Pressestimmen

Desaster um City-BKK-Versicherte "Gründe liegen im System"

Da die City BKK pleite ist und zum 1. Juli geschlossen wird, müssen sich ihre Versicherten eine neue Krankenkasse suchen. Bislang weigerten sich einige Kassen, vor allem ältere und kranke Versicherte aufzunehmen.

Da die City BKK pleite ist und zum 1. Juli geschlossen wird, müssen sich ihre Versicherten eine neue Krankenkasse suchen. Bislang weigerten sich einige Kassen, vor allem ältere und kranke Versicherte aufzunehmen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Drohung von Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) zeigt Wirkung: Die gesetzlichen Krankenkassen wollen künftig alle Versicherten der insolventen City-BKK anstandslos aufnehmen. Möglichst viele der 167.000 Betroffenen sollen nun binnen sechs Wochen eine neue Chipkarte bekommen, Problemfälle sollen allen Beteiligten einer eigens gegründeten Kassen-"Task force" gemeldet werden. Die Versicherten der bankrotten City BKK gelten als überaltert und teuer. Aus diesem Grund versuchten die anderen Krankenkassen bislang, sie möglichst abzuwimmeln.

Die Abweisung von Versicherten der Pleite-Kasse City BKK durch andere Krankenkassen ist für die in Frankfurt (Oder) herausgegebene Märkische Oderzeitung "ein Ärgernis in jeder Hinsicht - wobei nicht alle, die sich jetzt darüber aufregen, frei von Verantwortung sind. Jetzt wird wieder herumgedoktert. Doch es nützt gar nichts, das Verhalten von Kassen zu skandalisieren, wenn sie in ein System gezwängt werden, das sie ökonomisch bestraft, wenn sie Recht und Moral beachten".

Die Ludwigsburger Kreiszeitung schenkt den Zusagen der Krankenkassen wenig Vertrauen. Sie fordert ein Durchgreifen der Politik: "Unter fadenscheinigen Begründungen wurden viele vor allem ältere City-BKK-Versicherte von AOK, Barmer & Co abgewimmelt. Schon der Slogan 'Gesundheitskasse' bewahrheitet sich damit auf fatale Weise: Für Kranke fühlen sich manche Krankenkassen offenbar nicht mehr zuständig. Auch wenn die ertappten Sünder jetzt Besserung geloben, darf es der Bundesgesundheitsminister nicht bei bloßen Warnungen belassen. Es ist schwer vorstellbar, dass einfache Mitarbeiter auf die Idee gekommen sind, potenzielle Neukunden zu vergraulen. Vielmehr muss es sich um eine Anweisung von oben gehandelt haben. Deshalb wäre es das Mindeste, nach dieser Erfahrung empfindliche Sanktionsmaßnahmen gegen Kassenvorstände ins Gesetz zu schreiben. Die fehlen nämlich".

"Der Vorgang macht deutlich, wie gering der Einfluss der Politik auf die Gesundheitswirtschaft unter Röslers Regie geworden ist", schreiben die Nürnberger Nachrichten. Für das fränkische Blatt stellt die aktuelle Situation keine Ausnahmeerscheinung dar: "Einige Kassen tanzen seinem Haus ungeniert auf der Nase herum, doch das Gesundheitsministerium erging sich tagelang in dunklen Drohungen, statt konkrete Strafen auszusprechen. Kein Einzelfall: Immer wieder schaffen es die mächtigen Ärzte-, Kassen- und Pharmalobbyisten durch Tricks oder offenen Rechtsbruch, den Gesetzgeber vorzuführen - mit ein Grund, warum unser Gesundheitssystem als unreformierbar gilt".

Auch die Zeitung Neues Deutschland aus Berlin macht die Politik für das Wechselchaos um die insolvente Krankenkasse City BKK verantwortlich: "Die Menschen, die vor den Zweigstellen der Krankenkassen Schlange standen, haben vielleicht Jahrzehnte eingezahlt und merken nun: Sie sind unerwünscht. Verängstigt sind Ältere und chronisch Kranke, die gerade jetzt zur Untersuchung sollten, gerade jetzt ein neues Rezept brauchen. Aus Sicht der Politik stellte sich alles so einfach dar: mehr Wettbewerb, weniger Kassen. An Kollateralschäden dachte niemand. Nicht an Ärzte, die wider besseres Wissen und Gesetz City-BKK-Patienten abweisen. Oder an eine Versicherung, die einfach erstmal ihre Kundencenter mit der Begründung schloss, man müsse sich um die eigenen Versicherten kümmern".

Ähnlich äußern sich auch die Kieler Nachrichten: "Die Gründe für das Desaster liegen im System. Es zwingt Kassen mit 'ungünstiger' Versichertenstruktur zu höheren Zusatzbeiträgen, die wiederum Versicherte mit 'guten Risiken' zum Kassenwechsel treiben. Das nennt die Regierung Wettbewerb. Die Politik hat mit der Kombination von Gesundheitsfonds, Risikostrukturausgleich und Zusatzbeiträgen quasi einen Brandbeschleuniger in die Kassen-Landschaft geworfen. Andere kränkelnde Kassen werden durch die Übernahme von Versicherten der Pleite-Kassen zusätzlich belastet. Deshalb müssen auch sie Zusatzbeiträge erhöhen. Es droht eine Insolvenz-Welle".

Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Susanne Niedorf-Schipke

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