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Merkel spuckt in die SuppeDax verschluckt sich

24.11.2011, 17:49 Uhr

Der Handel ist geprägt von Unsicherheit und Misstrauen. Eine erneute Absage von Kanzlerin Merkel an Eurobonds beendet den Erholungsversuch der Standardwerte. Entgegen anderslautenden Medienberichten erklärt sie, dass es keine Bewegung in der Frage gebe. Die Voraussetzungen für Eurobonds seien nicht gegeben.

Der deutsche Aktienmarkt hat enttäuscht auf das jüngste "Nein" von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Eurobonds reagiert. Der Leitindex drehte ins Minus. Der Euro fiel auf ein Tagestief von 1,3319 Dollar.

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Dieses Schweinerl hätte der Markt gerne. (Foto: picture alliance / dpa)

Die Hoffnung, dass die deutsche Politik sich bei dem Thema bewegen könnte, hatte den Dax im Laufe des Tages bis auf 5563 Punkte geschoben. Zuletzt notierte er 0,5 Prozent leichter bei 5428 Zählern. Damit nahm der Leitindex seine Talfahrt der vergangenen Woche wieder auf. In den vergangenen acht Handelstagen hat er fast zehn Prozent verloren.

Der MDax mittelgroßer Werte hielt sich mit 1,4 Prozent im Plus bei 8222 Punkten. Der Technologieindex TecDax zeigte sich ebenfalls stoisch und notierte mit plus 1,7 Prozent bei 647 Zählern.

Vor dem Knick im Dax hatte Merkel in Straßburg erklärt, sie halte die Voraussetzungen für Eurobonds für nicht gegeben. "Bild" und "Financial Times Deutschland" hatten zuvor aber berichtet, die schwarz-gelbe Koalition bewege sich in der Frage der Eurobonds doch. Die Bundeskanzlerin hat sich bereits wiederholt gegen diese gemeinsamen Anleihen ausgesprochen, während die EU-Kommission diese Papiere befürwortet.

"Viele haben die Hoffnung, dass die Eurobonds zur Lösung der Euro-Krise irgendwann kommen - doch sobald Merkel dagegen redet, fallen diese Hoffnungen wieder in sich zusammen", sagte ein Händler. Die Finanzierungssorgen der hochverschuldeten Länder würden abnehmen, wenn die kategorische Ablehnung durch Deutschland fallen würde. Das würde sich auch an den Aktienmärkten positiv niederschlagen, heißt es.

Portugal verhagelt Renditen

Die Herabstufung der Kreditwürdigkeit Portugals durch die Ratingagentur Fitch trieb die Renditen von Euro-Krisenländern wieder nach oben. Aber auch am deutschen Anleihemarkt ließ sich das Misstrauen nach dem Schock über die mangelnde Nachfrage für eine Sechs-Milliarden-Staatsanleihe am Vortag nicht abschütteln.

Deutlich unter Druck gerieten portugiesische und irländische Staatspapiere. Während die Rendite für zehnjährige Anleihen aus Portugal um rund 0,8 Punkte auf 11,75 Prozent zulegte, kletterte die Rendite für irische Titel ähnlich stark auf bis zu 9,6 Prozent. Händler nannten als Hauptgrund eine Aktion der Ratingagentur Fitch, die als zweite große Agentur die Bonität Portugals in den Ramsch-Bereich abstufte. Portugal und Irland werden derzeit mit Mitteln des Rettungsfonds EFSF gestützt, daher hat die Abwertung durch Fitch in der Praxis kaum Auswirkungen.

Deutsche Staatsanleihen erholten sich kaum von dem Renditeanstieg am Mittwoch, als eine Auktion neuer Zehnjahres-Anleihen auf eine überraschend schwache Nachfrage getroffen war. Angespannt blieb die Situation auch in den zweit- und drittgrößten Euro-Ländern Frankreich und Italien. Während die Rendite für richtungsweisende zehnjährige Titel aus Frankreich auf hohem Niveau bei 3,7 Prozent verharrte, stieg die Rendite in Italien wieder über die Marke von sieben Prozent. Auch belgische Zehnjahres-Titel mussten abermals deutliche Renditeaufschläge hinnehmen und stiegen bis auf 5,7 Prozent. Im Vergleich dazu ist die zehnjährige Rendite in Deutschland mit 2,18 Prozent trotz des Anstiegs vom Mittwoch immer noch extrem niedrig.

"Am Anleihemarkt wirkt die teilweise gescheiterte Auktion deutscher Staatsanleihen noch nach", sagte Rainer Guntermann, Anleihenexperte der Commerzbank. Die Angst, dass auch die solideren Staaten der Eurozone unter Druck geraten könnten, sei gewachsen. "Deutsche Anleihen werden zudem durch die wieder aufgeflammte Diskussion über die Einführung gemeinsamer Euroanleihen belastet", sagte Guntermann.

Kaum im Fokus stand Japan, wo die Ratingagentur Standard & Poor's nun aber ebenfalls den Druck erhöht hat. Da die US-Börsen blieben am Berichtstag wegen des "Thanksgiving"-Feiertags geschlossen, so dass weitere Impulse vor allem aus Deutschland und Europa kamen.

Tageshoch nach Ifo-Index

Mit kräftigen Kursgewinnen hatte der Markt im frühen Handel noch auf den besser als erwartet ausgefallenen Ifo-Geschäftsklimaindex reagiert. "Nicht nur der Gesamtindex hat positiv überrascht, sondern auch die Komponenten", sagte ein Händler. Angesichts des Übergreifens der Staatsschuldenkrise auf Frankreich und Italien sei eine Verschlechterung der Erwartungskomponente faktisch ausgemachte Sache gewesen.

"Die hat sich aber nicht nur gehalten, sondern sogar leicht verbessert." Positiv sei auch, dass sich die Lagekomponente mit einem Stand auf dem Vormonatsniveau abermals gut geschlagen habe. "Anders als 2008 liegt sie damit weiter deutlich über dem längerfristigen Durchschnitt", so der Marktteilnehmer. Man habe den Eindruck, dass die Deutschen weiter auf einer Insel der Glückseeligkeit lebten.

Am Morgen wurde das deutsche Bruttoinlandsprodukt fürs dritte Quartal veröffentlicht. Bis auf den Bau entwickelten sich die deutschen Branchenaggregate ordentlich. Der private Konsum zog sogar um 0,8 Prozent an.

Commerzbank im Aufwind

Bei den Einzeltiteln fielen vor allem Finanz- und Automobilwerte auf. Größter Gewinner blieben über den Tag die Titel der Commerzbank. Vor allem die wegen der jüngsten Sorgen um eine Rezession der Weltwirtschaft gebeutelten Werte legen deutlicher zu. Lufthansa stiegen um 3,4 Prozent, VW um 0,4 Prozent und BMW um knapp 1,0 Prozent. Bei den Bankwerten setzten vor allem Commerzbank ihre Erholung fort und legten 4,5 Prozent zu.

Auch Deutsche Bank ließen etwas Federn bei ihren Gewinnen und landeten auf plus 0,4 Prozent, Aareal Bank stiegen um 3,7 Prozent. Allianz gaben 0,8 Prozent nach. Den Aussagen der Europäischen Bankenaufsicht EBA über den Refinanzierungsbedarf des Bankensektors messen Händler keine unmittelbare Bedeutung zu. Im kommenden Jahr müssen laut EBA Banken-Anleihen im Volumen von 700 Mrd. Euro refinanziert werden. Im Handel heißt es dazu, das Problem sei wohl bekannt.

Auch Deutsche Telekom drehten mit 0,6 Prozent ins Minus. Telekom und AT&T haben ihre Anträge für die Fusion von T-Mobile USA bei einer US-Behörde zurückgezogen. Beide Konzerne halten an der Transaktion mit T-Mobile USA fest. Jedoch wollen sie sich nach eigenen Angaben künftig auf den Erhalt der Genehmigung durch das US-Justizministerium konzentrieren. Aus diesem Grund hätten sie ihre Anträge bei der Federal Communications Commission (FCC) zurückgezogen, so die Begründung.

Im MDax stiegen Vossloh um 7,3 Prozent. Hier treiben Berichte über eine mögliche Aufstockung der Beteiligung durch Knorr Bremse. Gefolgt von Heideldruck, die 7,1 Prozent höher notierten.

Quelle: ddi/dpa/rts/DJ