

Für das Kunstprojekt "Der Pfad der Erlösten" hat sich US-Fotokünstler Spencer Tunick in die mexikanischen Stadt San Miguel Allende begeben.
Über 100 Frauen zeigten sich am "Día de Muertos", einem der wichtigsten Feiertage Mexikos, an dem der Verstorbenen gedacht wird, nahezu hüllenlos.
Die Frauen in den Gassen der Stadt trugen bei der Aktion lediglich Kränze aus der in Mexiko weit verbreiteten orangefarbenen Studentenblume.
Auch in Deutschland hat Spencer Tunick bereits Nackt-Installationen arrangiert. 1700 Menschen versammelten sich etwa im Sommer 2012 nackt in der Münchner Innenstadt.
"Der Ring" hieß die Aktion vor dem Nationaltheater zum Auftakt der Opernfestspiele München. Tunick dirigierte wie immer selbst.
Mit roter und goldener Körperfarbe bemalt ...
... posierten die Nackten.
Ist es Kunst? Oder nur voyeuristische Effekt-Hascherei?
Spencer Tunick zieht seine Masche jedenfalls konsequent durch. Seit Jahrzehnten.
2011 begeisterte Tunick 1200 Freiwillige am Ufer des Toten Meeres in Israel.
Sodom und Gomorrha! Die zwei biblischen Städte sollen sich hier befunden haben.
Bis heute gibt es eine Ortschaft namens Sodom.
Aber waren dort wieder die ganz alten Sitten ausgebrochen?
Wenn man den Ausrufen der orthodoxen Rabbiner und Politiker in den Zeitungen Glauben schenkte, dann ja.
Doch die hunderten Nackten benahmen sich sehr zivilisiert.
Und Tunick gelangen sehr ästhetische Aufnahmen.
Der 47-Jährige hat inzwischen über 65 Nackt-Installationen realisiert.
Mit seinen Aktionen mit nackten Menschenmassen, …
… die er "Körperlandschaften" …
... oder "soziale Plastiken" nennt, ….
… ist der US-Fotograf dabei schon um die ganze Welt gezogen - hier am 1. März 2010 vor die Oper von Sydney.
Immer versucht Tunick, seine Arbeiten in einen gesellschaftliche, zuweilen auch politischen Kontext einzubinden. So auch mit der Aktion "Nacktes Meer" in Israel im September 2011.
Am Toten Meer wollte Tunick auf die Gefährdung des tiefsten Sees der Welt durch Austrocknung aufmerksam machen.
Der abflussfreie See wird vom Jordan gespeist, …
... liegt mehr als 400 Meter unter dem Meeresspiegel …
… und hat einen extrem hohen Salzgehalt.
Das "Nackte-Meer-Projekt" war Teil einer Kampagne, um die Anerkennung des Toten Meers als ein Naturwunder der Welt zu erreichen.
Es ging also um Naturschutz – nicht um Wollust.
Die Kritik an seinen Nacktaufnahmen ficht Tunick ohnehin nicht an.
Ob seine Projekte akzeptiert würden, zeige den Grad der Offenheit und Toleranz eines Landes, sagt der jüdische Künstler.
Wenn ein Land Nackt-Kunst zulasse, erweise es sich als offen, progressiv und engagiert.
Genau das zu beweisen, war für die meisten der etwa 1200 überwiegend männlichen Israelis im Alter zwischen 18 und 77 Jahren der Grund, sich vor der Kamera auszuziehen.
1992 versammelt Spencer Tunick erstmals nackte Menschen vor seiner Linse.
Dutzende Projekte beispielsweise in …
... London (April 2003, vor der Saatchi Gallery, 160 Teilnehmer), ...
... Barcelona (Juni 2003, vor dem "Museu Nacional d’Art de Catalunya", 7000 Teilnehmer), ...
... New York (Oktober 2003, im Grand Central Terminal, 450 Teilnehmer), ...
... Wien (Mai 2008, im EM-Endspielstadion, 1800 Menschen ) oder ...
... und Sydney (März 2010, vor der Oper, 5200 Teilnehmer) …
... hat Tunick bereits realisiert.
Seine Botschaften sind dabei nicht immer so politisch wie etwa in Israel.
Es geht ihm vor allem darum, die Menschen in meist urbanen Zusammenhängen zu neuen Silhouetten zu formen.
Die Körper sollen sich wie eine neue Substanz in die Landschaften eingliedern.
Seine Bilder sieht Tunick dabei weniger als Aktfotos, ...
… sondern vielmehr als Landschaftsskulpturen.
Die Anzahl seiner nackten Models variiert dabei von einzelnen Personen in Moskau, …
… bis hin zu 18.000 Freiwilligen in Mexiko-Stadt im Mai 2007, ...
… die bisher größte entblätterte Menschenmenge.
Spektakuläre Projekte wie die Fotografien auf dem Schweizer Aletschgletscher im August 2007 …
… haben Spencer Tunick zu einem Liebling der Medien gemacht.
Egal, wo sich die Nackten in seinem Namen versammeln, ...
… die Presse ist dabei.
Das sorgt auch für massive Kritik aus der Kunstwelt.
Die Weltpresse interessiere sich für diesen "Menschen-Sammler", …
… diesen selbst ernannten "Tabu-Brecher", …
… ohne zu fragen, ob das Kunst oder Blödsinn sei, ätzt es hier und da.
Tunick selbst lässt sich offensichtlich davon nicht beeindrucken.
"Ich bin nicht der weltbeste Fotograf", sagt er selbst.
"Aber ich bin ein Künstler …
… und ein Perfektionist."
Der 1967 in New York geborene Fotograf verfügt zudem offensichtlich über ein beeindruckendes Charisma.
Denn er hatte noch nie Probleme, genügend Teilnehmer für seine Projekte zu finden.
Die Models in den per Fotografien und Videos dokumentierten Körperinstallationen …
… arbeiten grundsätzlich ohne Gage.
Zum Dank für ihre Teilnahme erhalten sie ein signiertes, in limitierter Auflage produziertes Foto der Installation.
Ein bescheidener Lohn für stundenlanges Aushalten …
… in unbequemen Positionen, …
… bei Wind und Wetter ...
… und Haut an Haut mit völlig Fremden.
Auch wenn seine Fotografien explizit nicht erotisch sein sollen …
… fordert Tunick seine Models gerne auf, …
… sich zu umarmen oder zu küssen.
Einige gehen deshalb gleich mit ihrem Partner zum Fotoshooting, …
… andere verlassen sich da vielleicht auf einen attraktiven Zufall.
Für mittlerweile weit über 50.000 Menschen weltweit scheint in jedem Fall ...
… ein ganz besonderer Reiz darin zu liegen, …
… nackt in der Masse unterzugehen.
Oft macht Tunick auch Auftragsarbeiten im Umfeld von großen sportlichen …
… oder kulturellen Ereignissen.
So kehrte er nach 1999 …
… im Mai 2008 nach Wien zurück.
Grund war die anstehende Fußball-Europameisterschaft.
Im Wiener Ernst-Happel-Stadion …
… sollten die Nackten die "Essenz des Sports, …
... die erhabenen und dramatischen Wogen der Stadionarchitektur …
… und die abstrakten Beziehung zwischen der menschlichen Gestalt …
… und modernen Bauwerken einfangen …
… und in sich vereinigen".
Seine vielleicht spektakulärste Installation auf dem Aletschgletscher in der Schweiz…
... war ein Protest gegen den Klimawandel.
Die Aktion hatte Tunick gemeinsam mit Greenpeace organisiert.
Während des Fototermins in knapp 2000 Metern Höhe herrschten rund zehn Grad Celsius.
Die Umweltaktivisten mussten Frottee-Schuhe an den Füßen tragen, um auf dem Eis nicht festzufrieren.
Auch in Deutschland zogen sich Menschen schon vor München für Tunick aus.
In Düsseldorf entblätterten sich circa 850 Männer und Frauen im August 2006 bei nur 14 Grad für den Fotografen.
Die Performance fand im Rahmen der Quadriennale 2006 statt, die damals das Thema "Körper" hatte.
Doch nicht nur Moralaposteln und Kunstkritikern stießen seine Aktionen so manches Mal sauer auf.
Auch die Behörden zeigten sich nicht immer begeistert.
Allein in Manhattan wurde er mehrmals festgenommen …
… und landete wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses auch schon mal hinter Gittern.
Doch all dies hat ihn nie von weiteren Projekten abgehalten.
Wenn Sie also irgendwo auf der Welt eine ungewöhnlich große Ansammlung nackter Menschen entdecken …
… schauen Sie sich gut um ...
… und Sie entdecken bestimmt Spencer Tunick bei der Arbeit.