

Die Niederlage ist total. Als am 2. Februar 1943 General Karl Strecker mit den verbliebenen Divisionen kapituliert, ist klar:
Nicht nur haben die Deutschen die Schlacht von Stalingrad verloren, ...
... vielmehr ist auch die Wende im Zweiten Weltkrieg eingeläutet.
In einem Krieg, der bereits Millionen Menschen das Leben gekostet hat und noch Millionen weitere Opfer fordern wird.
Begonnen hatte der deutsche Vernichtungsfeldzug gegen die Sowjetunion am 22. Juni 1941.
Mit mehr als drei Millionen Soldaten zieht Adolf Hitler im "Unternehmen Barbarossa" gegen das Reich von Josef Stalin zu Felde.
Doch die Blitzkriegsstrategie scheitert, schon mit der verlorenen Schlacht um Moskau Anfang 1942 erhält der Mythos von der Unbesiegbarkeit der Wehrmacht Kratzer.
Die deutschen Truppen bleiben im Schlamm stecken, in Matsch und Schnee.
1942 fehlt es ihnen vor allem an Treibstoff, die verbündeten Rumänen können nicht genug Erdöl liefern, ...
... die deutsche Benzinproduktion aus Kohle leidet unter den verstärkten Luftangriffen der Alliierten.
Hitler entschließt sich zu Angriffen auf die Ölraffinerien im Kaukasus.
Zeitgleich will er die Wolga blockieren, um den Nachschub sowjetischer Rüstungsgüter zu stoppen ...
... und die Stalingrader Waffenschmieden zerstören.
Dass die Front damit auf eine Länge von 4000 Kilometer ausgedehnt wird, ficht Hitler nicht an, glaubt er doch, dass "der Feind die Massen seiner Reserven im ersten Kriegswinter weitgehend verbraucht" habe.
Es ist eine von vielen fatalen Fehleinschätzungen des angeblich "größten Feldherrn aller Zeiten", ...
... der es im Ersten Weltkrieg gerade mal zum Gefreiten gebracht hatte.
Für den "Gröfaz" steht fest: Den Angriff auf Stalingrad soll die 6. Armee unter General Friedrich Paulus übernehmen.
Mit ihr könne er notfalls "den Himmel stürmen", soll Hitler sie einmal überschwänglich gelobt haben.
Mitte August befiehlt Paulus den Angriff auf die boomende Industriestadt mit den Kombinaten, Panzerschmieden und Raffinerien.
Allein am 23. August wirft die deutsche Luftwaffe 1000 Tonnen Bomben ab.
"Der Himmel war schwarz von Flugzeugen", erinnert sich später eine Augenzeugin.
Alte, Frauen und Kinder versuchen über die Wolga aus der Stadt zu fliehen, doch die deutschen Piloten donnern im Tiefflug über sie hinweg und zielen auf die überfüllten Boote und die Menge am Ufer.
Rund 40.000 Zivilisten, so sowjetische Angaben, sterben alleine bei den Luftangriffen.
Stalin hatte ihnen die Flucht aus der Stadt untersagt, weil er meinte, ihr Verbleiben würde die Moral der Truppe stärken.
Die Bombardements aus der Luft sind erst der Auftakt zu einer der größten Schlachten des Zweiten Weltkriegs.
Nach den Luftangriffen sollen die Panzerverbände in die Stadt rollen, ...
... doch entgegen Hitlers Erwartungen leistet die Rote Armee erbitterten Widerstand.
Haus für Haus bekämpfen sich deutsche und sowjetische Soldaten - mit Feuerwerfern und Handgranaten, Spaten und Messern.
"Um jedes Haus, jede Fabrikhalle, um Wassertürme, Bahneinschnitte, Mauern, Keller und schließlich um jeden Trümmerhaufen tobte ein Kampf, wie man ihn in dieser Konzentration selbst in Materialschlachten des Ersten Weltkrieges kaum erlebt hatte", beschreibt ein deutscher Offizier das Gemetzel. "Entfernung gab es nicht, nur Nähe."
Bis Ende Oktober erobert die Wehrmacht den größten Teil der Stadt - oder das, was von ihr übrig ist.
Die Rote Armee hält nur noch einen Uferstreifen, einige hundert Meter breit. Die Abteilung Fremde Heere Ost, die vom späteren BND-Chef Reinhard Gehlen geleitet wird, erklärt am 31. Oktober: ...
... "Vorbereitungen größerer Angriffe sind noch an keiner Stelle erkennbar." Eine fatale Fehleinschätzung.
19 Tage später startet die Operation "Uranus", der sowjetische Gegenstoß, ...
... mit einer Million Soldaten, 13.500 Geschützen und Granatwerfern, 900 Panzern, mehr als 1000 Flugzeugen.
Die rund 250.000 deutschen Soldaten und ihre Verbündeten ergreift die Panik.
"Von Angst vor den sowjetischen Panzern gepeitscht, jagten Lkw, Befehlswagen, Kräder, Reiter und pferdebespannte Fahrzeuge nach Westen, prallten aufeinander, fuhren sich fest, stürzten um, versperrten den Weg", erinnert sich später ein deutscher Offizier.
"Zwischendurch stießen, drückten, schoben, wälzten sich Fußgänger. Wer stolperte und zu Boden fiel, kam nicht wieder auf die Beine. Er wurde zertreten, überfahren, plattgewalzt."
Nach fünf Tagen ist Stalingrad vollkommen eingekesselt.
Als General Paulus noch retten will, was zu retten ist, und vorschlägt, die 6. Armee zurückzuziehen, gibt Hitler den Befehl aus, dass sich diese in der "Festung" Stalingrad einigeln solle.
Man werde die Armee noch "entsetzen" (durch neue Truppen befreien), bis dahin werde sie über eine Luftbrücke versorgt.
Die Stadt mit dem symbolträchtigen Namen von Hitlers Erzfeind muss gehalten werden. Koste es, was es wolle. Schließlich ist der Kampf um Stalingrad längst zu einem Fernduell zwischen Hitler und Stalin geworden.
Doch Hermann Göring, Chef der deutschen Luftwaffe, kann nicht erfüllen, was er zuvor wider besseres Wissen Hitler versprochen hatte.
Nie schaffen es seine Flieger, die Eingekesselten auch nur annähernd mit dem Nötigsten zu versorgen. Und manche ihrer Waren sind von begrenztem Nutzen: Kondome, Orden, Propagandabroschüren.
Mehr und mehr herrscht das nackte Elend.
Die hungernden Soldaten machen sich über alles her, was ihnen in die Hände fällt: Hunde, Katzen, Ratten.
Die Lage im Kessel von Stalingrad wird immer dramatischer.
Die Essensrationen werden gekürzt, bis es zum Schluss pro Mann und Tag nur noch 60 Gramm Brot und eine laue Wassersuppe gibt.
"Letztes Jahr lachten wir über die Russen, wenn sie über ihre Gäule herfielen. Heute lassen wir den Russen nichts mehr übrig", beschreibt ein deutscher Soldat die verzweifelte Lage. Selbst die Hufe der Pferde werden ausgekocht.
Die ausgemergelten und verlausten Deutschen sterben in Stalingrad weniger im Kampf als an Hunger und der eisigen Kälte, für die sie kaum gewappnet sind.
Viele der Kranken versuchen noch, die Flugzeuge, die in die Heimat zurückfliegen, zu stürmen, um bloß aus dem Kessel herauszukommen. Oft können sie nur mit Gewalt zurückgehalten werden.
Zur weiteren Demoralisierung der Soldaten trägt die sowjetische Propaganda-Abteilung bei.
Lieder und Parolen wie "Alle sieben Sekunden stirbt ein deutscher Soldat. Stalingrad – Massengrab" ertönen über gigantische Lautsprecher.
Kaum einer glaubt mehr an die Losung, die Paulus kurz nach der Einkesselung ausgegeben hatte: "Drum haltet aus, der Führer haut uns raus!"
Nur kurzzeitig flammt bei den Soldaten wieder Hoffnung auf, als Mitte Dezember Geschützdonner aus der Ferne ertönt.
Es ist die "Operation Wintergewitter", durchgeführt von der 4. Panzerarmee unter Leitung von Generalfeldmarschall Erich von Manstein.
Vom 12. bis 23. Dezember bemüht sie sich um einen Entlastungsangriff, um den Kessel zu sprengen.
Doch die sowjetischen Truppen schlagen den Angriff zurück.
Die Lage für die eingekesselten Deutschen wird immer hoffnungsloser.
Sie sind alleingelassen, dem Sterben preisgegeben.
"Unbeschreibliches haben wir in den letzten Tagen durchgemacht und es steht uns wohl noch Schlimmeres bevor", schreibt der Soldat Karl Augustinus Anfang Januar 1943.
"Ich lerne jeden Tag, mit dem Leben abzuschließen. Namenloses Elend, Tod, Zerstörung ist hier."
Andere Soldaten klingen in ihren Briefen an die Heimat ähnlich verzweifelt: "Hunger, Hunger, Hunger, und dann Läuse und Schmutz", so der Soldat Bruno.
"Tag und Nacht werden wir von Fliegern angegriffen, und das Artilleriefeuer schweigt fast nie. Wenn nicht in absehbarer Zeit ein Wunder geschieht, gehe ich hier zugrunde."
Das Wunder bleibt aus. Dennoch lehnt am 8. Januar 1943 Paulus, auch "Cunctator", der Zögerer genannt, die sowjetische Aufforderung zur Kapitulation ab.
Es beginnt die letzte Großoffensive der sowjetischen Truppen. Die Kräfte der Wehrmacht werden immer weiter zerrieben und in einen Nord- und Südkessel aufgespalten.
Am 25. Januar verlässt das letzte deutsche Flugzeug den Kessel von Stalingrad. Es gibt keine Verpflegung mehr, 12.000 Verwundete bleiben unversorgt, die Munition geht zur Neige.
Viele Offiziere begehen Selbstmord oder versuchen - meist vergebens - mit ihren Truppen auszubrechen.
Doch Paulus selbst funkt noch am 29. Januar ergeben: "An den Führer! Zum Jahrestag ihrer Machtübernahme grüßt die 6. Armee ihren Führer. Noch weht die Hakenkreuzfahne über Stalingrad. ...
... Unser Kampf möge den lebenden und kommenden Generationen ein Beispiel dafür sein, auch in der hoffnungslosesten Lage nie zu kapitulieren, dann wird Deutschland siegen. Heil mein Führer! Paulus, Generaloberst."
Die Belohnung kommt prompt. In letzter Minute ernennt Hitler den Generaloberst durch Funkspruch zum Generalfeldmarschall. Die Hoffnung, die dahinter steckt, ist offensichtlich: Paulus soll die Stellung um jeden Preis halten oder sich umbringen - schließlich hatte sich noch nie ein deutscher Generalfeldmarschall gefangen nehmen lassen.
Doch ausgerechnet in diesem Punkt verweigert ihm Paulus die Gefolgschaft. Am 31. Januar 1943 begibt er sich in die Gefangenschaft und lässt sich mit seinem eigenen Stabs-Mercedes zum Hauptquartier der Donfront bei Zawarykino fahren.
"Der Mann hat sich totzuschießen, so wie sich früher die Feldherren in das Schwert stürzten, wenn sie sahen, dass die Sache verloren war", tobt Hitler.
Am 2. Februar gibt auch der Nordkessel unter General Karl Strecker auf.
In Stalingrad weht wieder die sowjetische Fahne.
Die 6. Armee ist am Ende. Rund 90.000 deutsche Soldaten geraten in Kriegsgefangenschaft. Ausgemergelt, ausgehungert, verzweifelt.
Nicht mehr als 6000 Mann werden die Gefangenschaft in der Sowjetunion überleben.
Der sowjetische Blutzoll ist noch deutlich höher. Insgesamt sterben in der Schlacht von Stalingrad mehr als 700.000 Menschen.
Auch für die nationalsozialistische Propaganda ist die Niederlage von Stalingrad verheerend. Dass Zehntausende in Gefangenschaft gehen, wird verschwiegen, krampfhaft versucht der "Völkische Beobachter" das sinnlose Sterben zu überhöhen.
Hitler weiß um die Bedeutung der Katastrophe und ist erschüttert. Mehr und mehr verfällt der Diktator.
Doch seinen Kurs ändert er nicht. Am 18. Februar 1943 ruft Propagandaminister Joseph Goebbels im Sportpalast aus: "Wollt ihr den totalen Krieg?" Ein begeisterter Jubel schallt ihm entgegen.
Bis zum 8. Mai 1945 wird der Krieg noch weitergehen und mit ihm das millionenfache Morden und Sterben.
Bis ganz Europa in Trümmern liegt.