Zeuge im Saddam-Prozess "Körperteile im Fleischwolf"
05.12.2005, 18:38 UhrFür jene, die unter der Herrschaft des gestürzten irakischen Machthabers Saddam Hussein gelitten haben, dürfte die Erinnerung an das Hauptgebäude des Geheimdienstes in Bagdad eine der schlimmsten sein. Ahmed Hassan gehört zu den Opfern - und schilderte am Montag als erster Zeuge der Anklage im Prozess gegen Saddam und sieben seiner Helfer, was er in den berüchtigten Verhörräumen des "Hakmija" erlebte: Wie Männer und Frauen tagelang gefoltert worden seien. Wie Neugeborene gestorben seien, weil niemand sie versorgt habe. Und von einem Fleischwolf, durch den Körperteile gedreht worden seien.
"Ich schwöre bei Gott: Ich kam an einem Raum vorbei und sah da einen Fleischwolf, aus dem Blut strömte, und darunter lag menschliches Haar", sagte der 38-Jährige. Als Jugendlicher habe er 1982 miterlebt, wie Saddam in das südirakische Dorf Dedscheel kam - und dort nur knapp einem Attentat entging. Seine Familie sei daraufhin wie hunderte andere Menschen des Ortes auch festgenommen und in das Bagdader Gebäude gebracht worden, wo sie die Brutalität des Regimes selbst miterlebten. 70 Tage seien sie dort eingesperrt gewesen, erklärte Hassan. "Niemand ist der Folter entkommen."
"Meinem Bruder haben sie Elektroschocks gegeben, während mein 77-jähriger Vater zuschauen musste", sagte Hassan weiter. "Sie haben uns gesagt: Warum gesteht Ihr nicht, Ihr werdet sowieso hingerichtet." Einem Mann hätten die Aufseher zwei Kugeln ins Bein geschossen. In einem anderen Fall habe eine Frau ihr Baby nicht versorgen können, weil sie keine Milch bekommen habe. Dann habe einer der Verantwortlichen das tote Neugeborene einfach aus dem Fenster geworfen. Viele andere Babys, die in dem Gebäude zur Welt gekommen seien, seien ebenfalls gestorben.
Unterbrochen wurde Hassan in dem hochgesicherten Gerichtssaal immer wieder von Zwischenrufen von Barsan Ibrahim al-Tikriti - einem von Saddams jüngeren Halbbrüdern, der wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in dem Dedscheel-Verfahren mitangeklagt ist. Barsan war damals Chef des Geheimdienstes und nach Ansicht der Staatsanwaltschaft an der Tötung von mehr als 140 überwiegend schiitischen Männern beteiligt.
Während Barsan die Aussagen Hassans als Lügen bezeichnete, belastete ihn der Zeuge schwer. Der Geheimdienstchef sei persönlich vor Ort gewesen, als Sicherheitskräfte Dedscheel einkreisten und einen Großteil der Einwohner abführten. "Barsan war dabei. Er hatte rote Cowboy-Stiefel und blaue Jeans an und ein Gewehr dabei."
Alle Angeklagten haben auf nicht schuldig plädiert. Bei einer Verurteilung droht ihnen die Todesstrafe.
(Michael Georgy und Paul Tait, Reuters)
Quelle: ntv.de