

Es sind Bilder des Grauens - direkt vor Europas Haustür.
Seit mehr als zwei Jahren wütet der Bürgerkrieg in Syrien.
Ein Ende der Apokalypse ist nicht in Sicht.
Laut der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte starben allein bis Ende Juni 2013 mehr als 100.000 Menschen.
Unter den Toten sind mehr als 36.000 Zivilisten.
Auch 2500 ausländische Kämpfer lassen in dem Bürgerkrieg ihr Leben.
Außerdem ist das Schicksal von mehr als 10.000 Gefangenen der Regierung sowie von hunderten Soldaten in der Hand der Rebellen ungeklärt.
Syrien, einst die Perle des Orients, liegt in Trümmern.
Viele Ortschaften gleichen Geisterstädten.
Einzigartige Weltkulturerbestätten sind vernichtet.
Dabei war es zu Beginn des Arabischen Frühlings in Syrien noch relativ ruhig.
Syriens Präsident Baschar al-Assad, der einstige Augenarzt, der im Westen studiert hatte, gab sich vergleichsweise aufgeklärt.
Anderen Politikern im Ausland empfahl er, "sich selbst in dem Maß weiterzuentwickeln, wie sich die Gesellschaft weiterentwickelt".
Doch im März 2011 zeigt sich, dass er sich an seine eigenen Ratschläge nicht hält.
Als Kinder in der Stadt Daraa Parolen wie "Das Volk will den Sturz des Regimes" an Wände kritzeln, greifen seine Sicherheitskräfte rigoros durch. Sie nehmen die Kinder fest und foltern sie.
Bei Demonstrationen wenig später sind die ersten Toten zu beklagen. Dann greifen die Proteste auf andere Städte des Landes über.
Assad macht die Schuldigen schnell aus: ...
... In einer Rede am 30. März 2011 bezichtigt er ausländische Kräfte der Verschwörung und droht den Demonstranten.
Seitdem eskaliert der Krieg von Monat zu Monat.
Die UN-Beauftragte Navi Pillay beklagt gut belegte Fälle von Folter und Tötung von Kindern sowie von Massakern an ganzen Familien einschließlich Babys.
"Das ist eine schreckliche Erinnerung, wie teuflisch dieser Konflikt geworden ist", so Pillay.
Menschenrechtsverletzungen gibt es auf allen Seiten der Front.
Das Regime feuert Raketen auf die eigene Bevölkerung ab ...
... und bombt ganze Ortschaften in Grund und Boden.
Auch Flüchtlinge sind ihres Lebens nicht sicher. So sollen viele von ihnen Anfang Juni, als sie aus der gefallenen Stadt Kusair zu fliehen suchen, von Assads Soldaten mit Maschinengewehren und Bomben niedergemäht worden sein.
Immer wieder gibt es Berichte über Massaker an der Zivilbevölkerung. Besonderes Aufsehen erregt das Morden in Hula, wo im Mai 2012 mehr als 100 Menschen massakriert werden - fast die Hälfte von ihnen sind Kinder.
Oft bleibt unklar, wer tatsächlich hinter dem Morden steckt.
Sind es Assads Truppen, ...
... Milizen oder Aufständische?
Schließlich zeigen sich die Rebellen auch nicht zimperlich.
In Aleppo sollen radikale Islamisten erst kürzlich einen 15-Jährigen mit Schüssen in den Mund und ins Genick getötet haben.
Er hatte Kaffee verkauft und als ein Junge eine Tasse umsonst haben wollte, soll er gesagt haben: "Selbst wenn Allah persönlich herkommt, werde ich ihn nicht anschreiben lassen."
Frauen, die kein Kopftuch tragen, werden offenbar von Islamisten drangsaliert.
Auch wenn viele Berichte schwer zu überprüfen sind, weil sich nur wenige ausländische Journalisten in Syrien aufhalten, ist klar: ...
... Der Konflikt hat ein unvorstellbares Ausmaß an Gewalt und Brutalität erreicht.
Nachbarn, die jahrzehntelang friedlich nebeneinander wohnten, bekämpfen sich inzwischen bis aufs Blut.
Längst geht es nicht mehr nur um etwas mehr Demokratie, um ein Kräftemessen zwischen einheimischen Aufständischen und dem Assad-Regime.
Vielmehr wütet in Syrien nun auch ein Religionskrieg, in dem die Nachbarstaaten kräftig mitmischen.
Auf der einen Seite unterstützen die schiitische Hisbollah und der Iran das Assad-Regime mit Waffen und Kämpfern, ...
... stehen doch traditionell Hisbollah und der Iran dem alewitischen Assad-Clan nahe.
Besonders bei der Eroberung der strategisch wichtigen Stadt Kusair im Juni dieses Jahres lohnt sich für Assad die Unterstützung durch die kampferprobte Hisbollah.
Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah erweist sich als treuer Verbündeter, der dem Regime in Damaskus verspricht: ...
... "Wir werden bis zum Ende gehen, wir werden diese Verantwortung tragen und alle Opfer und die zu erwartenden Konsequenzen akzeptieren."
Auf der anderen Seite unterstützen besonders Katar und die Saudis die zumeist sunnitischen Rebellen mit Geld, Waffen und Kämpfern.
Dabei sickern auch mehr und mehr islamistische Kämpfer in das Land.
Viele Rebellen der mit Al-Kaida verbündeten Nusra-Front kommen aus dem Irak, Saudi-Arabien, Ägypten und Tschetschenien.
Sie machen sich vor allem im Nordosten Syriens breit. Mindestens 4000 Kämpfer sollen es bereits sein, die zu allem entschlossen sind.
Mit anderen Assad-Gegnern liefern sie sich eine Art Krieg im Krieg.
So ermorden die selbst ernannten Gotteskrieger Mitte Juli einen der führenden Kommandeure der Freien Syrischen Armee.
Daraufhin kommt es zu erbitterten Kämpfen in der nördlichen Provinz Idlib.
Die Islamisten gehen auch gegen die Kurden vor, von denen es rund zwei Millionen in Syrien gibt. Diese haben der Regierung Assad rund um die Provinzhauptstadt Quamishli eine Art autonome Enklave abgetrotzt; auf öffentlichen Gebäuden weht die kurdische Flagge.
Auch die USA mischen längst in Syrien mit.
Medienberichten zufolge trainieren die CIA und US-Eliteeinheiten seit Monaten heimlich syrische Rebellen.
Diese sollen in US-Stützpunkten in Jordanien und der Türkei unter anderem an panzerbrechenden Waffen und Luftabwehrraketen ausgebildet werden.
Nach Jahren des Lavierens hat US-Präsident Barack Obama kaum mehr eine Wahl.
Die von ihm skizzierte "rote Linie", falls das Assad-Regime Chemiewaffen einsetzt, ist offenbar überschritten.
Nach US-Geheimdiensterkenntnissen haben Assads Regierungstruppen im vergangenen Jahr mehrmals "in geringem Umfang" Chemiewaffen eingesetzt.
Die EU und die UN sind gespalten in ihrer Haltung zu Syrien.
Während Frankreich und Großbritannien auf Waffenlieferungen dringen, hält sich Deutschland zurück.
Im UN-Sicherheitsrat blockiert Moskau jede Verurteilung des Assad-Regimes, das es noch mit Waffen beliefert.
Die Uneinigkeit der Weltgemeinschaft und die Waffenlieferungen an beide Seiten führen dazu, dass der Krieg unvermindert weitertobt.
Für die Syrer eine Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes.
Millionen Menschen haben alles verloren.
Bis zum Ende dieses Jahres rechnen die UN mit insgesamt 10 Millionen syrischen Vertriebenen in und außerhalb Syriens.
Eine ganze Generation ist traumatisiert.
Im einstigen bildungspolitischen Vorzeigeland in der arabischen Welt geht höchstens noch die Hälfte der Kinder in die Schule.
Viele Schulen sind zerstört ....
... oder dienen als Unterkünfte für Rebellen, Regierungstruppen oder Flüchtlinge.
Doch selbst wo noch Schulen stehen, ist deren Besuch lebensgefährlich.
Laut Human Rights Watch werden viele Kinder von Agenten des Regimes bespitzelt.
Wiederholt attackiert das syrische Militär Schulen mit Panzern und aus der Luft.
Human Rights Watch zitiert Salma, eine Schülerin aus Daraa: "Die Panzer sind auf den Schulhof gefahren und haben mit Maschinengewehren auf das Gebäude gefeuert".
Dabei hätten sich nie Rebellen in der Schule befunden.
Notdürftig richten lokale Aktivisten Schulen in Moscheen oder Wohnungen ein.
Doch es fehlt an allem: an Büchern, Stiften, Lehrern.
Und nicht nur das.
Jeder fünfte Syrer bekommt wegen der Kämpfe zwischen Regierung und Rebellen nicht genug zu essen.
Mehr als vier Millionen Syrer sind auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen, die UN warnen vor einer Hungersnot.
Das Welternährungsprogramm WFP erreicht höchstens die Hälfte von ihnen, manche Orte können die WFP-Mitarbeiter seit Beginn des Krieges nicht mit Lebensmittelpaketen versorgen.
Vielfach kommen die Helfer nicht durch, vielfach müssen sie Dutzende Checkpoints passieren - und werden nicht durchgelassen.
"Manchmal kommt man zu einem Checkpoint und dort sitzt ein schlecht gelaunter Junge mit einer Kalaschnikow", berichtet WFP-Regionaldirektor Muhannad Hadi im Gespräch mit n-tv.de. ...
... "Er hat es in der Hand, einen umkehren zu lassen."
Internationale und einheimische Helfer werden attackiert, und etliche müssen ihre Arbeit mit dem Leben bezahlen.
Erst im Mai werden drei deutsche Mitarbeiter der "Grünhelme" entführt, zwei sind inzwischen wieder frei.
Längst greift der Bürgerkrieg auch auf die Nachbarländer Syriens über.
Die Türkei, die auf den Sturz des Assad-Regimes hinarbeitet, gerät immer wieder in den Fokus der Kämpfer.
Nicht nur, dass sie Zehntausende Flüchtlinge beherbergt und dabei an ihre Grenzen stößt.
Immer wieder kommt es hier auch zu Gemetzeln und schweren Anschlägen wie am 11. Mai, als in Reyhanli fast 50 Menschen sterben und 140 verletzt werden.
Zugleich befürchtet die Türkei, dass der Bürgerkrieg die Autonomiebestrebungen der Kurden im eigenen Land verstärkt.
Auch dem Libanon, der selbst jahrelang im Bürgerkrieg versank, droht wieder der Abgrund.
Der Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten lodert hier wieder auf.
In den grenznahen Gebieten, aber auch in Beirut, kommt es inzwischen zu Anschlägen und Gefechten.
Im Libanon wie auch Jordanien, wo schon jetzt Hunderttausende Flüchtlinge leben, regt sich massiver Unmut.
Internationale Helfer wie WFP-Regionaldirektor Hadi sind höchst pessimistisch, was den Syrien-Krieg angeht.
"Es gibt keine Definition mehr für die Krise in Syrien", sagt er.
"Sie sprengt jeden Rahmen. Es ist schwer zu sagen, wann sie endet."
Eines aber könne er mit Sicherheit prophezeien: ...
... "Es wird noch sehr viel schlimmer werden, bevor es wieder aufwärts geht."