

Arm an Krisen ist die Weimarer Republik nie. Geboren in einer Revolution nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg, …
… konfrontiert mit dem Versailler Vertrag und hohen Reparationsforderungen, die eine große moralische wie wirtschaftliche Last darstellen, …
… von Beginn an angefeindet von rechten wie linken Extremisten (Plakat der Deutsch-Nationalen zur Dolchstoßlegende), …
… droht der ersten deutschen Republik, die am 9. November 1918 von Philipp Scheidemann ausgerufen wird, schon in ihren Anfangsjahren der Zusammenbruch.
Nach bereits schwierigen Jahren wirkt 1923 wie ein Kulminationspunkt der Krisen und Konflikte dieser frühen Jahre: Französische und belgische Truppen besetzen das Ruhrgebiet, die wirtschaftliche Misere erreicht mit der Hyperinflation ihren Höhepunkt, …
… der Staat muss sich separatistischer Bewegungen erwehren und in München unternimmt Adolf Hitler (im Bild mit Erich Ludendorff) einen Putschversuch. Und das sind nur die wichtigsten Ereignisse des Jahres.
Bereits am 11. Januar beginnt die Besetzung des Ruhrgebiets (hier Essen) durch französische und belgische Truppen, nachdem Paris behauptet, dass Deutschland mit den Reparationszahlungen im Verzug ist.
Die Bevölkerung reagiert - unterstützt durch die Reichsregierung und angefeuert durch die nationale Entrüstung - mit passivem Widerstand, dem sogenannten Ruhrkampf.
Die Reparationszahlungen werden vollständig eingestellt, Generalstreiks lähmen die Wirtschaft, Beamte und Arbeiter verlassen ihre Arbeitsplätze, nehmen wichtige Unterlagen mit - oder schaffen ganze Züge in unbesetzte Gebiete.
Teils kommt es auch zu Anschlägen auf die Besatzer.
Diese reagieren mit Gewalt, der zahlreiche Zivilisten zum Opfer fallen, und Prozessen gegen Beteiligte des passiven Widerstands.
Doch die Streiks kosten viel Geld, was die Republik mit der Notenpresse auszugleichen sucht - was wiederum die ohnehin grassierende Wirtschaftskrise und die hohe Inflation noch verstärkt.
Landesweit kommt es zu Protesten und Arbeitskämpfen, bis zum Sturz der Regierung Wilhelm Cuno.
Sein Nachfolger wird im August Gustav Stresemann, der am 26. September das Ende des passiven Widerstands verkündet.
Denn Stresemann, der spätere Friedensnobelpreisträger, will ein dringendes Problem angehen: Die Deutsche Reichsmark hat im Laufe des Jahres massiv an Wert verloren. In Sommer und Herbst beschleunigt sich dieser Prozess zur Hyperinflation.
Geldscheine dieser Zeit weisen aus heutiger Sicht unvorstellbare Summen aus: zunächst Millionen-, …
… später Milliarden- und …
… sogar Billionenwerte.
Und doch reichen sie kaum aus, um ein Brot zu kaufen. Was an einem Tag noch bezahlbar ist, kostet am Folgetag das Doppelte oder mehr. (Postkartenmotiv)
So hat im November 1923 ein US-Dollar den Gegenwert von 4,2 Billionen Mark. Eine Briefmarke für einen Inland-Brief kostet zehn Milliarden, ein Kilo Brot 233 Milliarden Mark.
Teils können frisch gedruckte Banknoten nicht mehr mit der Entwertung Schritt halten - und müssen mit höheren Werten überdruckt werden. Auch schmucklose Scheine auf einfachem Papier gibt es, so schnell rotieren die Notenpressen.
Bilder von wertlosen Geldbergen - die höchstens noch zum Recycling oder …
… für den Ofen gut sind - brennen sich tief ins gesellschaftliche Gedächtnis ein und prägen bis heute die Angst der Deutschen vor der Inflation.
Doch die Hyperinflation hat nicht nur psychologische und gesellschaftliche Auswirkungen, sondern bringt auch das Wirtschafts- und Bankensystem an den Rand des Zusammenbruchs. (Geldbündel in einer Bankfiliale)
Die Reallöhne sinken rapide, weil sie mit der Geldentwertung nicht mehr mithalten können, die Arbeitslosigkeit steigt.
Erst die Einführung der Rentenmark am 15. November 1923 beruhigte die Lage, wenn auch langsam. Die von der Rentenbank ausgegebene Währung - die privatwirtschaftlich organisiert und damit eigentlich kein gesetzliches Zahlungsmittel ist - …
… wird durch Sachwerte gedeckt. In diesem Fall verpfänden Landwirtschaft, Industrie, Gewerbe und Handel vier Prozent ihres Besitzes als Grundschuld. (Eröffnung einer Rentenbank in Berlin)
Die sogenannte Papiermark wird jedoch nicht abgeschafft, sondern läuft parallel weiter. Ihre weitere Entwertung wird durch finanzpolitische Maßnahmen zumindest gestoppt. Noch 1924 werden neue Scheine ausgegeben - bis zu einem Wert von 100 Billionen.
Im selben Jahr wird zusätzlich die Reichsmark eingeführt, die dem Wert von einer Billion Papiermark entspricht und damit wertgleich mit der Rentenmark ist. Sie bleibt das deutsche Zahlungsmittel bis zur Währungsreform nach dem Zweiten Weltkrieg.
Doch der gesellschaftliche Schaden, den die Hyperinflation angerichtet hat, ist so schnell nicht mehr gut zu machen. Die Vermögen vieler Menschen lösen sich über Nacht in Luft auf. (Geld wird abgewogen)
Lebensmittel werden für viele unerschwinglich.
Während Besitzer von Sachwerten wie Immobilien profitieren, rutschen Teile des Bürgertums in die Armut ab, …
… ganz zu schweigen von jenen, die bereits vorher kaum über die Runden kamen.
Jeder muss für sich versuchen, so gut wie möglich durch die Krise zu kommen - das Vertrauen in den Staat schwindet.
Das hat enorme politische Folgen. Nicht nur sehen sich Gegner der Republik in ihrer Haltung bestätigt, auch die Bereitschaft der politischen Mitte, die Republik zu verteidigen, schwindet. Und die extremen Ränder versuchen, den Staat zu stürzen. (Blick in den Reichstag)
Hinzu kommen separatistische Bestrebungen. Teils mithilfe der französischen und belgischen Besatzer bringen Separatisten ab 21. Oktober mehrere rheinische Stadt- und Gemeindeverwaltungen (hier in Aachen) unter ihre Kontrolle.
In Aachen und Koblenz, später auch in Duisburg wird die "Rheinische Republik" ausgerufen - hier Ministerpräsident Josef Friedrich Matthes. Doch nicht nur Proteste der anderen alliierten Mächte machen die Pläne schnell zunichte. Die Separatisten können zudem …
… mit ihren schnell aufgestellten Truppen (Bild) ihre Herrschaft nicht halten - die Bevölkerung revoltiert gegen Beschlagnahmungen zur Bezahlung der "Soldaten". Nach gut einem Monat, teils gewaltsamen Auseinandersetzungen und Einsätzen der preußischen Polizei ist der Spuk weitgehend beendet. Am 27. November löst sich die Regierung der "Rheinischen Republik" in Koblenz auf.
Es gibt allerdings weiterhin Bestrebungen, einen eigenständigen Staat im Rheinland zu bilden. So macht der spätere Bundeskanzler Konrad Adenauer im Dezember 1923 den Vorschlag zur Bildung eines "Autonomen westdeutschen Bundesstaates", der jedoch keinen Anklang findet.
Weitere separatistische Versuche gibt es in der Pfalz. Zwar können Franz Joseph Heinz und sein "Pfälzisches Corps" mehrere Städte unter ihre Kontrolle bringen, darunter Kaiserslautern. Doch die Bildung einer "Autonomen Pfalz" scheitert an mangelnder Unterstützung durch Bevölkerung und Beamtenschaft. Im Januar 1924 werden Heinz (Bild) und andere Separatisten in einem Gasthaus in Speyer von nationalistischen Terroristen ermordet.
Sind diese separatistischen Bewegungen im Grunde von Anfang an zum Scheitern verurteilt, werden Umsturzversuche von rechts und links zur großen Gefahr für die Republik.
So verhängt das nationalistisch regierte Bayern aus Protest gegen das Ende des Ruhrkampfes im September den Ausnahmezustand. Die vollziehende Gewalt mit diktatorischen Vollmachten geht auf den Monarchisten und früheren Ministerpräsidenten Gustav Ritter von Kahr über, der zusammen mit dem bayerischen Wehrkreiskommandeur Otto von Lossow und anderen einen Putschversuch gegen die Reichsregierung vorbereitet. Das Ziel ist die Abspaltung Bayerns.
Reichspräsident Friedrich Ebert (M.) verhängt daraufhin den Ausnahmezustand in ganz Deutschland. Doch eine sogenannte Reichsexekution gegen Bayern - eine Zwangsmaßnahme des Staates - findet nicht statt, weil der Chef der Heeresleitung, General Hans von Seeckt (3.v.l.), mit der neuen bayerischen Regierung sympathisiert.
Anders sieht es in Sachsen und Thüringen aus, wo es um kommunistische Umsturzbestrebungen geht. Die tiefe Krise, in der Deutschland Mitte 1923 steckt will sich die KPD - im Auftrag Moskaus - zunutze machen. Sie strebt einen "Deutschen Oktober" an, durch den die Kommunisten an die Macht kommen wollen. (Wahlplakat von 1920)
Am 10. beziehungsweise 16. Oktober tritt die KPD in Sachsen und Thüringen in die jeweils SPD-geführte Landesregierungen ein - beide Parteien sind eigentlich seit der Novemberrevolution 1918 verfeindet. Zudem werden Kampfverbände aufgestellt, die "Proletarischen Hundertschaften", die jedoch kurz darauf verboten werden. (Hier die Festnahme eines Kommunisten in Sachsen.)
Auf einer Arbeiterkonferenz wird deutlich, dass die Kommunisten isoliert sind und eine Revolution keine große Unterstützung hätte. Die Umsturzpläne werden aufgegeben. Nur in Hamburg kommt es zwischen dem 23. und 25. Oktober unter Ernst Thälmann (Bildmitte, hier ca. 1930) zum Hamburger Aufstand, bei dem 24 Kommunisten und 17 Polizisten sterben. Er wird rasch niedergeschlagen.
In Sachsen geht derweil die Reichswehr gegen die Kommunisten vor, in mehreren Städten (hier eine Szene aus Freiberg) gibt es Schießereien. Am 29. Oktober kommt es zur Reichsexekution, die Regierung wird ihres Amtes enthoben und durch einen Reichskommissar ersetzt. Am 6. November folgt die Reichsexekution gegen Thüringen.
Das harte Vorgehen gegen Sachsen (Gedenkstein in Freiberg) und Thüringen sichert der Reichsregierung unter Stresemann die Loyalität der Reichswehr unter General von Seeckt - die sie bitter nötig hat.
Denn in Bayern werden die Umsturzpläne ungehemmt vorangetrieben. Doch letztlich sind es nicht Ritter von Kahr und seine Verbündeten, die den Putsch wagen. Es ist der Chef der NSDAP, …
… Adolf Hitler, der versucht, sich an die Spitze der Bewegung zu stellen. Er plant nach italienischem Vorbild einen "Marsch auf Berlin", um dort die Macht zu übernehmen.
In den Augen der Zeitgenossen ist es freilich nicht der ehemalige Gefreite Hitler, der im Mittepunkt steht. Viel bekannter ist Erich Ludendorff (l.), Erster Generalquartiermeister und Stellvertreter Paul von Hindenburgs (r.) im Ersten Weltkrieg, der sich 1920 bereits am Kapp-Putsch beteiligt hat.
Am 8. November 1923 lässt Hitler den Münchner Bürgerbräukeller umstellen, während Ritter von Kahr dort eine Rede hält. Er will den bayerischen Generalstaatskommissar zum Putsch gegen die Reichsregierung bewegen.
Hitler betritt den Versammlungsort, stellt sich auf einen Stuhl, schießt in die Decke und verkündet die "nationale Revolution". Zu den Mitputschisten gehören neben Ludendorff auch Hermann Göring und Ernst Röhm. Von Kahr und andere hochrangige Vertreter Bayerns sagen den Nationalsozialisten zunächst ihre Unterstützung zu.
Doch gleichzeitig flieht ein Teil der Regierung aus der Stadt, ruft zum Widerstand gegen den "Preußen Ludendorff" auf und erteilt der Polizei den Schießbefehl. Zudem beordert Otto von Lossow (im ovalen Bild), Landeskommandant der Reichswehr in Bayern, regierungstreue Truppen nach München.
In der Nacht widerruft von Kahr seine Hitler-Unterstützung. Er behauptet, vom NSDAP-Chef erpresst worden zu sein und verbietet die Partei - wegen dieses Rückziehers wird er 1934 im KZ Dachau ermordet. Hitler fehlt damit die Unterstützung für seinen Umsturzplan. (Verhaftung von Mitgliedern des Münchner Stadtrats)
Reichspräsident Ebert wiederum überträgt die vollziehende Gewalt an General von Seeckt. Zudem rücken Reichswehr und Polizei gegen das von Röhm besetzte Wehrkreiskommando VII vor.
Am Morgen kommt es in München zu Versammlungen und Reden der Nationalsozialisten - in denen sie den Sieg des Umsturzes verkünden.
Und die Nationalsozialisten marschieren wie geplant am 9. November unter Führung von Hitler und Ludendorff vom Bürgerbräukeller zur Feldherrnhalle.
Dort jedoch werden die Putschisten durch Schüsse der Polizei auseinandergetrieben (Szene vom Odeonsplatz). Bei den Feuergefechten sterben vier Polizisten sowie ein Schaulustiger. Zudem werden 16 Putschisten getötet, …
… die von den Nationalsozialisten als "Blutzeugen der Bewegung" propagandistisch mystifiziert werden.
In späteren Jahren wird am 9. November des gescheiterten Putsches gedacht, vor allem 1938 zum 15. Jahrestag.
Ludendorff wird festgenommen und später vor Gericht gestellt, wegen seiner (angeblichen) Verdienste im Ersten Weltkrieg aber freigesprochen.
Hitler entkommt zunächst in einem Sanitätsauto, versteckt sich und wird am 11. November festgenommen. Ab Februar 1924 steht er vor Gericht - was er als Bühne für wüste Angriffe auf die Republik nutzt. Letztlich kommt er äußerst glimpflich davon und entgeht (als Österreicher) der Abschiebung.
Er wird zu fünf Jahren Festungshaft in Landsberg verurteilt, wo er jedoch etliche Privilegien genießt und etwa Gäste empfangen kann. Bereits nach neun Monaten wird er entlassen.
In Haft entsteht seine Propagandaschrift "Mein Kampf".
Die NSDAP wird genau wie die KPD, noch im November verboten, aber nur vorübergehend.
Die Weimarer Republik hat den Angriff ihrer Feinde überstanden. Zumindest vorerst. 1924 beginnt eine Phase vorübergehender Stabilität, die jedoch stets brüchig bleibt und 1929 mit der Weltwirtschaftskrise schlagartig endet. (Blick auf den Potsdamer Platz in Berlin)
Immerhin kann 1924 auf der Londoner Konferenz mit dem Dawes-Plan die Reparationsfrage neu geregelt werden.
Stresemann gelingt zudem als Außenminister 1925 mit den Verträgen von Locarno (Bild) eine Verständigung mit Frankreich sowie 1926 die Aufnahme in den Völkerbund. Die Weimarer Republik kehrt damit in die internationale Gemeinschaft zurück.
Doch die Feinde von Republik und Demokratie ruhen nicht. Sie bereiten bereits die nächsten Angriffe vor.