Kösters Direktabnahme

Köster über falsche Moral Rummenigges Kritik an China ist bigott

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Auch in der "chinesischen Sache" vereinte Homies: Karl-Heinz-Rummenigge (l.) und Hans-Joachim Watzke.

Auch in der "chinesischen Sache" vereinte Homies: Karl-Heinz-Rummenigge (l.) und Hans-Joachim Watzke.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern München, Karl-Heinz Rummenigge, mosert über die abartigen Summen im chinesischen Fußball. Dabei ist der Bundesliga-Rekordmeister ja selbst eine treibende Kraft des Gehälter-Wahnsinns.

Karl-Heinz Rummenigge verfügt über eine seltene Gabe. Der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern München kann nämlich sehr lustige Dinge sagen und dabei sehr ernst dreinblicken. Als Rummenigge Anfang der Woche auf einem großen Marketing-Kongress gefragt wurde, was er denn zu den Summen sage, die derzeit im chinesischen Fußball gezahlt werden, da sprach er mit nachdenklich gekräuselter Stirn: "Das sind abartige Gehaltszahlungen in China". Er konnte sich dabei der Zustimmung seines Duz-Kumpels Aki Watzke sicher sein, der Boss von Borussia Dortmund saß mit ihm auf der Bühne  und assistierte: "Ob das da in China nachhaltig ist, wird eine politische Entscheidung sein."

Zur Person: Philipp Köster

Philipp Köster, Jahrgang 1972, ist Chefredakteur und Herausgeber des Fußballmagazins "11 Freunde". In seiner Kolumne "Kösters Direktabnahme" greift er jeden Dienstag für n-tv.de ein aktuelles Thema aus der Welt des Fußballs auf. Zudem ist er seit der Saison 2016/17 Bundesligaexperte von n-tv.

Rummenigge und Watzke also als Schutzpatrone für Nachhaltigkeit und Augenmaß. Dumm nur, dass beide jede Erläuterung schuldig blieben, warum die chinesischen Gehälter und Ablösesummen nun so viel abartiger sind als die Gelder, die im europäischen Spitzenfußball gezahlt werden. Weil das Geld aus Staatskassen kommt und der chinesische Spitzenfußball offenbar durch einen Masterplan der chinesischen Regierung orchestriert wird, während sich der europäische Fußball durch einen völlig überhitzten Fernsehmarkt und brachiales Marketing finanziert?

Kein Zweifel, die chinesische Fußballoffensive trägt hysterische Züge. Dass im festen Willen, möglichst bald eine international konkurrenzfähige Liga und Nationalelf zu besitzen, wild mit Geld um sich geworfen wird, steht außer Zweifel. Und es gibt erste Anzeichen, dass der wilde Wahnsinn alsbald ein Ende hat. Dann nämlich, wenn in der Staatsführung die Einsicht ankommt, dass die Bevölkerung nur dann Gefallen am Fußball finden wird, wenn in der obersten Liga nicht nur horrend bezahlte Frühpensionäre aus Übersee kicken.

Merkwürdiger Gestus

Und trotzdem mutet der moralisch erhabene Gestus der deutschen Fußballfunktionäre merkwürdig an. Denn bei einigermaßen nüchterner Betrachtung kommen auch die Gehaltszahlungen der hiesigen Spitzenklubs, um Rummenigges Duktus beizubehalten, abartig daher. Arjen Robben, Robert Lewandowski, Franck Ribery, Marco Reus – keiner dieser Spieler verdient weniger als zehn Millionen Euro im Jahr. Daraus ist weder den Spielern noch den Klubs ein Vorwurf zu stricken – es gehört allerdings keine große intellektuelle Anstrengung dazu, dass sich sowohl der europäische als auch der chinesische Profifußball in der gleichen Parallelwelt bewegen, einem abgedrehten Showbusiness mit sehr eigenen paranormalen Maßstäben.

In dieser Parallelwelt steckt ein russischer Oligarch Milliarden in einen angeschlagenen Londoner Traditionsklub, rechtfertigt Karl-Heinz Rummenigge ein lukratives Trainingslager in einem autokratischen Staat mit "Aberglauben", wird ein Minderjähriger wie auf dem Viehmarkt an den Meistbietenden verhökert und verballert eben auch der chinesische Staat Milliarden beim ziemlich sicher scheiternden Versuch, auch im Fußball eine Weltmacht zu werden . Alles abartig? Nein, alles ganz normal im internationalen Fußball.

Das weiß übrigens jeder. Jeder bis auf Aki Watzke und Kalle Rummenigge.

Quelle: ntv.de

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