Aufklärungsstab der Bodentruppen im Irak geleitete hatte. Marks sagte, die Beiträge der beiden BND-Agenten aus Bagdad seien "extrem wichtig und wertvoll" sowie "detailliert und zuverlässig" gewesen: "Wir haben den Informationen aus Deutschland stärker vertraut als denen der CIA." Die BND-Meldungen hätten dazu beigetragen, dass der Kriegsbeginn vorgezogen und Pläne für einen Überraschungsangriff von Luftlandetruppen auf den Flughafen Bagdad wieder verworfen wurden.
Oberst Carol Stewart, die beim Aufklärungsstab des Central Command eingesetzt war, betonte ebenfalls im "Spiegel", die Deutschen hätten "exzellente Arbeit" geleistet und eine "positive und hilfreiche" Rolle gespielt. Wer behaupte, "dass diese Meldungen für Kampfhandlungen keine Rolle gespielt hätten, lebt auf einem anderen Planeten", sagte sie. Insgesamt will der "Spiegel" mit mehr als 20 US-Militärs gesprochen haben.
Kontroverse um Marc Garlacso
Die Frage ist, wie glaubwürdig Zeugen wie Franks, Garlasco, Marks und Stewart sind, wenn es darum geht, die Politik der rot-grünen Bundesregierung zu bewerten. Die Regierung von Kanzler Gerhard Schröder hatte jegliche aktive Beteiligung am Irak-Krieg abgelehnt und war dabei im Wahlkampf auf starke Konfrontation zu US-Präsident George W. Bush gegangen. Der "Spiegel" hält seine Interviewpartner für glaubwürdig. Marks gelte "in den USA als einer der wichtigsten Zeitzeugen für die Geschehnisse des Irak-Kriegs", Garlasco arbeite heute für die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.
In der linksliberalen Online-Zeitung "Huffington Post" zitierte der Hochschullehrer Rick Ayers Garlasco Ende Juli als Beispiel für die moralische Verrohung im Pentagon. In dem Beitrag geht es darum, wie das US-Verteidigungsministerium die veröffentlichte Meinung steuert, Garlacso wird als Beispiel eines skrupellosen Pentagon-Mitarbeiters dargestellt. "Und was macht Garlasco heute? Er wurde von Human Rights Watch als Experte angestellt. Fragt nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, wie das passiert ist." Garlasco wehrte sich mit einer scharfen Replik, in der er sich von der Bush-Regierung distanzierte.
Kontroverse um James Marks
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, hält das "Spiegel"-Interview mit Marks für manipuliert. Der Ex-General gebe vor, sich an etwas zu erinnern, "was er gar nicht kennen kann". Der SPD-Obmann im BND-Untersuchungsausschuss, Michael Hartmann, sagte, es sei keine Seltenheit, dass ehemalige Generäle für die Öffentlichkeitsarbeit des US-Militärs eingespannt würden. Die SPD habe wie die Union ein großes Interesse, den Ex-General im Ausschuss zu hören, und werde ihn einladen. Bislang seien aber hätten ausländische Zeugen von ihren Regierungen keine Genehmigungen erhalten. Der "Spiegel" behauptet, Marks könne sich "grundsätzlich vorstellen zu erscheinen".
Die "Bild"-Zeitung berichtete, der "Spiegel" sei bei seiner Berichterstattung über die Aktivitäten des BND während des Irakkrieges einem bezahlten Propagandisten des Pentagon aufgesessen. Marks sei seit Jahren Angehöriger einer rund 150 Mann starken geheimen Propaganda-Truppe des Pentagon, die seinerzeit vom damaligen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld persönlich eingerichtet worden sei, berichtete das Blatt unter Berufung auf US-Medien. Er werbe seither in Interviews und Talkshows aktiv für die amerikanische Irak-Politik und das umstrittene Gefangenenlager Guantnamo.
Über die Propaganda-Truppe des Pentagon hatte die "New York Times" schon im April berichtet. Das Ministerium habe im Vorfeld des Irak-Krieges damit begonnen, die Gruppe aufzubauen. Die meisten der als Militär-Experten auftretenden Männer hätten Verträge mit Unternehmen der Rüstungsbranche. "James Marks, ein Armeegeneral im Ruhestand und Experte für CNN von 2004 bis 2007, kümmerte sich als Manager von McNeil Technologies um militärische und geheimdienstliche Verträgen." McNeil ist ein "Dienstleister" für Geheimdienste und die US-Armee. Während Marks bei CNN das Geschehen im Irak kommentierte, organisierte er laut "New York Times" für McNeil einen Übersetzer-Vertrag mit dem Pentagon im Umfang von 4,6 Milliarden Dollar. Marks selbst wurde Chef der McNeil-Tochter "Global Linguist Solutions".
Quelle: ntv.de