Pressestimmen

Flüchtlingsdrama auf dem Mittelmeer "Viele werden niemals ankommen"

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Wieder kentert ein völlig überladenes Flüchtlingsboot auf dem Mittelmeer. Wieder werden Hunderte Tote befürchtet. Damit wären alleine in diesem Jahr im Mittelmeer mehr als 2200 Flüchtlinge ums Leben gekommen. Die deutsche Presse wirft der EU angesichts der menschlichen Tragödie ein "beschämendes" Desinteresse vor und fordert die Bundesregierung zu einem "nationalem Kraftakt" auf.

Das Straubinger Tagblatt (Landshuter Zeitung) kommentiert angesichts der jüngsten Tragödie auf dem Mittelmeer: "Der Sondergipfel im Frühjahr sollte Antworten bringen. Stattdessen ließ und lässt er noch immer viele Fragen offen. Im November soll das nächste Spitzentreffen der Union stattfinden. Bis dahin riskieren weiter täglich Menschen ihr Leben auf dem Mittelmeer. Viele werden niemals ankommen."

Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung wirft der EU Tatenlosigkeit vor: "Seit dem Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs im April ist, wieder einmal, viel weniger geschehen, als versprochen war. Verabredet waren zum Beispiel größere Anstrengungen zur Seenotrettung." Die Grenzschutzagentur Frontex beklage jedoch zum wiederholten Mal, so das Blatt, "dass sie nicht genug Ausrüstung von den Mitgliedstaaten bekomme". Auch andere angekündigte Maßnahmen, so die Zeitung weiter, seien nicht verwirklicht worden: "Die verabredete gerechtere Verteilung der Flüchtlinge haben die Europäer bisher nur im Ansatz verwirklichen können. Ganz bescheiden sieht es bei den Bemühungen aus, die Fluchtursachen in den Herkunfts- und Transitländern zu bekämpfen. Und wollte die EU nicht auch militärisch gegen die Schmuggler vorgehen? Offenbar haben viele Politiker immer noch nicht erkannt, dass die Migration, einschließlich der Folgen, eines der größten Themen unserer Zeit ist."

"Nach dem jüngsten Bootsunglück vor der libyschen Küste füllt sich die Statistik des Grauens weiter", schreibt die Mitteldeutsche Zeitung. Die meisten dieser Migranten seien keine Wirtschaftsflüchtlinge: "Es sind Menschen, die vor Krieg und politischer Verfolgung in Syrien, im Irak, in Somalia, Afghanistan oder Mali fliehen. Und sie gelten nach dem Völkerrecht als schutzbedürftig und asylberechtigt." Europa, so die Zeitung weiter, habe wenig Antworten auf diese Tragödie: "Zwar ist das Entsetzen nach jedem neuen Massensterben im Mittelmeer groß. Doch wenn es um Taten geht, macht sich betretenes Schweigen breit. Die europäische Grenzschutzagentur Frontex, die vor den Küsten patrouillieren  soll, bekommt zwar mehr Geld. Doch die EU-Staaten stellen nicht einmal genug Schiffe für deren Mission bereit. Dieses europäische Desinteresse ist beschämend."

Die Neue Presse aus Hannover beleuchtet die prekäre Situation der überforderten Kommunen: "Wann endlich begreift der Bund, dass er mehr tun muss, als jährlich 500 Millionen Euro an Länder und Kommunen zu zahlen, damit diese die Flüchtlinge irgendwie unterbringen. Zu glauben, dass sich das Problem irgendwann von alleine löst, ist eine Illusion. Es gibt zu viele Krisen." Die Not der Flüchtlinge sei so groß, dass sie es in Kauf nähmen im Mittelmeer zu ertrinken. Europa trage mit seiner Abschottungspolitik an diesen Dramen eine Mitschuld: "Den Verzweifelten, die vor Krieg und Terror fliehen, stehen bei uns verzweifelte Kommunen gegenüber. Die sind schlicht überfordert. Damit das Thema nicht dauerhaft von Populisten oder - wie in Sachsen - vom rassistischen Pöbel missbraucht wird, ist ein nationaler Kraftakt nötig."

Zusammengestellt von Aljoscha Ilg.

Quelle: ntv.de

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